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AFRIKA/912: Sudan - Zweistaatenlösung wahrscheinlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Dezember 2010

Sudan:

Zweistaatenlösung wahrscheinlich - USA lehnen Ägyptens
Konföderationsplan ab

Von Adam Morrow und Khaled Moussa Al-Omrani


Kairo, 2. Dezember (IPS) - In der Debatte über die politische Zukunft des Sudans haben die USA den ägyptischen Vorschlag einer "Konföderation" zwischen dem seit Bürgerkriegsende 2005 autonomen Süden und dem Rest des Landes zurückgewiesen.

Verläuft alles nach Plan, werden die Südsudanesen in einer Volksbefragung am 9. Januar 2011 über ihr politisches Schicksal entscheiden. Beobachter rechnen mit einer Zweistaatenlösung. "Die USA wollen einen unabhängigen Staat Südsudan, um ihre politischen Ziele in Afrika zu erreichen", erklärte Hani Raslan vom halbstaatlichen Al-Ahram-Zentrum für Politische und Strategische Studien im Gespräch mit IPS.

Vor fünf Jahren hatten die regierende Nationale Kongresspartei (NCP) und die Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsfront (SPLM) in der kenianischen Stadt Naivasha einen Friedensvertrag unterzeichnet. Die Einigung beendete einen Bürgerkrieg zwischen dem islamisch-arabischen Norden und dem christlich-schwarzen Süden des größten afrikanischen Landes, der mit Unterbrechungen seit den fünfziger Jahren im Gang war.

Das von den USA und der Afrikanischen Union (AU) unterstützte Abkommen sieht eine Volksabstimmung über eine mögliche Unabhängigkeit des Südsudans von der Regierung in Khartum vor. Außerdem sollen die Bewohner der zentral gelegenen Erdölregion Abyei selbst am selben Tag entscheiden, ob sie künftig zum Norden oder Süden gehören wollten.


Ägypten will keinen Streit um Nilnutzung

Nach aktuellen Prognosen ist zu erwarten, dass die Mehrheit der Menschen im Südsudan für die Abspaltung vom Norden votieren wird. Den Interessen Ägyptens käme eine neue Staatengründung allerdings überhaupt nicht entgegen. Seit 2005 hat sich Kairo für den Zusammenhalt des Sudans eingesetzt. Einer der Gründe dafür dürfte sein, dass die Regierung keine neuen Verhandlungen für die gemeinsame Nutzung des Nil-Wassers führen will.

"Ägypten hat verstärkt Investitionen im Südsudan getätigt und mehrere große Infrastrukturprojekte angestoßen", berichtete Raslan. Hochrangige ägyptische Diplomaten hätten außerdem mehrmals mit der Übergangsregierung in Juba beraten.

Wie Ägyptens Außenminister Ahmed Aboul-Gheit Anfang November verkündete, hatte sein Land in den vorangegangenen fünf Jahren umgerechnet etwa 87 Millionen US-Dollar in Projekte im Südsudan fließen lassen. Damit wurde unter anderem der Bau von Krankenhäusern, Schulen und Kraftwerken finanziert. Man hoffe, die Menschen in der Region von ihren Unabhängigkeitsbestrebungen abzubringen, sagte der Minister.

Laut Aboul-Gheit ist Ägypten darüber besorgt, dass angesichts des kurz bevorstehenden Referendums bislang ungeklärte wichtige Themen unter den Tisch fallen könnten. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Grenzmarkierung, Einwanderungsfragen, die Verteilung natürlicher Ressourcen wie Erdöl sowie die Zukunft der Region Abyei.

Der Minister schlug als Alternative zu einem vollständig unabhängigen Staat Südsudan eine Konföderation mit dem Norden vor. "Demnach würde es zwei unabhängige Länder geben, die jedoch eine gemeinsame Währung und Außenpolitik hätten." Aboul-Gheit warnte zugleich vor Gewaltausbrüchen im Süden, sollten vor der Unabhängigkeit nicht alle noch strittigen Fragen geklärt werden.

Auch eine Ende November veröffentlichte Studie der beiden Forschungsinstitute 'Frontier Economics' und 'Institute for Security Studies und der Organisationen 'Society for International Development' und 'Aegis Trust' hält ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs für denkbar, wenn nicht alle Differenzen überbrückt würden. Zahlreiche Menschen drohe damit Tod oder Vertreibung, heißt es in dem Report. Den Staat Sudan käme ein solcher Krieg mit geschätzten Kosten von mehr als 100 Milliarden Dollar zudem teuer zu stehen. Ägypten wiederum würde dadurch jährlich etwa sieben Milliarden Dollar einbüßen.

Nach Ansicht von Raslan hat Kairo die Konföderation vorgeschlagen, um eine enge Beziehung zwischen dem Norden und dem Süden des Sudans aufrecht zu erhalten. Auf diese Weise könnten nebenrangige Probleme freundschaftlich gelöst werden, bevor sie möglicherweise zu neuen Feindseligkeiten führten.


USA verfolgen eigene Interessen in Afrika

Die USA reagierten prompt und lehnten den Vorschlag ab. Über die Zukunft des Südsudans könne nur die Bevölkerung entscheiden, erklärte US-Außenamtssprecher Philip Crowley. Laut Raslan lässt sich Washington dabei in erster Linie von seinen eigenen geo-strategischen Interessen leiten.

"In den letzten Tagen der Regierung von George W. Bush hat das Pentagon das 'Afrika-Kommando' (AFRICOM) eingesetzt, das militärische Operationen auf dem Kontinent koordinieren sollte", sagte der Wissenschaftler. Ein zentraler Bestandteil des neuen regionalen Kommandos sei ein Militärstützpunkt, den die USA im Südsudan errichten wollten. Damit versuche Washington auch den islamischen Norden des Landes unter Kontrolle zu halten.

Ähnlich wie Raslan äußerte sich Helmy Sharaawi, der in Kairo das Arabisch-Afrikanische Forschungszentrum leitet. Er sieht es zudem als widersprüchlich, dass die USA eine Volksabstimmung über die Zukunft der von Indien und Pakistan beanspruchte Region Kaschmir strikt ablehnt. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://ahram.org.eg/
http://www.aegistrust.org/images/reports_briefings_2010/The_cost_of_future_conflict_in_Sudan.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53732


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2010