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AFRIKA/966: Zur Situation der Presse in Simbabwe (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5/6, November/Dezember 2010

"Fortschritte mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte"

Ein Interview mit Golden Maunganidze zur Situation der Presse in Simbabwe


Golden Maunganidze ist Herausgeber des "Masvingo Mirror". Die Zeitung wurde 2009 zum zweiten Mal in Folge als beste kommunale Zeitung" Simbabwes ausgezeichnet. Golden Maunganidze selbst erhielt 2008 für seine engagierte Berichterstattung gegen Korruption den "Nationalen Integritätspreis" von Transparency International Zimbabwe und wurde zudem für seinen Einsatz für die Rechte von Kindern von Unicef als "Zimbabwe Children Reporter 2009/20 10" geehrt. Frank Gries konnte mit Maunganidze während seiner Teilnahme an einer Fortbildung zum Thema "Multimedia und Online Journalismus" der InWEnt gGmbH sprechen.


FRAGE: Der Mirror ist ein so genanntes "Community Paper". Wie würden Sie die Rolle der Community Paper beschreiben?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ein Community Paper beschäftigt sich hauptsächlich mit regionalen Fragen. Der Mirror ist ein unabhängiges Community Paper für Masvingo. Wir haben z.B. die Stadtverwaltung, unsere lokale Regierung. Wir transportieren die Nachrichten zu den Menschen. Wir decken auch die ländlichen Distriktverwaltungen in Masvingo ab, wir schicken Reporter zu deren Treffen. Die Reporter unterrichten dann die Bevölkerung, was in ihrer Kommune passiert. Unsere nationalen Zeitungen können dies nicht leisten. Chiredzi ist vielleicht ein oder zweimal pro Jahr im Herald erwähnt. Der Herald hat nur einen Reporter für die gesamte Provinz, er kann unmöglich alle Informationen abdecken.

Ein Community Paper konzentriert sich auf die Belange, die von Bedeutung für die lokalen Einwohner sind. Eine Person in Harare ist auch meist nicht interessiert daran, warum die Geschäftsleute etwa im Zaka-Distrikt sich über hohe Mieten beschweren. Oder warum die Menschen in Chiredzi jeden Freitag kein Wasser bekommen. Über dies berichten wir im Detail. Dafür werden die Community Papers benötigt.

FRAGE: Mit wie vielen Reportern arbeitet der Mirror?

GOLDEN MAUNGANIDZE: In unserem Büro sind fünf Vollzeitjournalisten. Dazu gibt es ein Büro in Chiredzi und weitere Korrespondenten: Aufgrund fehlender Mittel können wir oft nicht reisen, daher beschäftigen wir einige Korrespondenten - meistens Lehrer -, die gute Artikel schreiben können. Wir kontaktieren unsere Korrespondenten jede Woche, wir bezahlen sie für die Artikel, aber sie sind nicht angestellt.

Ein Problem ist manchmal die Einseitigkeit von Storys, dann müssen diese Berichte überprüft werden, Kommentare der verschiedenen Seiten eingeholt werden. Sehr oft bekommen wir Hinweise aus der Bevölkerung wie: "Der und der Offizielle stellt nur Leute aus seinem Dorf ein." Diesen Hinweisen gehen wir dann nach und versuchen Informationen und Kommentare zu bekommen.

FRAGE: Die Situation für Zeitungen in Simbabwe ist noch immer sehr schwierig. Masvingo ist die Stadt in Simbabwe, die am stärksten unter Stromausfällen zu leiden hat. Auch Druckmaterialien sind nicht einfach zu erhalten. Was sehen Sie als Hauptproblem, eine Zeitung herauszubringen?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Momentan ist es noch immer eine Herausforderung, eine Ausgabe fertig zu stellen. Wir haben z.B. keine eigene Presse. Die Zeitung auswärts drucken zu lassen, ist sehr teuer. Beim Papier haben wir Glück, wir benutzen Newsprint, welches allen Community Papers von einem Geber zur Verfügung gestellt wurde. Ansonsten könnten wir uns dieses Papier auch nicht leisten.

Als unabhängige Zeitung haben wir ansonsten aber keine regelmäßigen Unterstützer. Daher sind wir sehr abhängig von den Anzeigen. Dies ist oft sehr stressig, manchmal hat man am Mittwoch erst drei Anzeigen - aber die Kunden, die dieses Problem natürlich nicht kennen, wollen ihre Zeitung am Donnerstag. Wenn wir Anzeigen haben, gibt es dagegen oft Klagen "wir wollen keine Anzeigen, wir wollen mehr Artikel". Aber es sind nun einmal die Anzeigen, die die Zeitung finanzieren. Wenn die Geschäfte allgemein nicht gut gehen in Masvingo, haben wir weniger Anzeigen - und die Zeitung hat weniger Seiten und wird manchmal zum Verlustgeschäft. Dies müssen wir dann in Kauf nehmen, da wir sonst an Glaubwürdigkeit verlören.

Manchmal erscheint der Mirror aufgrund der ökonomischen Lage verspätet: Wenn die Stadtverwaltung anruft und mitteilt, sie möchte zwei Seiten inserieren, aber um einen kurzen Aufschub bittet, können wir nicht in Druck gehen - der Einnahmeverlust wäre zu hoch. Ebenso wenn vielleicht eine nationale Werbekampagne gestartet werden soll: Bei einer halben Seite in Farbe haben wir keine andere Option als zu warten.

Und natürlich sind auch die Stromausfälle ein Problem: Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als wir nachts gearbeitet haben, da tagsüber kein Strom vorhanden war. Jetzt haben wir einen Generator, der allerdings auch keine optimale Lösung darstellt: Der Betrieb ist sehr teuer, vor allem aber ist der Generator sehr laut und störend. Zuletzt hatten wir drei Tage ununterbrochen keinen Strom.

FRAGE: Der Mirror wurde als bestes Community Paper in Simbabwe 2009 ausgezeichnet. Sie selbst erhielten 2008 den National Integrity Award von Transparency International Zimbabwe für Berichte gegen Korruption. Ein anderer Reporter des Mirrors erhielt den Environmental Africa Award 2009 für Berichte über Umweltschutzmaßnahmen und Wilderei. Wie schwierig ist es derzeit in Simbabwe, einen so hohen Standard zu erreichen?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ich denke, Zeitungen und speziell die Community Papers befinden sich derzeit in ihrer größten Krise. Die Qualität ist oft sehr eingeschränkt. Ich rede nicht nur über den Mirror, sondern über Community Papers allgemein. Wenn man sie sammelt und vergleicht, findet man oft Rechtschreibfehler, Grammatikfehler, auch die allgemeine Qualität ist schlecht. Dafür gibt es verschiedene Gründe, insbesondere muss oft eine einzige Person eine Vielzahl von Aufgaben erfüllen: Man ist Herausgeber, Reporter, Korrekturleser - wir haben einfach zu wenige Mitarbeiter für all die Arbeit.

Man möchte persönlich zu einer Veranstaltung, aber man kann nicht hin, da die Mittel für die Reise fehlen. Daher müssen wir manchmal auf Laien zurückgreifen, die nicht professionell arbeiten. Aber für die Leser ist es immer noch besser, als keine Community Papers zu haben, die meist auch günstiger sind - oder sein sollten.

FRAGE: Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Journalismus in Simbabwe eine schwierige und manchmal gefährliche Tätigkeit ist. Da überrascht es etwas, dass die Belegschaft des Mirrors sehr jung ist. Warum wählen junge Leute trotz all dieser Schwierigkeiten noch Journalismus als Beruf?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ich wollte schon als Kind Journalist werden. Aber ich glaube, wir müssen generell über die jüngere Generation und Arbeit reden. Zunächst einmal haben wir viele ältere oder etablierte Journalisten, die Simbabwe aus Angst vor Verfolgung verlassen haben. Dazu gab es eine Zeit, als viele Zeitungen wie zum Beispiel die Daily News geschlossen wurden. Es gab keine Jobs im Journalismus. Journalisten gingen nach Großbritannien, Südafrika, in die Vereinigten Staaten oder in andere Länder.

Aber generell ist Journalismus mit Risiken verbunden. Man steigt ein, man steigt wieder aus. Daher findet man so viele junge Journalisten - und manchmal läuft man dann doch davon. Es ist eine Tatsache, manchmal muss man einfach davonlaufen, wenn man um sein Leben fürchtet.

Mit der Regierung der Nationalen Einheit hoffen wir jetzt auf Verbesserungen. Aber hätte man mich letztes Jahr gefragt, hätte ich vermutlich gesagt: "Ich habe einfach keine andere Möglichkeit. Ich finde keine andere Anstellung. Ich möchte nicht nach Südafrika, denn ich höre von schlechten Erfahrungen, daher muss ich bleiben - aber wenn sich eine Möglichkeit ergibt, werde ich gehen." Ich wollte tatsächlich fort. Ich wollte nicht mehr als Journalistin Simbabwe leben. Jetzt habe ich manchmal auch Vorteile: Ich bin der jüngste Herausgeber des Landes.

FRAGE: Anfang des Jahres waren Sie selbst einigen Anschuldigungen ausgesetzt.

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ich schrieb damals einen Artikel und wir entschieden uns aus professionellen Gründen, keine konkreten Namen zu nennen. Aber wir können natürlich nicht andere Publikationen oder freie Journalisten kontrollieren. Andere Zeitungen griffen unseren Artikel auf. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich so angreifbar wurde. Jedenfalls klagte mich der Minister für Tourismus der kriminellen Diffamierung an - übrigens ein weiteres Gesetz gegen Journalisten. Wir sind nicht der Meinung, dass dies kriminell ist. Wenn sich jemand von einem Artikel diffamiert fühlt, sollte er eine Zivilklage einreichen, wie in vielen anderen Ländern.

Ich war jedenfalls schockiert, als ich verhaftet werden sollte. In jedem Falle hätte ich in Masvingo angeklagt werden müssen, aber ich wurde nach Harare gebracht. Zu Beginn bin ich sogar geflohen, als man mich nach Harare bestellte, was 300 Kilometer entfernt ist. Dabei haben wir ein kompetentes Gericht und kompetente Polizeibeamte in Masvingo - alles hätte hier stattfinden sollen. Meine Anwälte versuchten, etwas Vernunft in die Sache zu bringen, und wiesen auf die Gesetzeslage hin, dass am Ort des mutmaßlichen Verbrechens zu verhandeln wäre, aber ihre Briefe wurden nicht beachtet. Als ich schließlich doch fuhr, stellte sich alles als reine Belästigung und Einschüchterung heraus, denn der Fall wurde fallen gelassen.

Das Büro des Generalstaatsanwalts gab letztlich eine Erklärung heraus, im Fall werde weiter ermittelt für eine eventuelle spätere Anklage. Es war also nicht einmal zu einer Anklage gekommen, aber ich wurde zweimal auf eigene Kosten nach Harare gebracht. Überhaupt ist eine solche Untersuchung sehr teuer, denn man muss Anwälte anstellen. Und man bekommt ganz einfach Angst, denn manchmal rufen bestimmte Politiker an und fordern einen auf sich zu entschuldigen. Doch wofür entschuldigen? Oder es heißt: Sind Sie wirklich bereit, sich mit einem Minister anzulegen?

Es ist wirklich sehr einschüchternd - und wenn man das nächste Mal einen Artikel schreibt, fürchtet man gleich die späteren Konsequenzen.


Staat und Pressefreiheit

FRAGE: Trotz der Regierung der Nationalen Einheit wurde Präsident Mugabe auch 2010 von den Reportern ohne Grenzen weiterhin als "Enemy of Press Freedom" gelistet. Sehen Sie selbst Fortschritte zu mehr Pressefreiheit in Simbabwe?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ja, es gibt durchaus Fortschritte seit der Formierung der Einheitsregierung - auch wenn die Geschwindigkeit zugegebenermaßen nicht sehr beeindruckend ist. Aber wir sehen einige Schritte in die richtige Richtung. Wir haben nun eine unabhängige Medienkommission. In früheren Zeiten gab es die so genannte Media Information Commission, die von Personen geleitet wurde, die eine starke Zanu-Verbindung hatten. Journalisten wurden manchmal eingeschüchtert und mussten gelegentlich befürchten, am Ende des Jahres keine neue Akkreditierung zu erhalten. In der neuen Medienkommission sitzen dagegen Leute, die nachweisbare Qualifikationen haben, dieser Kommission anzugehören. Es wurden Lizenzen für neue Publikationen vergeben, die jetzt ihre Arbeit aufnehmen.

Aber wie gesagt, es gibt noch immer Politiker, die Tag und Nacht versuchen, Journalisten einzuschüchtern oder zu bedrohen. Und auch die Polizei wird gelegentlich von mächtigen Politikern benutzt, um Journalisten ohne offensichtlichen Grund zu verhaften oder zu bedrohen. Dennoch hat sich die Situation im Vergleich zu früheren Zeiten verbessert, als besonders repressive Gesetze galten. Aber der Access to Information and Protection of Privacy Act (AIPA) und der Public Order and Security Act (POSA) sind immer noch in Kraft. Und noch immer ist es sehr teuer, sich als Journalist akkreditieren zu lassen. Dies sind weiterhin wichtige Punkte - aber immerhin, wir sehen doch einige Schritte in die richtige Richtung.

FRAGE: Was bedeutet es in Simbabwe, eine unabhängige Zeitung zu sein?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Die meisten Leute verstehen darunter, dass die Publikation keine direkten Verbindungen zur Regierung hat, sondern ein privates Unternehmen darstellt. Gelegentlich missbraucht die Regierung Medienkonzerne für Propagandazwecke. Wir sind objektiver. Eine unabhängige Zeitung erhält sich nur durch das eigene Geschäft. Politiker und die Regierung spielen dabei keine Rolle. Die Regierung beeinflusst also weder unsere Artikel noch unsere editorische Ausrichtung. Für uns ist dies ein Motor für Entwicklung durch objektive Berichterstattung und die Verbreitung von Demokratie.

Als Journalist bevorzuge ich die unabhängige Presse. Wir haben keine Angst, wir kritisieren Regierungs- und Oppositionsparteien gleichermaßen. Wir kennen keine Heiligen Kühe. Wenn man für eine staatliche Zeitung arbeitet, ist man sehr oft ängstlich: Wenn ich diesen Artikel schreibe, schreibe ich gegen meine Arbeitgeber.

FRAGE: Wie ist Ihr Verhältnis zu Journalisten der staatlichen Medien?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Das Verhältnis ist sehr gut. Auch diese sind ausgebildet, kennen Ethik und wissen, was es heißt, ein Journalist zu sein. Manchmal schreiben sie Artikel, die sie nicht wirklich schreiben wollen - in informellen Gesprächen wird gelegentlich eingestanden: "Ich habe einen Artikel geschrieben, den ich so nicht schreiben wollte - aber ich hatte keine Wahl, es war eine Anweisung der Chefs, einen solchen Artikel zu schreiben."

Aber oftmals bekommen sie aufgrund der Nähe zu den Politikern mögliche Informationen mit, dass z. B. jemand plant, Personen zu schicken, die einen einschüchtern oder verprügeln sollen. In diesem Fall können sie Tipps geben, dass man sich doch besser irgendwo verstecken sollte, oder dass man besser eine bestimmte Pressekonferenz nicht besuchen sollte, da man eventuell in Schwierigkeiten kommen könnte.

Auch wir tun dies manchmal, denn auch in der Opposition gibt es einige ähnliche Personen. Wir sind gewissermaßen eine Familie: Wenn ich etwas höre, dass einige Leute mit meinem Kollegen von den staatlichen Medien etwas vorhaben, warne ich ihn: "Ich denke, es ist besser für Dich, nicht dahin zu gehen. Wenn Du möchtest, kann ich Dir etwas berichten." Manchmal unterstützen auch wir die Kollegen - jedenfalls solange sichergestellt ist, dass niemand davon erfährt. Die Tatsache, dass es nur einen einzigem Verband für alle Journalisten - ob unabhängig oder von den Staatsmedien - gibt, zeigt, dass wir zusammenarbeiten. Wichtig ist allerdings, dass beide Seiten in den Gremien vertreten sind.

Manchmal gibt es natürlich noch Probleme: Als ich selbst verhaftet wurde, versuchte mir der Minister eine Falle zu stellen: Er schickte Journalisten aus Harare. Er stellte sie an, gab ihnen Geld, buchte ein Hotel, um angeblich ein Interview mit mir zu führen, wie ich auf die Story gekommen bin. Ich erhielt allerdings einen Hinweis von den Hotelangestellten. Diese wussten nicht, dass dies Journalisten aus Harare wären. Ich sagte ihnen, dass ich diese Personen als Journalisten kenne, aber die Angestellten erklärten, es wäre vermutlich der Geheimdienst, da die Buchung und die Bezahlung über ein Ministerium lief, dass von der Zanu geleitet wurde. Und tatsächlich versuchte man uns hereinzulegen. Als während des Gesprächs die ersten provokanten Fragen kamen, konnten wir gleich sagen: Hey, jetzt ist gut, wir wissen, ihr seid im Auftrag des Ministers hier.

Man sieht, es ist sehr wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben. Hier haben die Angestellten mir sehr geholfen. Es handelte sich übrigens nicht mal um Redakteure von staatlichen Medien, sondern um freie Journalisten. Einer von ihnen - ein Mitglied des Komitees des Journalistenverbandes - wurde dem Nationalen Exekutivkomitee gemeldet. Ich bin sehr froh, dass Journalisten in Masvingo gemeinsam einen Brief an den Präsidenten des Verbandes und das Exekutivkomitee geschrieben und die Entlassung des Journalisten verlangt haben. Er wurde sofort nach dem Brief suspendiert. Ich bin sehr glücklich, dass das Nationale Komitee so ausgewogen reagierte und die Person suspendierte, da sie sich von einem Politiker gebrauchen ließ.

FRAGE: Als Sie selber früher für die staatlichen Medien schrieben, haben Sie damals auch Artikel gegen Ihre Überzeugung geschrieben?

GOLDEN MAUNGANIDZE: Wie ich schon sagte, man muss wissen, was man wo schreibt. Während dieser Zeit hatte ich Vorsätze. Aber es gibt viele Beispiele von Journalisten, die für die staatlichen Medien gearbeitet haben und dann zu den Unabhängigen gewechselt sind - und komplett andere Menschen wurden. Umgekehrt ist es genauso: Wenn ein Journalist von einer unabhängigen Publikation zu einer staatlichen wechselt, kann man die Person, die man kannte, vergessen - er ist eine ganz andere Persönlichkeit. Dies passiert aufgrund der editorischen Vorgaben.

FRAGE: Ich möchte noch einmal kurz auf die Medienkommission zurückkommen: Der Prozess, diese zu etablieren, war sehr lang und es gab viele heftige Diskussionen hinsichtlich der Berufung der Mitglieder.

GOLDEN MAUNGANIDZE: Ja, es gab Diskussionen, dennoch ist sie unabhängig. Und alle Mitglieder wurden befragt und interviewt, die Interviews waren öffentlich und wurden publiziert. Nun sind die Mitglieder eingeschworen und haben auch neue Lizenzen für Zeitungen herausgegeben - allerdings warten wir noch immer auf die Ausgabe von Lizenzen für Radio und Fernsehstationen.

FRAGE: Dennoch scheint sich die staatliche Presse manchmal noch etwas schwer mit der Regierung der Nationalen Einheit zu tun. Der Herald ist immer noch sehr parteiisch und kritisiert ständig die Arbeit der MDC-Minister.

GOLDEN MAUNGANIDZE: Dies ist richtig. Daher sagte ich ja: Es gibt Fortschritte, aber nicht sehr viele. Aber sehen wir es so: Vor der Bildung der Einheitsregierung wurden die MDC-Politiker, selbst Tsvangirai als Vorsitzender, nur in schlechtem Licht dargestellt. Tsvangirai wurde manchmal mit diffamierenden Spitznamen wie "Chinatama" belegt, der auf seine physische Gestalt anspielt und soviel heißt wie "Er hat große Brüste". Dies ist jetzt anders. Natürlich gibt man ihm nicht viel Publicity, aber immerhin wird er als Premierminister tituliert: "Der Premierminister nahm an dem Treffen teil..." - oder eine Überschrift "Der Finanzminister Tendai Biti präsentiert ein Budget". Natürlich attackieren die Meinungsseiten die MDC dann und wann - eigentlich immer. Aber die harte, diffamierende Sprache, die benutzt wurde, um die MDC zu beschreiben, ist wesentlich abgekühlt. Oft wird die MDC einfach ignoriert. Ich erinnere mich an den Besuch Tsvangirais als Premierminister in Masvingo. Er besuchte das Stadion, aber es gab weder Reporter vom Fernsehen, noch vom Radio, noch vom Herald - vielleicht gab es eine Anweisung, nicht zu berichten.

Der Unterschied ist dennoch da: Zumindest konnte auch nichts Negatives berichtet werden, die Veranstaltung wurde lediglich ignoriert. Dies ist zumindest besser, als falsche Nachrichten zu verbreiten, vielleicht, dass niemand erschienen wäre oder dass Anhänger ihn mit Steinen beworfen hätten. Es ist im Vergleich besser, einfach still zu bleiben. Es ist ein Schritt nach vorne, aber mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5/6, November/Dezember 2010, S. 27 - 29
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2011