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ASIEN/837: Pakistan - Abgeordnete mit falschen Bildungsabschlüssen in der Schusslinie (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2013

Pakistan: Abgeordnete mit falschen Bildungsabschlüssen in der Schusslinie - Kandidaten von Wahlen ausgeschlossen

von Zofeen Ebrahim


Bild: Zofeen Ebrahim/IPS

Wahlplakate der Pakistanischen Volkspartei mit Bildern von Kandidaten aus drei Generationen der Bhutto-Familie
Bild: Zofeen Ebrahim/IPS

Karachi, 18. April (IPS) - Der frühere pakistanische Abgeordnete Jamshed Dasti, der in seiner Heimatstadt Muzaffargarh anerkennend 'Notruf 1122' genannt wird, ist ein zweifelhaftes Idol. Am 4. April wurde er von einem Bezirksgericht zu drei Jahren Haft und einer Geldbuße von umgerechnet 50 US-Dollar verurteilt. Denn er hatte sich unter Angabe eines falschen Hochschulabschlusses einen Parlamentssitz erschlichen. Das Hohe Gericht der Stadt Lahore jedoch sprach ihn in zweiter Instanz wieder frei.

Dennoch stimmen wenige Wochen vor den nächsten Wahlen am 11. Mai viele Pakistaner immer noch ein Loblied auf Dasti an. "Er gehörte zu der seltenen Klasse von Abgeordneten, die das Volk, dem sie dienen, aufrichtig lieben", sagt die bekannte TV-Moderatorin Asma Shirazi. "Den Leuten ist es gleich, ob er einen akademischen Titel hat oder nicht."

Shirazi hatte während der verheerenden Überschwemmungen 2010 Dastis Wahlkreis besucht und mit seinen Anhängern gesprochen. Der Parlamentarier habe seine Stellung nie ausgenutzt und in bescheidenen Verhältnissen gelebt, berichtet sie. Gegen ihn sei kein einziger Korruptionsvorwurf laut geworden.

Nicht jeder ist freilich bereit, Dasti seine Hochstapelei so rasch zu verzeihen. "Betrüger müssen bestraft werden", fordert der Pädagoge A.H. Nayyar aus Islamabad. Der Aktivist Naeem Sadiq, der den Fall als einer der Ersten vor acht Jahren an die Öffentlichkeit brachte, sieht dringenden Handlungsbedarf. "Mehr Personen wären bereits ins Gefängnis gekommen, wenn die Pakistanische Wahlkommission ECP in den vergangenen fünf Jahren aktiv und wachsam gewesen wäre", kritisiert er.


Keine "korrupten Elemente" im Parlament erwünscht

Das Oberste Gericht des Landes hat allerdings mehrere Abgeordnete, die falsche Bildungsabschlüsse angegeben hatten, von der Teilnahme an den Wahlen im Mai ausgeschlossen. "Genug ist genug. Keine korrupten Elemente werden nicht mehr ins Parlament einziehen dürfen. Diejenigen, die einen falschen Abschluss angeben, haben nicht nur das Land getäuscht, sondern auch ihr Mandat ad absurdum geführt", erklärte der oberste Richter Iftikhar Muhammad Chaudhry im März.

Die ECP und die Kommission für Höhere Bildung (HEC) haben seitdem einen Abgeordneten nach dem anderen auf die 'schwarze Liste' gesetzt. Nach Angaben von Mudassir Rizvi vom Netzwerk für freie und faire Wahlen (FAFEN), dem 30 unabhängige Organisationen, die die Wahlen beobachten sollen, angehören, sind etwa fünf Prozent der rund 1.170 Volksvertreter von HEC als Schwindler entlarvt worden.

Der Website der Wahlkommission ist zu entnehmen, dass 80 Kandidaten, die bei den Wahlen 2008 mit einem gefälschten Bildungsabschluss angetreten waren, dieses Mal ausgeschlossen werden. Das Oberste Gericht hatte die Bildungskommission im Jahr 2010 beauftragt, die Bildungsabschlüsse aller Abgeordneten im föderalen Parlament und in den vier Provinzparlamenten zu überprüfen. Unter enormem Druck der Abgeordneten zog HEC die Untersuchung über drei Jahre in die Länge. 189 Parlamentarier wurden schließlich nicht überprüft.

Weniger als einen Monat vor den Wahlen kommt jedoch wieder Bewegung in die Untersuchung. Der Urnengang gilt in dem Land insofern als historisch, als erstmals seit 65 Jahren die Macht von einer demokratisch gewählten Regierung auf die andere übergeht. Das Gesetz, nach dem Parlamentarier die Echtheit ihres Hochschulzeugnisses bezeugen müssen, ist inzwischen aber nicht mehr gültig.


Rechenschaft über Vorstrafen und Schulden verlangt

Dafür müssen die Kandidaten zum ersten Mal in der Geschichte des Landes vor einer Wahl erklären, ob sie vorbestraft sind, mit der Rückzahlung von Krediten in den Rückstand geraten sind, Steuern hinterzogen haben oder in andere finanzielle Unregelmäßigkeiten verwickelt sind.

2002 hatte der damalige Staatspräsident Pervez Musharraf festgelegt, dass ein akademischer Grad oder ein vergleichbarer Abschluss an einem Seminar die Voraussetzung dafür seien, dass Abgeordnete die Arbeit des Parlaments verbessern könnten.

Nayyar erklärt jedoch, dass Betrüger immer wüssten, wie das System auszutricksen sei. Musharrafs Anordnung wurde mit dem Amtsantritt der Nachfolgerregierung im April 2008 zurückgenommen. Die meisten derzeitigen Abgeordneten sind aber noch nach den alten Regeln in ihr Amt gekommen.

"Wir unterstützen das Überprüfungsverfahren vorbehaltlos", sagte Zohair Ashir, Sekretär des Parlamentsausschusses von Kricketstar Imran Khans Partei 'Pakistan Tehreek-i-Insaf' (PTI). Die Partei, die jetzt zum ersten Mal Kandidaten für die Wahlen aufstellt, gehe selbst streng dabei vor, die Angaben der Kandidaten zu überprüfen.

Der 2008 gewählte Abgeordnete Dasti musste sein Amt aufgeben, nachdem herausgekommen war, dass er 2010 falsche Angaben zu seinem Bildungsgrad gemacht hatte. Seine Partei, die regierende 'Pakistan People's Party', distanzierte sich aber nicht von ihm, sondern nominierte ihn erneut als Kandidat für den Sitz, der er zuvor hatte aufgeben müssen. Er siegte und wurde Sonderberater für Viehzucht des Ministerpräsidenten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.ecp.gov.pk/VoterStats.aspx
http://www.ipsnews.net/2013/04/pakistan-poll-campaign-advances-by-degrees/

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IPS-Tagesdienst vom 18. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2013