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ITALIEN/004: Regierungskrise in Rom spitzt sich zu (Gerhard Feldbauer)


Regierungskrise in Rom spitzt sich zu

Parlamentspräsident Fini will vorgezogene Neuwahlen verhindern und oppositionelle Demokraten in eine Regierung ohne Berlusconi einbeziehen [1]

Von Gerhard Feldbauer, 26. Juli 2011


Mit scharfen Angriffen des Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini auf Berlusconi hat sich die politische Krise in Rom drastisch zugespitzt. Die Regierung treibe "auf den Abgrund zu", sei "paralysiert" und "unfähig, den Erfordernissen des Landes zu begegnen" attackierte der frühere Führer der AN-Faschisten seinen langjährigen Bündnispartner in einem Interview für die römische "Repubblica" vom 24. Juli. Vorangegangen war in der Abgeordnetenkammer eine Niederlage des Premiers. Parlamentarier der verbündeten Lega Nord aber auch aus seiner eigenen Volksfreiheitspartei (PdL) stimmten mit der Opposition für die Aufhebung der Immunität und damit für die Verhaftung seines Parteifreundes Alfonso Papa, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Bildung einer Nachfolgeorganisation der Putschistenloge P2, genannt P4, ermittelt. Berlusconi war Mitglied des Dreierdirektoriums besagter P2, die sein Medienimperium finanzierte und ihn selbst erstmals 1994 an die Spitze der Regierung hievte. Vergeblich hatte der Premier versucht, die Abstimmungsniederlage und die Verhaftung des P4-Chefs abzuwenden. Lega-Chef Umberto Bossi kündigte danach ein Ende der Koalition an. Gleichzeitig meldete er seinen Anspruch auf die Nachfolge des Premiers an.

Fini, der im vergangenen Jahr die Koalition Berlusconis verließ und vor allem mit Mitgliedern und Anhängern der früheren faschistischen AN eine neue Rechtspartei Futuro e Libertà (Zukunft und Freiheit) gründete, schlug der Demokratischen Partei, der größten Oppositionskraft, vor, mit der derzeitigen (rechtsextremen) Parlamentsmehrheit zusammenzuarbeiten, um Berlusconi abzulösen und unter einem neuen Premier eine neue Regierung zu bilden. Anschließend ließ Fini die Katze aus dem Sack. Er lehnte zwar Lega-Chef Bossi als Nachfolger Berlusconis ab, sprach sich aber für einen Kandidaten aus dessen Partei aus und nannte dafür den derzeitigen, ob seiner Ausländerfeindlichkeit bekannten Innenminister Roberto Maroni. Auch alle "Menschen guten Willens" aus der PdL Berlusconis sollten in die Schaffung einer neuen Koalition einbezogen werden. Zur Verwendung von Ministern des derzeitigen Kabinetts äußerte er sich nicht.

Fini will an Stelle des Berlusconi-Regime eine Regierung der "Wiedergeburt und Reorganisation" des Centrodestra (rechten Zentrums), wie es bis Anfang der 1990er Jahre von der Democrazia Cristiana angeführt, existierte, setzen. Schon bei der Wahl eines Ministers der offen rassistischen Lega kollidiert das mit der historischen Wahrheit. Denn vom rechten Zentrum dieser Jahre waren Faschisten, Rassisten und Parteien ähnlicher Couleur ausgeschlossen. Selbst ein "geläuterter" Faschist wie Fini wäre wohl damals nicht in eine Regierung aufgenommen worden.

Mit dem Manöver, das Fini und die hinter ihm stehenden politischen Kreise eingeleitet haben, geht es darum, zu verhindern, das der Auftrieb, den die Linken mit ihrer Basis im Kampf gegen Berlusconi wieder erreichten, durch dessen Sturz noch an Stärke gewinnt. Ein Kabinett ohne Berlusconi soll vorgezogene Neuwahlen ausschließen und bis zum Ende der Legislatur 2013 amtieren. Fini mit seiner FeL und die Rechten generell erhielten Zeit, sich zu konsolidieren und zu einem Bündnis zusammen zu finden. Gelänge es dann noch, die DP in diesen Prozess einzubeziehen, könnte diese veranlasst werden, ein Wahlbündnis mit der von den Kommunisten (PRC und PdCI) dominierten Federazione della Sinistra (FdS) und vielleicht auch mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL), das sich gegenwärtig abzeichnet, abzulehnen. Auch die Bewerbung des populären SEL-Vorsitzenden Nicola Vendola als Kandidat der DP könnte so verhindert werden.

Die Demokratische Partei hat, wie die "Repubblica" am Montag schrieb, in ersten Stellungnahmen Finis Vorschlag abgelehnt, würde aber eine Regierung ohne Berlusconi als eine "positive Entwicklung" sehen. Sie forderte erneut den sofortigen Rücktritt des Regierungschefs. Die DP werde, wie ihr Vice-Vorsitzender Enrico Letto erklärte, eine Regierung, der Minister Berlusconis angehören, nicht unterstützen. In Rom blieb nicht unbemerkt, dass DP-Vorsitzender Luigi Bersani sich bisher nicht äußerte und so das letzte Wort zu dem von Fini in Gang gesetzten Prozess noch nicht gesprochen sein dürfte.

In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass drei illustre Persönlichkeiten sich zur Erörterung der Lösung der politischen Krise getroffen haben: Der mehrmalige Ministerpräsident linker Zentrumsregierungen (zuletzt 2006-08) Romano Prodi, der Großindustrielle und Berlusconi-Gegner Carlo De Benedetto und der Wirtschaftsprofessor und mehrmalige EU-Minister Mario Monti. Wie verlautet soll Monti als Premier einer Übergangsregierung, die bis zum Ende der Legislatur amtieren sollte, ins Gespräch gebracht werden. Antonio Di Pietros Partei der Werte Italiens (IdV) reagierte noch am entschiedensten und blieb bei der Forderung nach einem Sturz Berlusconis sofortige Neuwahlen anzusetzen.


[1] Setzt Beitrag vom 13. Juli "Geht es mit Berlusconi zu Ende" fort.
(siehe im Schattenblick unter Politik -> Ausland -> Italien)


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Quelle:
© 2011 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2011