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ITALIEN/015: Saubermann Bossi musste zurücktreten (Gerhard Feldbauer)


Kein Platz mehr für den Rassistenchef in der neuen Kräftekonstellation in Rom

Saubermann Bossi musste zurücktreten

von Gerhard Feldbauer, 12. April 2012



Jahrelang war er die stärkste Stütze der Regierung des faschistoiden Mediendiktators Silvio Berlusconi. Jetzt musste er zurücktreten: Der Chef der sezessionistischen Lega Nord, Umberto Bossi, der in seinem hemmungslosen Rassismus die faschistische Blut- und Bodenideologie Hitlers aufgriff und an deren Stelle lediglich die etwas weniger diskreditierten ethischen und kulturellen Differenzen setzte. "Was Hitler mit den Juden gemacht hat, wäre auch das Richtige für Napoli", hetzten Lega-Anhänger im Fußballstadium von Mailand gegen den Klub von Neapel. Im Wahlkampf 2008 drohte Bossi, seine Leghisten "an die Gewehre zu rufen", um gegen die "römischen Schurken" anzulegen, womit die Linken gemeint waren. Er forderte, illegale Einwanderer in Lager zu sperren oder gab von sich, es sei leider "leichter Ratten zu vernichten als Zigeuner auszurotten".

Nun musste er nach Bekanntwerden von Korruptionsaffären, der Veruntreuung von Parteigeldern und Günstlingswirtschaft Ende letzter Woche den Vorsitz seiner Rassistenlega abgeben. Beschuldigt wird auch seine Parteifreundin, die Vizepräsidentin des Senats Rosy Mauro, die bisher einen Rücktritt ablehnt. Bossi stürzte über den Mythos, den er unter dem Slogan »Roma ladrona« (das diebische Rom) jahrelang pflegte - eine Partei der Saubermänner anzuführen, die gegen die allgemein übliche Mißwirtschaft der Parteien in Rom angeht, gegen Korruption, Verfilzung mit der Mafia, des Wirtschaftens in die eigenen Taschen. Davon ausgeschlossen war natürlich Berlusconi, dessen Vizepremier Bossi in drei Regierungen war. Den Mediendiktator, dem seit Jahren Steuerhinterziehungen, Bestechungen und entsprechende Delikte in Milliardenhöhe vorgeworfen werden, ließ der Legachef ungeschoren. Während sich über Berlusconi die Empörung, wenn es sie überhaupt gab, immer in Grenzen hielt, schlagen gegen Bossi jetzt die Wellen hoch. Dabei geht es bei den aus der Lega-Kassa und öffentlichen Ämtern unterschlagenen Summen wahrscheinlich »nur« um einige Dutzend Millionen Euro. Das hätte früher einem Staatsanwalt lediglich ein müdes Lächeln abgerungen. So kommt es der Wahrheit wohl näher, wenn von einem inszenierten Sturz des Lega-Chefs die Rede ist, dem auch eine Ventilfunktion zukommt. Einige Fälle liegen schon Jahre zurück und werden jetzt zur passenden Zeit aufgedeckt.


Die Zeichen der Zeit nicht erkannt

Bossi hatte die Zeichen der Zeit, welche die führenden Kapitalkreise in Rom und in der EU mit der Bestallung des Wirtschaftsmanagers Mario Monti setzten, nicht verstanden. Jahrelang war er mit seiner 20-Prozent-Lega drittstärkste Parlamentspartei und die entscheidende Stütze der Regierungen Berlusconis. Immer Zünglein an der Waage, setzte er mit seinen Drohungen, den industriellen Norden vom Zentralstaat abzuspalten, seine Forderungen nach immer mehr Macht durch. Als der Sturz Berlusconis nahte, wollte er dessen Nachfolge als Premier antreten.

Da er gegen Monti nicht ankam, ging der gewiefte Demagoge mit seiner Lega in die Opposition, um Wählerstimmen zu sammeln. Er übernahm die Forderungen der Linken und der Gewerkschaften nach vorgezogenen Neuwahlen. Zuletzt drohte er mit einem Mißtrauensantrag gegen Monti. Bei einem Erfolg spekulierte er, neuer Übergangspremier zu werden. Solche Manöver hatten immer gut geklappt. Diesmal aber gab er damit selbst das Signal zu seinem Sturz.


Mario Monti "sehr zufrieden"

Denn Monti ist der Gewährsmann des Kapitals in Italien wie in der EU zur Durchsetzung des rigorosen Kurses der Abwälzung der Krisenlasten auf die Volksmassen. Die beste Grundlage sehen diese Kreise in einer großen Koalition aus Berlusconis Freiheitspartei (PdL), in welcher der Mediendiktator als Parteichef abgehalftert wurde, mit der liberalen Demokratischen Partei (DP), möglichst unter Einschluß der Partei Umwelt und Freiheit als linkes Feigenblatt. So hofft man, den Widerstand der Massen am besten abfangen zu können.

Nicht zufällig traf sich kurz vor der Aufdeckung der Korruptionsaffäre Bossis Mario Monti mit den Vertretern seiner Parlamentsmehrheit - DP, PdL und Union Demokratischer Christen (UDC) - zur Absprache über den weiteren Regierungskurs. Mit den ausgehandelten Ergebnissen des Gipfels sei der Premier »sehr zufrieden« gewesen, schrieb die römische Repubblica.

Um eine solche Regierung in Zaum zu halten, gibt es auch ein neues Zünglein an der Waage, besser gesagt ein Druckmittel: den ultrarechten Pool des früheren Alleanza-Nazionale-Faschisten Gianfranco Finis (jetzt Zukunfts- und Freiheitspartei). Die einst von den Industriekreisen des Nordens mit dem größten privaten Industriekonzern FIAT an der Spitze geförderte Lega ist dazu nicht mehr vonnöten.


Schicksal der Lega noch offen

Ob die Lega überhaupt überlebt, ist noch offen. Das wird auch davon abhängen, wie viele Stimmen sie bei den im Mai anstehenden Wahlen zu 994‍ ‍Gemeinderäten erhalten wird. Rund neun Millionen Italiener sind zur Abstimmung aufgerufen. Die Chancen der Lega werden als schlecht eingeschätzt, denn der Korruptionsschock sitzt an der Basis tief. Hinzu kommt, daß der bisherige Koalitionspartner PdL ein Wahlbündnis ablehnt.


Zur aktuellen Entwicklung in Italien siehe auch folgenden Beitrag unseres Autors:
www.schattenblick.de → Politik → Ausland → Italien
ITALIEN/014: Linke in Italien vor schweren Aufgaben (UZ)

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. April 2012