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SPANIEN/001: Auf Friedensangebote erneut mit Repression geantwortet (Ralf Streck)


Spanien antwortet erneut mit Repression auf Friedensangebote

Von Ralf Streck - 19. Januar 2011


Bei Razzien wurden in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch insgesamt 12 Personen im Baskenland verhaftet. Wie stets ging das Vorgehen vom Nationalen Gerichtshof aus und wurde von der paramilitärischen Guardia Civil exekutiert. Schwerpunkt war Navarra, aber auch in der Provinz Araba und in Lapurdi (im französischen Baskenland), wurden zwei Personen in Baiona (franz. Bayonne) als angebliche Mitglieder der ETA verhaftet, weil sie verbotene Organisationen angeblich wieder aufbauen wollten. Wie im Friedensprozess 2006 drängt sich der Eindruck auf, dass die Friedensbemühungen erneut torpediert werden sollen, denn auch 2006 wurde kurz nach Verkündung der Waffenruhe durch die ETA der Batasuna-Sprecher verhaftet. Diesmal kommt die Aktion eine Woche nachdem die ETA erstmals einen "allgemeinen, dauerhaften Waffenstillstand" verkündet hat, der durch Vertreter der internationalen Kontaktgruppe "überprüfbar" ist.

Die Vorgänge gleichen sich und sogar die Akteure sind die gleichen. Es war 2006 der Sondergerichtshof in Madrid, der sofort nach der Waffenruhe den ersten Torpedo auf den beginnenden Friedensprozess abgefeuert hatte und es war erneut der Nationale Gerichtshof. Es war mit Ermittlungsrichter Fernando Grande-Marlaska sogar die gleiche Person wie damals. Und erneut bemüht man den abgegriffenen Begriff und spricht vom "ETA-Umfeld". Das wird stets dann bemüht, wenn die Verhafteten nicht mit Aktivitäten der ETA in Verbindung zu bringen sind, keine Waffen und Sprengstoff gefunden wird und die Menschen schlicht für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Baskenland eintreten.

So wird nun wieder einmal behauptet, die Verhafteten hätten versucht, die in Spanien verbotene Organisation "Ekin" (Aktion) wieder aufzubauen. Auch das ist nicht neu, schon im vergangenen September reagierte Spanien auf die Friedensbemühungen der baskischen Linken mit Verhaftungen und dem stereotypen Hinweis auf Ekin. Über diese Organisation zwinge die ETA der linken Unabhängigkeitsbewegung den Willen auf, begründete der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba das Vorgehen. Schon hier wird klar, dass der Antrieb weniger juristischer sondern mehr politischer Natur ist. Wie direkt der Nationale Gerichtshof an den politischen Direktiven der Regierung hängt, wurde ohnehin erst kürzlich über die Wikileaks-Dokumente belegt. Vier der Verhafteten sollen auch Mitglieder der verbotenen Organisation "Askatasuna" (Freiheit) sein und hinter der Webseite Apurtu.org stehen. Über die Seiten und das Webfernsehen werden Informationen zu den 800 politischen Gefangenen verbreitet. Rubalcaba erklärte: "Die Sicherheitskräfte werden nicht zulassen, dass illegale Organisationen wieder auferstehen."

Beweise für die ETA-Verbindungen legten weder er noch der Ermittlungsrichter Fernando Grande Marlaska vor. Offenbar sind die Vorwürfe dünn, denn die zwei im französischen Baskenland (Iparralde) festgenommenen Personen wurden noch am Dienstag wieder frei gelassen. Das hat offenbar in Spanien viele sehr geärgert. Von einer Unschuldsvermutung entfernt, wonach es zur Ethik der Presse gehören sollte, keine Vorverurteilungen auszusprechen, titelt die Zeitung El Mundo am Mittwoch: "Frankreich lässt festgenommene ETA-Mitglieder frei". Wieder einmal machen damit spanische Medien wie El Mundo deutlich, dass es ihnen um eine ausgewogene Berichterstattung zum Baskenland nicht geht. Ohnehin sind Ekin und Askatasuna in Frankreich, wie Batasuna und alle anderen in Spanien verbotenen Organisationen legal tätig. Anders als Madrid gerne behauptet, gibt es keine Beweise dafür, dass diese Organisationen der baskischen Linken ein Teil der ETA oder von ihr gesteuert werden.

Im Gegenteil zu dieser unbewiesenen These, dass die abertzale Linke ein Teil der ETA sei, zeigen doch die letzten Monate eher deutlich, dass eher andersherum ein Schuh daraus wird. Es war die baskische Linke, welche die ETA zu einer neuen Waffenruhe gezwungen hat. Weil deren bewaffneter Kampf inzwischen allgemein eher als kontraproduktiv für die Forderungen der Basken angesehen wird, wurde sie dazu gebracht, im September zu bestätigen, dass sie längst eine Waffenruhe einhielt. Seit der Offensive zum 50. Jubiläum im August 2009 hat die Organisation keine Anschläge mehr ausgeführt. Vor einer Woche verkündete die ETA nun wie gefordert einen "allgemeinen und dauerhaften Waffenstillstand", der von einer internationalen Kontaktgruppe "überprüfbar" ist, damit die ihre Vermittlungs- und Prüftätigkeit aufnehmen kann.

Madrid lehnt aber bekanntlich einen Dialog und die Vermittlung ab und viel spricht dafür, dass mit den Verhaftungen die ETA provoziert werden soll, was im Friedensprozess 2006 schließlich gelang und zu dem Anschlag auf den Flughafen in Madrid führte, womit der damalige Prozess beendet war. Dass die spanische Regierung nun aber offen erklärt, die angekündigte Neugründung einer Partei der baskischen Linken sogar zu verbieten, obwohl die sich von der Gewalt distanziert und sich streng an das Parteiengesetz halten will, das extra zum Verbot von Batasuna (Einheit) geschaffen wurde, liegt auch auf dieser Linie. Trotz allem hält die baskische Linke das Batasuna-Gesetz für undemokratisch. Heute wurden zudem neue Schritte gemacht, um das Parteiengesetz zu verschärfen. Der Senat, so die rechtsradikale Zeitung ABC (einst das Sprachrohr der Franco-Diktatur), "dreht die Schraube weiter an" und hier sind sich die regierenden Sozialdemokraten, die sich Sozialisten nennen, mit den Postfaschisten der Volkspartei (PP) als gute spanische Nationalisten einig. Sie wollen mit allen Mitteln verhindern, dass zu den Kommunalwahlen im Frühjahr eine Partei der baskischen Linken antreten kann. Schließlich ist das zu den Europaparlamentswahlen im Mai 2009 nicht gelungen, führte aber noch im März 2009 dazu, dass die spanische Front erstmals im Baskenland durch ihre Verbotsmanöver eine Sitzmehrheit im baskischen Parlament erschwindeln konnten.

Dass sich unter den Verhafteten Iker Moreno befindet, der Sohn von Txelui Moreno, weist auch auf politische Hintergründe hin. Das Führungsmitglied der Gewerkschaft LAB tritt seit der Verhaftung der Batasuna-Führung 2007 als Sprecher der baskischen Linken auf. Bei der Durchsuchung wurde auch Material seines Vaters beschlagnahmt. Weil darin immer wieder das einfache Wort "Askatasuna" auftauchte, was in der baskischen Sprache Freiheit heißt, glaubten die Guardia Civils, dass sie es mit Materialien der Gefangenenhilfsorganisation zu tun haben. Das ist etwa so, wenn man beim Wort "eta" glauben würde, es ginge stets um die Untergrundorganisation dabei heißt das auf Baskisch auch schlicht "und". Doch auch die Materialien des Vaters wurden ebenfalls von der Guardia Civil weggeschleppt.

Dass die ein völlig falsches Bild hat, wurde sogar vom Nationalen Gerichtshof schon erkannt, der hatte im Fall der Journalisten der Tageszeitung Egunkaria den Freispruch 2010 begründet, dass das Verbot der einzigen Tageszeitung in baskischer Sprache 2003 auf der Basis der "verbreiteten und falschen Vorstellung" basiert habe, alles im Umfeld der baskischen Sprache und Kultur werde von der "ETA gesteuert und/oder gefördert". Nun erklärte auch Moreno, das Vorgehen und die Verhaftungen hätten "weder Hand noch Fuß". Er vermutet, dass sein Sohn für seine Tätigkeit bezahlen muss. Die baskischen Parteien vermuten insgesamt, dass damit der Friedensprozess torpediert werden soll. Er befürchtet, dass wie die Journalisten nun auch sein Sohn und die übrigen Verhafteten die tagelange Folter über sich ergehen lassen müssen. Die dabei erpressten Geständnisse sind meist die einzigen "Beweise", die vor Gericht für die Vorwürfe angeführt werden.

Für die baskische Linke erklärte Tasio Erkizia, man werde auch trotz dieser Verhaftungen "diesen Prozess bis zur letzten Konsequenz" vorantreiben, damit im "Baskenland ein demokratisches Szenario entsteht", in dem sich alle politischen Optionen entwickeln können. Spanien dagegen habe Angst vor einem solchen Prozess. Erst am Sonntag hatten Batasuna, die sozialdemokratische Solidaritätspartei (EA) und Alternatiba, eine Abspaltung der Vereinten Linken (IU), ein Abkommen geschlossen. Sie wollen sich gemeinsam mit demokratischen Mitteln aus einer linken Perspektive für eine "tief greifende sozioökonomische Transformation" und die "baskische Souveränität" einzusetzen, wovor Madrid offenbar Angst hat. Nun wurde der Pakt, den Batasuna schon mit EA geschlossen hatte, um eine weitere Partei erweitert. Der neue Text heißt: "Das Baskenland von Links" (Euskal Herria ezkerretik).

Der frühere IU-Führer im Baskenland, Oskar Matute, erklärt in einem Interview, warum sich Alternatiba dem Bündnis angeschlossen hat. Es gehe darum, "gemeinsame Strategien zu entwickeln, um sich denen entgegen zu stellen, die leider alles dominieren, ob auf sozialer oder ökonomischer Ebene, die Rechten im Baskenland und in Spanien". Statt die Fehler und Schwächen anderer linker Kräfte herauszustellen, gehe es nun darum, "nach der Selbstkritik, das in den Vordergrund zu stellen, das uns eint".

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Quelle:
© Ralf Streck, den 19.01.2011
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2011

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