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SPANIEN/008: Waffenexporte florieren, Aktivisten sehen Beihilfe zu Menschenrechtsverstößen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2012

Spanien: Waffenexporte florieren - Aktivisten sehen Beihilfe zu Menschenrechtsverstößen

von Inés Benítez



Málaga, 17. Oktober (IPS) - Auf dem Höhepunkt der Wirtschafts- und Finanzkrise fördert die spanische Regierung den Export von Waffen. Somit würden kommerzielle Interessen über das Gesetz und die Menschenrechte gestellt, kritisieren zivilgesellschaftliche Organisationen.

"In einer Zeit, in der kommerzielle Erwägungen wichtiger sind als Reglementierungen, werden Waffen an Länder verkauft, in denen die Menschenrechte verletzt werden und globale Konflikte entstehen", so Jésus Nuñez, der stellvertretende Direktor des Instituts für Studien über Konflikte und humanitäre Aktion (IECAH).

In Spanien gilt ein Gesetz über internationalen Waffenhandel, dem zufolge Verkäufe nicht gestattet sind, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Waffen bei Handlungen eingesetzt werden, die den Frieden, die Sicherheit und die Menschenrechte in den Zielländern gefährden.

Laut Nuñez, einem Ökonom und ehemaligen Offizier, wird das Gesetz aus wirtschaftlichen Interessen nicht mehr eingehalten. Dies zeige sich insbesondere seit der Kürzung des Verteidigungsbudgets für 2013 um sechs Prozent gegenüber 2012, betont er. Das Haushaltsdefizit des Ministeriums bewege sich zudem in Milliardenhöhe.

Mit den Stimmen der konservativen regierenden Volkspartei (PP) hat das Parlament am 20. September einen Kredit von 1,78 Milliarden Euro gebilligt, mit dem das Verteidigungsministerium einen Teil seiner Schulden bei privaten Waffenlieferanten in Höhe von offiziell 27 Milliarden Euro begleichen soll.


Spanische Waffenausfuhren rasant gestiegen

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums hatten die spanischen Waffenexporte 2011 einen Wert von 2,43 Milliarden Euro, 115 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Großteil der Lieferungen ging an Venezuela, Australien und Norwegen. Waffen in geringerem Umfang wurden unter anderem in Kolumbien, Israel, Marokko und Pakistan abgesetzt, wie aus einem Bericht des Industrieministeriums hervorgeht.

"Es gibt einen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Waffenverkäufe und der Zunahme von Konflikten in der Welt", sagt Jordi Garrell von der Katalanischen Friedensvereinigung. Garrell koordiniert außerdem die Kampagne 'Versteckte Geschäfte', die von Sozialorganisationen vorangetrieben wird, um die Zusammenarbeit von Spanien und Israel im Rüstungssektor anzuprangern.

Laut einem von IECAH herausgegebenen Bericht wurden Rüstungsgüter an Länder geliefert, in denen sie gravierenden Menschenrechtsverletzungen Vorschub leisten könnten. Der Report nennt Ägypten, Bahrain und Saudi-Arabien während des 'Arabischen Frühlings' als Beispiele. An vielen Orten wurden die Volksaufstände brutal unterdrückt oder mündeten in bewaffnete innere Konflikte.

Carlos Villán, Präsident der Spanischen Gesellschaft für internationale Menschenrechtsgesetze (AEDIDH) kritisiert, dass die Europäische Union keine "echten Kontrollmechanismen" geschaffen habe, um die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, das Verbot von Exporten von Militärtechnologie und -ausrüstung an Bürgerkriegsländer und Orte, an denen Menschenrechte missachtet werden, zu respektieren.

In einem am 30. September im Fernsehen ausgestrahlten Interview erklärte der ehemalige Verteidigungsminister Eduardo Serra, dass der Verkauf von Waffen und anderen Rüstungsgütern an Länder, in denen die Menschenrechte missachtet würden, nicht hinzunehmen sei.

Villán wirft der Regierung in Madrid mangelnde Transparenz vor. In dem Land, das auf der Liste der internationalen Waffenexporteure bereits an sechster Stelle stehe, könne die Zivilgesellschaft "keine wirksame Kontrolle über Verkäufe durch Firmen ausüben, die von den Ministerien für Verteidigung, Äußeres und Zusammenarbeit getätigt werden". Die Bürger hätten keinen Zugang zu den Informationen, da die entsprechenden Parlamentssitzungen hinter verschlossenen Türen stattfänden.

Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI beliefen sich die globalen Waffenverkäufe im vergangenen Jahr auf 1,7 Billionen US-Dollar. Dies entspricht 2,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.


Handel "eindeutig unmoralisch"

"Von dieser absurd hohen Summe profitieren nur Waffenhändler und -exporteure", meint Villán. Dieser "eindeutig unmoralische" Handel floriere nur, weil es an internationalen Regelungen fehle. Eine vierwöchige Konferenz, auf der Vertreter von 170 Regierungen am Sitz der Vereinten Nationen in New York über ein Abkommen über den internationalen Waffenhandel berieten, endete im Juli ohne Einigung.

Nach Ansicht von Villán sind die größten waffenexportierenden Staaten, allen voran die USA, für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich. Der Waffenhandel heize nach wie vor die derzeit rund 40 bewaffneten Konflikte in der Welt an. Die Mittel, die Staaten zum Erwerb von Waffen verwenden, "schaden der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ihrer Bürger", sagt er. US-Präsident Barack Obama habe nicht kooperiert, um ein Abkommen in die Wege zu leiten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.iecah.org/
http://www.acpau.org/
http://www.aedidh.org/
http://www.sipri.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/purveyors-of-death-flourish-in-spain-during-crisis/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2012