Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1253: Ecuador - Streit um konservativen Kirchenvertreter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2011

Ecuador: Streit um konservativen Kirchenvertreter - Regierung will Veto einlegen

Von Gonzalo Ortiz


Nueva Loja, Ecuador, 25. März (IPS) - Die unpopuläre Entscheidung des Vatikans, einen ultrakonservativen Kirchenvertreter zum neuen apostolischen Administrator der Diözese Sucumbíos im Nordosten Ecuadors zu ernennen, scheint in einen Machtkampf zwischen Kirche und Staat auszuarten. So hat Staatspräsident Rafael Correa durchblicken lassen, dass er bereit ist, den Wunsch der lokalen Bevölkerung nach einer Abberufung des Vikars zu unterstützen.

Seit Januar kommt es in der Amazonasprovinz des südamerikanischen Andenstaates zu Protesten gegen den im Oktober provisorisch eingesetzten Geistlichen Rafael Ibarguren Schindler. Er ist ein Führungsmitglied der erzkatholischen 'Heralden des Evangeliums', einem Ableger der in Brasilien entstandenen militanten katholischen Organisation 'Tradition, Familie und Eigentum' (TFP).

Der 1952 in Argentinien geborene Ibaguren Schindler wurde erst 2005 zum Priester geweiht. Seit dem 30. Oktober 2010 ist er provisorischer Beauftragter des Apostolischen Vikariats von San Miguel de Sucumbíos. Er ersetzt den sozial engagierten und in der Bevölkerung äußerst beliebten Bischof Gonzalo López Marañón, der aus Altersgründen nach 40 Jahren sein Amt niederlegte.


Neuer Konflikt für Nueva Loja

Die Entscheidung des Heiligen Stuhls hat der Provinzhauptstadt Nueva Loja einen weiteren Konflikt beschert. Das Zentrum der ecuadorianischen Erdölindustrie ist ein strategisch wichtiger Punk für den Transit von Flüchtlingen, Vertriebenen und sogar Rebellen aus dem nur 18 Kilometer entfernten Kolumbien. International bekannt wurde die Stadt durch das historische Urteil des Provinzgerichts gegen Chevron. So verurteilte der zuständige Richter Nicolás Zambrano das multinationale Erdölunternehmen am 14. Februar zur Zahlung von 9,5 Milliarden Dollar für Umweltschäden. Chevron hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Die breite Ablehnung, die Ibarguren Schindler vor Ort entgegenschlägt, hat Präsident Rafael Correa zu der Äußerung veranlasst, notfalls Gebrauch von einer Klausel des Modus Vivendi-Vertrags von 1934 zu machen, in dem die Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche und dem südamerikanischen Land festgelegt sind.

Die Versammlung der Kirche San Miguel de Sucumbíos (Isamis), ein Zusammenschluss von 120 Vertretern lokaler Basiskirchen und kirchlicher Sozialverbände sowie Missionaren und Provinzgeistlichen wirft den Heralden des Evangeliums und dem neuen Administrator vor, das seelsorgerische Lebenswerk von López Marañon zunichte machen zu wollen.

Wie die Isamis-Gründerin Maritza López erklärt, wurden die Heralden von dem militanten Sekretär der TFP mit dem Ziel ins Leben gerufen, die in den 60er Jahren in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern angelaufenen Landreformen zu torpedieren.


Hungerstreik für Rücktritt

80 Prozent der Mitglieder der Versammlung von Isamis stimmten im Januar für den Rücktritt von Ibarguren Schindler. Seitdem hat sich der Streit um den neuen bischöflichen Administrator von Sicumbíos weiter verschärft. Seit dem 20. März versuchen die Isamis-Mitglieder mit einem Hungerstreik seinen Rücktritt zu erzwingen. Parallel dazu versuchen Ibarguren Schindler und acht weitere Priester seines Ordens nun die Kritiker der Sozialpolitik von Bischof López Marañón hinter sich zu scharen.

Am 9. März bezog Staatspräsident Correa in dem Konflikt Position. Auch wenn Ecuador ein laizistischer Staat sei, werde er nicht zulassen, dass die Heralden die Arbeit des verdienten Karmelitenordens in Sucumbíos gegen den Widerstand der lokalen Basisgruppen zerstörten, erklärte er. Die Karmeliten sind seit vielen Jahrzehnten im Amazonasgebiet aktiv und für ihr hohes soziales Engagement angesehen. Sie haben einige der progressivsten Prälaten Ecuadors wie Alberto Luna Tobar und Leonidas Proaño hervorgebracht.

Correa charakterisierte den 75-jährigen Bischof López Marañón, der ebenfalls dem Karmelitenorden angehört, "als einen dieser Christen, die sich für ihren Glauben töten lassen". Er habe sich gegen die Erdölunternehmen gestellt, um das Leben in all seinen Formen zu schützen. "Wir wollen keine unnötigen Konfrontationen vom Zaun brechen", versicherte der Staatschef. "Doch möchte ich darauf hinweisen, dass uns das Abkommen, das die Beziehungen zwischen dem weltlichen Staat Ecuador und dem Vatikan regelt, erlaubt, jedwede Bischofsernennung rückgängig zu machen."

Sollte es dem ecuadorianischen Staat einfallen, in die Ernennung von Bischöfen einzugreifen, wäre damit ein unerhörter Präzedenzfall geschaffen, meinte hingegen der Vorsitzende der ecuadorianischen Bischofskonferenz, Antonio Arregui. Im Modus Vivendi werde zudem ausdrücklich betont, dass die Ernennung der Bischöfe dem Heiligen Vater (Papst) zukomme, so Arregui, Erzbischof von Guayaquil.

Die Ankündigung des Vatikans vom 19. März, den ecuadorianischen Bischof von Guaranda, Ángel Polibio Sánchez, als bischöflichen Gesandten nach Sucumbíos zu entsenden, hatte zunächst Hoffnungen auf eine Abberufung des ungeliebten Administrators ausgelöst. Doch inzwischen stellte sich heraus, dass Sánchez vor allem mit dem auch für Sekten zuständigen Justizministerium ins Gespräch kommen soll, das sich bisher weigert, die Heralden als Glaubensgemeinschaft anzuerkennen. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://es.arautos.org/view/show/543-biografia-de-mons-joao-scognamiglio-cla-dias
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=97841

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011