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LATEINAMERIKA/1322: Peru - Regierung im Clinch mit Interamerikanischer Menschenrechtskommission (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Dezember 2011

Peru: Regierung im Clinch mit Interamerikanischer Menschenrechtskommission

von Angel Páez


Lima, 28. Dezember (IPS) - Die Regierung von Peru will die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auffordern, die Kompetenzen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission neu abzustecken. Für seinen Vorstoß sucht Staatspräsident Ollanta Humala Unterstützung in Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Venezuela.

Wie IPS aus dem Justizministerium in Lima erfuhr, wird der Kommission vorgeworfen, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. So habe sie dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof Einzelheiten zur mutmaßlichen Hinrichtung von drei Rebellen durch das Armeekommando 'Chavín de Huántar' zukommen lassen. Der Zwischenfall hatte sich 1997 bei der Befreiung von Geiseln in der japanischen Botschaft in Lima ereignet.

Bei den Toten handelte es sich um drei Mitglieder der linksgerichteten Rebellenbewegung 'Túpac Amaru' (MRTA). Sie sollen zuvor ihre Waffen an die Soldaten übergeben haben, nachdem die 71 Geiseln nach vier Monaten mit Waffengewalt vom Militär befreit wurden.

Die Menschenrechtskommission, die zu der OAS gehört, begründete ihr Vorgehen damit, dass der peruanische Staat eine eigene Untersuchung des Vorfalls und eine mögliche Bestrafung der Schuldigen bislang verweigert habe. Bei dem Feuergefecht starben insgesamt 14 MRTA-Mitglieder, die durch die Geiselnahme gefangene Genossen freipressen wollten.


Vertrauliche Informationen aus dem Ministerium

Doch vertraulichen Informationen aus dem Justizministerium ist zu entnehmen, dass die peruanische Justiz bereits gegen die Militärs vorgeht, denen die extralegalen Hinrichtungen vorgeworfen werden. Die Informanten betonten ferner, dass in dem Zusammenhang die Regierung im vergangenen Januar 20 Jahre Haft für Vladimiro Montesinos, den ehemaligen Geheimdienstberater von Ex-Staatschef Alberto Fujimori (1990-2000), beantragt habe. Langjährige Gefängnisstrafen wurden auch für den früheren Heereschef Nicolás Hermoza und weitere Offiziere gefordert.

"Wenn es stimmt, dass die Mitglieder von Chavín de Huantar keine Menschenrechtsverletzungen begangen haben, warum wurden dann Montesinos und Hermoza dieser Vergehen beschuldigt?" fragte die unabhängige Vereinigung für Menschenrechte. Die Regierung habe erklärt, es sei zu keinen derartigen Verstößen gekommen.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat daher empfohlen, diesen Widerspruch zu untersuchen. Dagegen will die Humala-Regierung nun vorgehen, wie die Rechtsanwältin Gloria Cano betonte, die die Hinterbliebenen der drei Guerilleros vertritt.

"Es gibt Beweise für extralegale Hinrichtungen", erklärte die Juristin. In zwei Fällen könne der ehemalige japanische Diplomat Hidetaka Ogura, eine der Geiseln, als Zeuge hinzugezogen werden. Im dritten Fall hätten zwei Polizisten eine Aussage gemacht.

Die Anwältin wies allerdings auch darauf hin, dass 15 Jahre nach dem Vorfall noch immer kein Schuldiger benannt worden sei. "Statt den Empfehlungen der Kommission Folge zu leisten, zieht der peruanische Staat die Kompetenz der Kommission in Zweifel und weist deren Forderungen zurück. Genauso verhielt sich früher die Fujimori-Regierung."

Der Verfassungsrechtler Enrique Bernales ist hingegen der Auffassung, dass die Menschenrechtskommission den Staat Peru nicht belangen kann, da der betreffende Fall noch nicht abgeschlossen ist. "Mit dem einwandfreien Verfahren und der Verurteilung Fujimoris hat die peruanische Justiz ihr hohes Niveau unter Beweis gestellt. Man kann also nicht daran zweifeln, dass sie alle Anstrengungen unternimmt, um die Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt zu lassen."

Bernales ist außerdem der Meinung, dass die Regierung in Lima dazu berechtigt ist, eine Neuordnung des Einflussbereiches der Menschenrechtskommission zu fordern. "Das interamerikanische Menschenrechtssystem darf nicht stagnieren. Alles ändert sich, also müssen die Regeln der Realität angepasst werden."


Leichen der Getöteten heimlich bestattet

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hatte am 13. Juni dem Justizministerium in Lima einen Bericht über den Fall zustellen lassen. Darin kam sie zu dem Schluss, dass die Fujimori-Regierung die Ermittlungen und die Bestrafung der Schuldigen verhindert habe. Aus dem Dokument, das IPS vorliegt, geht auch hervor, dass die Behörden den Angehörigen der toten Guerilleros verwehrt hatten, die Leichen im Empfang zu nehmen. Stattdessen seien sie heimlich in Lima begraben worden. Kopien der Autopsieberichte wurden den Familien ebenfalls vorenthalten.

Laut dem Report genehmigte zudem das Oberste Gericht Perus im August 2002, dass die Mitglieder des Kommandos Chavín de Huántar vor ein Militärgericht gestellt würden. Die Interamerikanische Menschenrechtskonvention schließt eine Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit in Fällen von Menschenrechtsverletzungen jedoch aus.

Der abschließende Bericht der Kommission, der dem Staat Peru Ermittlungen gegen das Militärkommando nahelegte, gelangte erst nach dem Amtsantritt von Humala am 28. Juli an die Öffentlichkeit. Als die OAS keine offizielle Antwort aus Lima erhielt, leitete sie den Fall an den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof mit Sitz in Costa Rica weiter. Humala stellte sich derweil vor die Militärs und erklärte die verdächtigen Soldaten zu "Helden des Vaterlandes". (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.oas.org/en/topics/human_rights.asp
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99874

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2011