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LATEINAMERIKA/1383: Mexiko - Neuer Staatspräsident schnürt Sozialpaket, doch Finanzierung ungewiss (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Dezember 2012

Mexiko: Neuer Staatspräsident schnürt Sozialpaket - Doch Finanzierung ungewiss

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 5. Dezember (IPS) - Der neue mexikanische Staatspräsident Enrique Peña Nieto hat sich die Bekämpfung von Hunger und Armut auf die Fahnen geschrieben. Ein entsprechender Maßnahmenkatalog liegt bereits vor. Doch die Umsetzung könnte schwierig werden, sind die dafür erforderlichen Mittel noch längst nicht gesichert.

"Es ist schon einmal gut, dass die Notwendigkeit erkannt wurde, sozialpolitisch zu handeln", meint José Luís de la Cruz von der Fakultät für Finanz- und Wirtschaftswesen am Institut für Technologie und höhere Studien in Monterrey. "Nun gilt es nachzuhalten, wie sich die Umsetzung der Ziele mit dem Budget vereinbaren lässt. Bleibt es bei der derzeitigen Ausgabenverteilung, sind tiefgreifende Veränderungen allerdings unrealistisch."

Gleich nach seiner Vereidigung am 1. Dezember hatte Peña Nieto angekündigt, in den ersten Monaten seiner Amtszeit 13 Sozialmaßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören ein Kreuzzug gegen den Hunger sowie die Einführung von Lebensversicherungen für arme Haushaltsvorstände und Renten für Senioren ab 65. In Mexiko werden sieben Millionen der 19 Millionen Haushalte von Frauen geführt. Für diese Familien erhöht sich das Armutsrisiko gewaltig.


Pakt mit den politischen Gegnern

In den Entwurf für soziale Gerechtigkeit sind etliche Vorschläge der politischen Linken und der Sozialverbände eingeflossen. Die Pläne wurden in den 'Pakt von Mexiko-Stadt' aufgenommen, den der frisch gekürte Staatschef einen Tag nach seinem Amtsantritt mit den Vorsitzenden der Partei der Nationalen Aktion und der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) geschlossen hatte.

Der überraschende Vorstoß, die einflussreiche Opposition gleich mit ins Boot zu holen, hat jedoch an Strahlkraft verloren, seitdem sich die Spitze der linken PRD von dem Abkommen losgesagt hat. Jesús Zambrano habe den Pakt nicht als Parteivorsitzender, sondern als Privatperson unterzeichnet, ließ die PRD-Führung wissen.

Der Pakt beinhaltet 95 Themenbereiche wie soziale Rechte, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze, Sicherheit und Gerechtigkeit, gute Regierungsführung sowie Transparenz und Korruptionsbekämpfung. Er stellt ferner Arbeitslosenversicherungen, Armutsbekämpfungsprogramme, Garantien für die Kommerzialisierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und einen Produktivitätsanstieg in Aussicht.

Die Sozialagenda muss nun noch im Haushaltsplan 2013 verankert werden, der dem Parlament in Kürze vorliegt. Um die für ihre Umsetzung erforderlichen Gelder zu generieren, setzt Peña Nieto, dessen Amtsantritt von Protesten, repressiven Polizeieinsätzen und Vandalismus im historischen Viertel von Mexiko-Stadt begleitet worden war, auch auf Steuererhöhungen. Bisher sind die Abgaben von 19 Prozent vergleichsweise niedrig.

Wie Clara Jusidiman von der Nichtregierungsorganisation 'Incide Social' (Sozialer Einschnitt) erklärt, gilt es Strukturprobleme wie Arbeitslosigkeit und Prekarisierung unverzüglich anzugehen. "Wir brauchen Programme, die für Ernährungssicherheit sorgen. In einigen Fällen geht es um Einkünfte, in anderen um eine Wiederbelebung der Landwirtschaft", betont sie.


Hälfte der Mexikaner ist arm

Der ehemalige Staatspräsident Felipe Calderón hat seinem Amtsnachfolger 52 Millionen Arme hinterlassen, von denen 23 Prozent in absoluter Armut leben. Insgesamt besteht Mexiko aus 112 Millionen Menschen. Calderón hatte versucht, den sozialen Niedergang seit Ausbruch der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise durch die Stärkung eines aus den 1990er Jahren stammenden und 2002 modernisierten Chancenförderprogramms aufzuhalten. Das mit jährlich fünf Milliarden US-Dollar ausgestattete 'Programa Oportunidades' erreicht zurzeit 21 Millionen Menschen in 1.200 Gemeinden.

Die Auszahlung der Hilfsgelder ist an Auflagen gebunden. So müssen die Empfänger sicherstellen, dass ihre Kinder zur Schule gehen, diese nicht abbrechen und sich in den Gesundheitszentren in den ärmsten Teilen des Landes einfinden.

Experten befürchten, dass die derzeit prekäre wirtschaftliche Lage aufgrund der unzureichenden Erholung von Haupthandelspartner USA eine Umsetzung der ehrgeizigen Sozialpläne nicht zulassen wird. Die mexikanische Volkswirtschaft hat im letzten Jahr gerade einmal 3,9 Prozent zugelegt. Für das laufende Jahr wird ein Plus von 3,25 bis 4,25 Prozent erwartet - nach Ansicht von Experten zu wenig, um Arbeitsplätze schaffen und die Einkünfte der armen Bevölkerungsgruppen zu verbessern.

Neben seiner Entwicklungsbemühungen strebt Staatspräsident Peña Nieto zudem ein Null-Haushaltsdefizit an, wie von den internationalen Finanzorganisationen Weltbank und Internationalem Währungsfonds empfohlen. Diese Zielsetzung sei mit den angekündigten Sozialprogrammen nicht kompatibel, meint De la Cruz. Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht verbessern, werde der Staatschef mit seiner Vision von einem sozial gerechteren Land scheitern.

Die Regierung wird in den verbleibenden Dezembertagen mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern über einen neuen gesetzlichen Mindestlohn verhandeln, der derzeit bei 140 US-Dollar liegt. Die Gespräche könnten für die Regierung zu einer ersten Bewährungsprobe werden. Die Gehaltsbeobachtungsstelle der privaten Iberoamerikanischen Universität im südlichen Bundesstaat Puebla schätzt, dass der Wert der durch Arbeit erzielten Einnahmen seit 2006 um 32 Prozent und die Kaufkraft der Mexikaner um 4,2 Prozent gesunken ist.

Ende November wurde das Arbeitsrecht reformiert. Es legalisiert unter anderem die Abgabe von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Subunternehmen und verringert die Zahl der Monate, für die Abfindungen fällig werden. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.itesm.edu/wps/wcm/connect/ITESM/Tecnologico+de+Monterrey/English
http://web.coneval.gob.mx/Paginas/principal.aspx
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102016

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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2012