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LATEINAMERIKA/1387: Guatemala - Großgrundbesitzer gegen Gesetz für landwirtschaftliche Entwicklung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2012

Guatemala:
Großgrundbesitzer wollen Gesetz für landwirtschaftliche Entwicklung verhindern

von Danilo Valladares



Guatemala-Stadt, 19. Dezember (IPS) - Dem guatemaltekischen Parlament liegt derzeit ein Gesetzentwurf zur landwirtschaftlichen Entwicklung vor. Auf Druck von Großgrundbesitzern wird die Vorlage allerdings nicht verabschiedet. Sie sehen darin den Versuch einer Landreform, durch die sie einen Teil ihrer Ländereien verlieren könnten.

Um das Gesetz verabschieden zu können, müssen ihm mindestens 105 Abgeordnete zustimmen. Doch auch bei der erneuten Vorlage des Entwurfs am 29. November, dem letzten Sitzungstag des Parlaments im alten Jahr, konnte keine Einigung erzielt werden. Damit gibt es keine Chance, dass die Initiative noch in diesem Jahr verabschiedet wird.

"Das Gesetz fördert insbesondere die Entwicklung von Frauen und indigenen Gemeinschaften", sagt Irene Barrientos vom Komitee der bäuerlichen Einheit gegenüber IPS. Es sieht vor, den Kleinbauern den Zugang zu Anbauflächen und Arbeit in der Landwirtschaft zu erleichtern. Auch sollen mit dem Gesetz die Ernährungssicherheit auf dem Land und der Zugang zu Trinkwasser verbessert werden.

"Im März hatten der Parlamentspräsident und hohe Parteifunktionäre noch versprochen, das Gesetz zu verabschieden. Doch als es soweit war, zeigte sich, dass sie sich von der Landwirtschaftskammer haben kaufen lassen", sagt Barrientos. Die Landwirtschaftskammer vertritt Großgrundbesitzer und hat sich bereits mehrfach öffentlich gegen das Gesetz ausgesprochen.

Guatemala ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. 54 Prozent der 15 Millionen Einwohner des Landes gelten als arm, 13 Prozent leben im Elend. Betroffen sind vor allem Indigene und Kleinbauern. Dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) zufolge leidet jedes zweite Kind unter fünf Jahren an Mangelernährung. Gleichzeitig befinden sich 80 Prozent der produktiven landwirtschaftlichen Flächen des Landes in den Händen von nicht einmal fünf Prozent der Landesbevölkerung.

"Das Gesetz selbst sieht überhaupt keine Landreform vor", betont Barrientos. Auch die Enteignung von Land sei darin nicht vorgesehen. "Die Großgrundbesitzer wollen lediglich ihre Interessen verteidigen, mit ihren Monokulturen fortfahren und intensive Landwirtschaft betreiben. Das schadet aber den Kleinbauern."

Das sieht auch Álvaro Caballeros von der Koordinationsstelle der Nichtregierungsorganisationen und Kooperativen in Guatemala so: "Seit 22 Jahren wird verstärkt auf Monokulturen gesetzt, die die Böden auslaugen. Viele Kleinbauern haben Probleme zu überleben, weil ihre Felder von Plantagen umzingelt sind und das Grundwasser verunreinigt ist." Das Gesetz sei notwendig, um die Ernährungssouveränität der Kleinbauern zu sichern. Auch fördere es die nachhaltige Landwirtschaft und entlaste daher die Böden.


Präsident steht hinter Gesetz

Selbst Guatemalas konservativer Staatspräsident Otto Pérez Molina unterstützt das Gesetz. Es ziele nicht auf eine Agrarreform, erklärte er. "Wir haben der Landbevölkerung versprochen, das Gesetz zu verabschieden. Es ist darüber hinaus eine der fünf Säulen unserer Nationalen Agenda für den Wandel."

Die Vorlage genießt auch die Rückendeckung der Vereinten Nationen. Die guatemaltekische Niederlassung der Weltorganisation hält das Gesetz als Teil der Friedensverträge von 1996 für lange überfällig. Die Verträge beendeten einen 36 Jahre andauernden Bürgerkrieg mit 250.000 Toten.

Wie Carla Caballeros von der Landwirtschaftskammer gegenüber IPS erklärte, werde das Gesetz zu mehr Armut, mehr Mangelernährung unter Kindern und mehr Arbeitslosigkeit führen. Wie sie erläuterte, ist im Rahmen des Gesetzes die Gründung eines Superministeriums geplant, das mit 200 Millionen US-Dollar ausgestattet werden soll. "Es gibt schon jetzt genug Abspracheprobleme zwischen den verschiedenen Behörden, und die neue Einrichtung wird genauso unfähig und korrupt sein wie die anderen."

Darüber hinaus erklärte Carla Caballeros, dass das Gesetz das Recht auf Privatbesitz angreife. Auch die Freiheit der Industrie und des Handels sei gefährdet. Die Landwirtschaftskammer hat Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:
http://www.camaradelagro.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102094
http://www.ipsnews.net/2012/12/big-landowners-block-rural-development-law-in-guatemala/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2012