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LATEINAMERIKA/1433: Kolumbien - Entwicklung statt Zerstörung von Kokafeldern, Forum gegen Drogenhandel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2013

Kolumbien: Entwicklung statt Zerstörung von Kokafeldern - Forum gegen Drogenhandel

von Constanza Vieira


Bild: © Andrés Bernal/UNDP

Das Forum in Bogotá war das dritte einer Serie, die den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen Inputs geben soll
Bild: © Andrés Bernal/UNDP

Bogotá, 30. September (IPS) - Die Bekämpfung des Drogenhandels in Kolumbien wird erfolglos bleiben, solange die Auseinandersetzung auf dem Rücken der kleinen Kokabauern ausgetragen wird. Darauf haben Teilnehmer eines nationalen Forums in Bogotá hingewiesen, dessen Schlussfolgerungen für Regierung und FARC-Rebellen bestimmt sind, die seit letztem Jahr in Kuba über ein Ende des fast 50-jährigen Bürgerkriegs verhandeln.

"Die Vernichtung von Drogenanbauflächen als Strategie im Kampf gegen den Drogenhandel hat lediglich dazu geführt, einem Kokabauern in Bolivien zu einer siebenjährigen Präsidentschaft zu verhelfen", meinte die US-Expertin Kathryn Ledebur in Anspielung auf den ersten indigenen Staatspräsidenten des Andenstaates auf dem dreitägigen Forum in der kolumbianischen Hauptstadt.

"Kolumbien wird den Drogenhandel kaum unterbinden können, solange er durch eine internationale Nachfrage nach Kokain beflügelt wird", sagte die Leiterin des Andeninformationsnetzwerks mit Sitz in der bolivianischen Stadt Cochabamba, das die Auswirkungen des von den USA geförderten Anti-Drogenkampfs untersucht.

Organisiert hatten das Nationale Forum zur Lösung des Problems des illegalen Drogenhandels vom 24. bis 26. September die Vereinten Nationen und die Nationale Universität Kolumbiens. Unternehmer waren nicht vertreten. Ihre Abwesenheit wird auf ihre Unzufriedenheit mit der UN zurückgeführt, die sich hinter den 53-tägigen Bauernprotest in Catatumbo gestellt hatte, einer Region an der Grenze zu Venezuela.

Die Weltorganisation vermittelte zudem im darauffolgenden Nationalstreik der Beschäftigten der Landwirtschaft und des Bergbaus, der die Regierung dazu zwang, mit der Bauernplattform MIA über den Bau von Brücken, Straßen und die Einstellung der Vernichtung der Koka- Felder zu verhandeln.


Kritik an Abwesenheit der Unternehmer

Die Abwesenheit der Unternehmer auf dem jüngsten Forum kommentierte der UN-Koordinator des Forums, Fabrizio Hochschild, als "ungenutzte Gelegenheit", zu Lösungen beizutragen. "Das Thema der illegalen Drogen, ob uns dies nun gefällt oder nicht, ist ein Faktor, was die Sicherheit auf dem Land und die landwirtschaftliche Entwicklung angeht", meinte Hochschild im IPS-Gespräch.

An dem Forum hätten mehr als 1.000 Menschen, davon 800 aus den betroffenen Regionen teilgenommen. Die Unternehmer hätten eine günstige Gelegenheit verpasst, ihre Sichtweisen darzulegen, Lösungsvorschläge einzubringen und anderen Meinungen Gehör zu schenken. "Praktikable Lösungen lassen sich nur dann erzielen, wenn es zu einem Austausch unterschiedlicher Meinungen kommt", meinte Hochschild. Ein Boykott oder Versuche, solche Foren zu verhindern, seien wenig hilfreich und führten in die Sackgasse.

Rafael Mejía, Leiter des Kolumbianischen Bauernverbands, der die großen kommerziellen Farmer vertritt, wies den Boykottvorwurf zurück. "Wir haben schlicht und ergreifend einfach nicht teilgenommen", erklärte er gegenüber IPS. Man habe zwei Tage lang über das Für und Wider einer Teilnahme diskutiert. Doch dann hätten die Bauern ihren Aufstand in verschiedenen Regionen verschärft und die UN vermittelnd eingegriffen. Mejía zufolge stecken nach Angaben von Geheimdienstmitarbeitern die FARC-Rebellen hinter den Aufständen.

Ledebur warnte jedoch davor, die kleinen Farmer, die Koka aus der Not heraus anbauten, weil sie ihre Familien ernähren müssten, mit der Drogenmafia in einen Topf zu werfen, die Milliarden US-Dollar an dem illegalen Geschäft verdienten.

Die Expertin störte sich zudem an den gängigen Standards, die angelegt werden, um angebliche Fortschritte des Antidrogenkampfes zu bemessen. "Der Erfolg lässt sich weder an der Größe der Fläche der zerstörten Felder, noch an der Menge der beschlagnahmten Drogen oder der Zahl der Verhaftungen und Verurteilungen ablesen, sondern an den Indikatoren der Basisversorgung, der Ernährungssicherheit und des sozialen Wohlbefindens", sagte sie.


Gegen Drahtzieher vorgehen

Auch Adam Isacson vom Washington-Büro für lateinamerikanische Angelegenheiten sieht wenig Sinn in der Vernichtung kleinbäuerlicher Kokafelder. Seiner Meinung nach gilt es gegen die kriminellen Netzwerke hinter dem Drogenhandel vorzugehen und nicht gegen die kleinen Farmer.

Auf dem Forum in Bogotá wurde wiederholt gefordert, zwischen der in der Andenregion traditionell genutzten Kulturpflanze Koka und dem daraus hergestellten Kokain zu unterscheiden. Eine Umstellung auf alternative Agrarerzeugnisse müsse mit den Bauern abgesprochen werden. Auch sollte eine Beibehaltung des Koka-Anbaus solange in Erwägung gezogen werden, bis sich die Erträge der Alternativkulturen als nachhaltige Einnahmequellen erwiesen hätten.

Nach Ansicht von Ricardo Vargas vom kolumbianischen Transnationalen Institut muss eine solche Möglichkeit in den Verhandlungen zwischen Regierung und Guerilla in Erwägung gezogen werden. In den Friedensgesprächen sei bisher immer nur von der Produktion, dem Export, dem Drogenkonsum und der Umstellung von Agrarerzeugnissen die Rede gewesen.

Einerseits sei der Regierung daran gelegen, dass die FARC aus dem Drogenhandel aussteige und insbesondere den Anbau, die Weiterverarbeitung der Kokablätter in Kokapaste und die dafür erforderliche Anbaugebietskontrolle aufgebe. Gleichzeitig jedoch habe der Drogenhandel den Kampf gegen die Rebellen mitfinanziert, so Vargas. In den 1980er und 1990er Jahren seien mit Drogengeldern die militärische Ausbildung, die Waffen und die Kämpfer der ultrarechten Paramilitärs bezahlt worden, was die Dynamik des Krieges maßgeblich verändert habe.

In den 40 Jahren des kolumbianischen Drogenhandels sah sich die kolumbianische Bevölkerung mit einer mafiösen Kultur konfrontiert, die an den Gesetzen vorbei private Interessen bediente. "Dieses Erbe abzustreifen, ist die größte Schwierigkeit", versicherte Vargas. Wie er weiter kritisierte, konnten die kriminellen Kräfte in den Regionen, in denen staatliche Institutionen schwach oder abwesend waren, ihre Aktivitäten diversifizieren. "Land konzentriert sich nun in ihren Händen, und sie kontrollieren Politiker und finanzieren deren Wahlkampagnen." (Ende/IPS/kb/2013)


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IPS-Tagesdienst vom 30. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2013