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NAHOST/1038: Israels Sperrwall soll durch palästinensisches Welterbe-Gebiet von Battir führen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2014

Nahost: Terrassengärten im Westjordanland trotz Welterbe-Status in Gefahr - Israels Sperrwall soll durch Gebiet von Battir führen

von Ido Liven


Bild: 2009 by Idobi (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons]

Blick von den historischen Terrassengärten, die nun zum Welterbe erklärt wurden, auf die palästinensische Ortschaft Battir
Bild: 2009 by Idobi (Own work)
[GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons]

Battir, Westjordanland, 16. Juli (IPS) - Kaum hat die Weltkulturorganisation die historischen Terrassengärten der palästinensischen Ortschaft Battir im Westjordanland zum Welterbe erklärt, ist Gefahr in Verzug. So soll hier, inmitten der malerischen Landschaft, das neue Teilstück des israelischen Sperrwalls hochgezogen werden.

Die im Laufe von mehr als 2.000 Jahren auf den Hügeln des Dorfes angelegten Gartenterrassen werden durch das natürliche System lokaler Gebirgsbäche bewässert. Im Juni wurden sie von der UNESCO in die Welterbe-Liste aufgenommen.

Doch nun soll die umstrittene israelische Sperranlage am Fuß der Hügel durch Palästinenserland weitergeführt werden. Zur Begründung hieß es, dass die an den Dörfern vorbeilaufende Eisenbahnlinie geschützt werden müsse.

Militärvertreter hatten 2011 vor dem Obersten Gerichtshof Israels erklärt, es lägen Geheimdienstinformationen vor, wonach Terrororganisationen aus dieser Richtung Israel zu infiltrieren versuchten. Sie räumten zwar ein, dass die Sicherheitsgefahr nicht von den Bewohnern Battirs ausgehe, wohl aber von "feindlichen Elementen", die in dem Gebiet aktiv seien und davon profitieren könnten, dass die israelische Barriere dort noch nicht fertiggestellt worden sei.

Im Mai vergangenen Jahres ordnete der Oberste Gerichtshof die Aussetzung der Arbeiten an dem Sperrwall-Teilstück bei Battir an. Ein abschließendes Urteil steht aber noch aus.


Proteste der Bevölkerung

Die lokale Bevölkerung, die von der Landwirtschaft lebt, protestiert seit 2005 gegen die geplante Sperrwallverlängerung. Sie argumentiert, dass das sechs Kilometer lange Teilstück die jahrhundertlang gewachsene Landschaft und ihre Existenzgrundlage zerstört.

Im Laufe der Jahre hat die Kampagne zahlreiche Unterstützer gefunden, unter anderem Umweltgruppen wie die Gesellschaft für Naturschutz in Israel und die Nahost-Sektion von 'Friends of the Earth' (FoEME).

Unerwarteter Rückhalt kommt auch von einer Agrarfachschule in der israelischen Siedlung Gush Etzion und von Israels Naturschutzbehörde INPA. Doch dahinter könnten handfeste Eigeninteressen stecken, wie Ofer Zalzberg, ein Konfliktforscher der 'International Crisis Group' mit Sitz in Jerusalem, betont. Er wies darauf hin, dass INPA den Welterbestatus für mehrere Naturparks beantragt habe.

Eigentlich hätten die Terrassengärten von Battir schon im vergangenen Jahr auf die Liste des Welterbes gesetzt werden sollen. Doch nach Angaben der israelischen Tageszeitung 'Haaretz' ließ US-Außenminister John Kerry den Antrag der Palästinenser auf Eis legen, um die Aufnahme neuer Friedensgespräche zu ermöglichen.

Die palästinensische Nachrichtenagentur 'Ma'an' wiederum berichtete, dass die Entscheidung, die Anerkennung zu verschieben, Teil eines politischen Deals gewesen sei. So habe Israel als Gegenleistung zugesagt, einem UNESCO-Team den Zugang zur Altstadt von Jerusalem zu ermöglichen, die ebenfalls Weltkulturerbe ist.

Inzwischen hat das Welterbe-Komitee nicht nur dem Antrag Battirs stattgegeben, sondern die Gartenterrassen gegen die Bedenken des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS) auf die Liste der gefährdeten Kulturgüter gesetzt.

Das israelische Verteidigungsministerium scheint jedoch fest entschlossen, das Bauprojekt voranzutreiben. Die Barriere im Gebiet von Battir solle die Bürger Israels vor Terror schützen, hieß es in einer Mitteilung, in der versichert wurde, dass die Terrassen und auch das natürliche Bewässerungssystem nicht beschädigt würden.

Die Dorfbewohner und FoEME hoffen nun, dass der Welterbe-Status die ausstehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs beeinflusst. "Es wäre sicher nicht gut für das Ansehen Israels, mit der Zerstörung einer Welterbestätte in Verbindung gebracht zu werden", meint Nader al-Khateeb, der Co-Direktor von FoEME.

Zalzberg bezweifelt aber, dass sich die israelische Regierung von solchen Argumenten beeindrucken lassen wird. Eine Entscheidung Israels, gegen die Überzeugung der Vereinten Nationen den Bau des Sperrwalls fortzusetzen, könnte Teil einer Strategie sein, die UNESCO immer stärker zurückzudrängen, wenn es um die Verwaltung von Welterbestätten insbesondere der in Jerusalem gehe.

Dabei gehört Israel dem UNESCO-Welterbe-Komitee an und war 1954 einer der ersten Unterzeichnerstaaten der Haager Konvention zum Schutz von Kulturdenkmälern in bewaffneten Konflikten.

Bisher deuten die Beratungen des Obersten Gerichts darauf hin, dass zugunsten der Sperranlage entschieden wird. In der jüngsten Sitzung im Januar ging es vor allem um die Frage, wie sich die möglichen Schäden an den Gartenterrassen gering halten lassen könnten. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/new-palestinian-world-heritage-site-under-threat-of-defacement/

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IPS-Tagesdienst vom 16. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2014