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NAHOST/492: Biberman & Co (Uri Avnery)


Biberman & Co

Von Uri Avnery, 28.3.09


IST DIES die Regierung von Biberman (Bibi Netanyahu und Avigdor Liberman) oder vielleicht von Bibarak (Bibi und Ehud Barak)?

Weder noch. Es ist die Regierung von Bibiyahu.

Binyamin Netanyahu hat bewiesen, dass er ein unübertrefflicher Politiker ist. Er hat den Traum eines jeden Politikers (und Theaterbesuchers) realisiert: einen guten Platz in der Mitte. In seiner neuen Regierung kann er die Faschisten im rechten Flügel gegen die Sozialisten im linken Flügel ausspielen, Libermans Säkulare gegen die Orthodoxen von Shas. Eine ideale Situation.

Die Koalition ist groß genug, um immun gegen Erpressung einer ihrer beteiligten Parteien zu sein. Wenn einige Labormitglieder die Koalitionsdisziplin brechen werden, wird Netanyahu immer noch über die Mehrheit kommandieren. Oder wenn die Rechten Probleme machen. Oder wenn ihm die Orthodoxen ein Messer in den Rücken stechen.

Die Regierung hat sich auf nichts festgelegt. Seine schriftlich festgelegten "Grundsätzlichen Leitlinien" - ein Dokument, das von allen Partnern einer neuen Regierung unterschrieben wird - sind vollkommen nebulös. (Abgesehen davon sind Grundsätzliche Leitlinien wertlos. Alle israelischen Regierungen haben ihre angenommenen Grundsätzlichen Leitlinien, ohne mit der Wimper zu zucken, gebrochen. Sie erweisen sich immer als ungedeckte Schecks).

All dies wurde von Netanyahu auf die billige Tour erworben - ein paar Milliarden wirtschaftlicher Versprechen, die er nicht im Traume zu erfüllen denkt. Die Staatskasse ist leer. Einer seiner Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, Levy Eshkol, sagte bekanntermaßen: "Ich versprach - aber ich habe nicht versprochen, meine Versprechen zu halten."

Er verschenkte auch Ministerien an alle und jedermann. Dieses kleine Land wird jetzt 27 Minister und sechs stellvertretende Minister haben. Na, und? Wenn nötig, würde Netanyahu jedem der 74 Mitglieder der Koalition einen Ministersessel anbieten.


DER HÖHEPUNKT seiner Errungenschaft war die Erwerbung der Laborpartei für seine Regierung.

Mit einem Streich verwandelte er eine Regierung von Aussätzigen, die von der ganzen Welt als ein verrückter Haufen von Ultra-Nationalisten, Rassisten und Faschisten angesehen würde, in eine vernünftige und ausbalancierte Regierung der Mitte. Und all dies ohne im geringsten ihren Charakter zu verändern.

Der eifrigste Unterstützer dieser Meisterleistung war Liberman, der neue Außenminister Israels. Dieser extreme Rassist, geistiger Bruder des französischen Jean-Marie Le Pen und des österreichischen Jörg Haider (ich hoffe, dass sie - der Lebende und der Verstorbene - sich nicht beleidigt fühlen) war sehr besorgt, was ihn erwarten würde. In seiner Phantasie sah er sich schon, wie er seine Hände Hillary Clinton entgegenstreckt und sein Arm in der Luft stehen bleibt; oder sich vorwärts beugt, um Angela Merkel zu küssen , um zu sehen wie sie sich vor Schrecken zurückzieht. Sehr unangenehm.

Das Hinzukommen der Laborpartei löst jedermanns Problem. Wenn sich Sozialdemokraten der Regierung anschließen, dann muss all dieses Gerede von Faschismus Unsinn sein. Offensichtlich ist Liberman missverstanden und falsch dargestellt worden. Er ist gar kein Faschist - Gott bewahre. Er ist auch kein Rassist. Er ist nur ein

traditioneller rechter Demagoge, der die primitiven Emotionen der Massen ausnützt, um Stimmen zu sammeln. Welcher gewählte Politiker wird dem widerstehen können?

Tatsächlich ist der ganzen Regierung von Ehud Barak ein Kosher-Zertifikat ausgestellt worden. Er setzt die glorreiche Tradition der Arbeiterpartei von politischer Prostitution fort. 1977 schloss sich Moshe Dayan der neuen Regierung von Menachem Begin an und gab ihr so ein Kosher-Zertifikat, als die ganze Welt Begin für einen gefährlichen nationalistischen Abenteurer hielt. 2001 schloss sich Shimon Peres der neuen Regierung von Ariel Sharon an und gab ihm ein Kosher-Zertifikat, als die ganze Welt Sharon als den Mann ansah, der für die Massaker von Sabra und Shatila verantwortlich war.


WARUM HAT Barak dies getan? Und warum hat ihn die Mehrheit der Arbeiterpartei unterstützt?

Labor ist eine Regierungspartei. Sie ist niemals etwas anderes gewesen. Schon 1933 übernahm sie die Führung der zionistischen Bewegung und seitdem hat sie den Yishuv (die jüdische Gemeinschaft in Palästina vor 1948) und den Staat ohne Unterbrechung beherrscht, bis Begin 1977 an die Macht kam. Vierundvierzig auf einander folgende Jahre hatte sie unbegrenzte Macht über die Wirtschaft, die Armee, die Polizei, die Sicherheitsdienste, das Bildungs- und Gesundheitssystem und die Histadrut, die damals allmächtige Arbeitergewerkschaft.

Macht ist ein Teil des DNA der Partei . Es ist viel mehr als nur eine politische Sache - es ist ihr Charakter, ihre Mentalität, ihre Weltanschauung. Die Partei ist nicht in der Lage, in der Opposition zu sein. Sie weiß nicht, was dies ist und noch weniger weiß sie, etwas damit anzufangen.

Ich beobachtete die Mitglieder von Labor in der Knesset während der kurzen Perioden, in denen sie in der Opposition fest saßen. Sie waren niedergeschlagen und jammerten. Dutzende von ihnen wanderten verloren in den Korridoren herum, wie Phantome, verirrte Seelen. Wenn sie zum Rednerpult gingen, klangen sie wie Regierungssprecher.

Der Likud leidet am gegenteiligen Syndrom. Ihre Vorgänger waren während der Zeit des Yishuv und während der ersten neunundzwanzig Jahre des Staates in der Opposition. Opposition liegt im Blut der Likudanhänger. Selbst jetzt nach vielen Jahren (mit Unterbrechungen) in der Regierung, benehmen sie sich, als wären sie die Opposition. Sie sind die ewig Diskriminierten, Unglücklichen und Verbitterten, Leute, die von außen reinschauen und voller Hass und Neid sind.

Ehud Barak symbolisiert das Syndrom seiner Partei. Alles ist sein Anrecht. Die Macht ist sein Anrecht, das Verteidigungsministerium ist sein Anrecht. Ich wäre nicht überrascht, wenn er auf einer Klausel im Koalitionsabkommen bestehen würde, dass man ihn als Verteidigungsminister auf Lebenszeit ernennt (und seinen Diener Shalom Simchon als Landwirtschaftsminister auf Lebenszeit). Regierungen kommen und Regierungen gehen, aber Ehud Barak muss Verteidigungsminister bleiben - ob die Regierung nun eine rechte oder eine linke ist, eine faschistische oder kommunistische, eine atheistische oder theokratische. Es ist gleichgültig, wie er seinen Job erledigt - seine Bewertung kann nichts weniger als perfekt sein.


WAS WIRD diese Regierung also tun? Was kann sie tun?

So weit es die wichtigste Sache betrifft, besteht völlige Uneinigkeit. Liberman, Netanyahu, Barak, Elli Yishai von Shas und Danny Hershkovitz von der Partei "Unser Jüdisches Haus", sind sich völlig darin einig, was die Palästinenser betrifft. Alle stimmen darin überein, die Errichtung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Alle stimmen darin überein, nicht mit der Hamas zu reden. Alle unterstützen das Siedlungsunternehmen. Während Baraks Amtszeit wuchsen die Siedlungen sogar schneller, als während der von Netanyahu. Liberman ist selbst ein Siedler. Die Partei von Hershkovitz vertritt die Siedler. Alle sind davon überzeugt, dass ein Friede nicht nötig ist, dass Frieden für uns schädlich sei. (Es war schließlich Barak und nicht Netanyahu oder Liberman, der den Satz prägte 'Wir haben keinen Partner für Frieden'.)

Was wird also die wirkliche Plattform dieser Regierung sein?

In vier Worten: Täuschen für das Vaterland.


AUF DEM VON dieser Regierung gewählten Weg liegt ein riesiger Brocken: die USA.

Während Israel einen großen Sprung nach rechts gemacht hat, machten die USA einen großen Sprung nach links. Man kann sich kaum einen größeren Kontrast vorstellen als den zwischen Binyamin Netanyahu und Barack Obama. Oder zwischen den beiden Bara(c)ks - Barack Obama und Ehud Barak.

Netanyahu ist sich dieses Problems bewusst, vielleicht mehr als jede andere israelische Führungsperson. Er wuchs in den USA auf, nachdem sein Vater, ein Professor für Geschichte in Jerusalem zu der Überzeugung kam, dass ihm wegen seiner rechts-extremen Einstellung sein rechtmäßiger akademischer Platz verweigert würde, und zog in die USA. Dort besuchte Binyamin das Gymnasium und die Universität. Er spricht fließend das amerikanische Englisch eines Handelsreisenden.

Wenn es etwas gibt, das praktisch alle Israelis von rechts bis links eint, dann ist es die Überzeugung, dass die Beziehungen zwischen Israel und den USA für die Sicherheit des Staates lebenswichtig sind. Netanyahus Hauptsorge wird es deshalb sein, einen ernsthaften Bruch zwischen den beiden Ländern zu verhindern.

Barak wurde der Regierung genau deshalb hinzugefügt, um solch einen Clash zu vermeiden. Netanyahu wünscht mit Barak an seiner Seite das Weiße Haus zu besuchen, nicht mit Liberman.

Der Clash scheint unvermeidlich. Obama möchte im Nahen Osten eine neue Ordnung schaffen. Er weiß, dass der israelisch-palästinensische Konflikt die Atmosphäre in der arabischen, ja in der ganzen muslimischen Welt gegen Amerika vergiftet. Er möchte eine Lösung des Konfliktes - genau das, was Netanyahu und seine Partner um jeden Preis verhindern wollen, um jeden Preis - außer einem Bruch mit Amerika. .

Wie macht man das?

Die Lösung findet man bei den Sprüchen (24,6) in der Bibel: "Denn mit List sollst du Krieg führen".

(In der lutherischen Version wurde das hebräische Wort Tachbulot als "Überlegung" übersetzt. Im modernen Hebräisch bedeutet es List, Trick, - und so wird es heute von den hebräisch Sprechenden verstanden.)


SEIT BEGINN des Zionismus haben seine politischen Führer gewusst, dass ihre Vision ein großes Maß an Tarnung benötigt. Es ist unmöglich, ein Land zu übernehmen, das von einem anderen Volk bewohnt ist, ohne dass man das Ziel vertuscht, die Aufmerksamkeit ablenkt, seine Taten vor Ort hinter einem Schirm blumiger Worte verbirgt.

Alle Staaten lügen natürlich. Vor 400 Jahren bemerkte ein britischer Diplomat, Sir Henry Wotton: "Ein Botschafter ist ein ehrlicher Mann, der ins Ausland geschickt wird, um für sein Land zu lügen." Wegen der besonderen Umstände ihres Unterfangens müssen die Zionisten vielleicht ein bisschen mehr als üblich Täuschungen anwenden.

Nun ist es die Aufgabe, der Welt und besonders den USA und Europa ein falsches Bild vorzustellen, das vorgibt, unsere neue Regierung sehne sich nach Frieden, arbeite für Frieden, ja, drehe tatsächlich jeden Stein um und suche Frieden - während sie genau das Gegenteil tut. Die Welt wird von einer Flut von Erklärungen und Versprechen überschwemmt werden, begleitet von einer Menge leerer Gesten, Konferenzen und Treffen.

Leute mit guten Ohren hören schon jetzt, wie Netanyahu, Liberman und Barak beginnen, mit der 'Arabischen Friedensinitiative' herumzuspielen. Sie werden darüber reden, sie interpretieren, sie angeblich annehmen, während sie Bedingungen stellen, die sie jedes Inhaltes beraubt.

Der große Vorteil dieser Initiative ist, dass sie nicht von den Palästinensern kommt und darum auch keine Verhandlungen mit den Palästinensern erfordert. Wie die dahingeschiedene 'Jordanische Option' und andere dieser Art dient sie als Ersatz für einen Dialog mit den Palästinensern. Zur Arabischen Liga gehören zweiundzwanzig Regierungen; einige von ihnen kooperieren heimlich mit der israelischen Führung. Man kann sich darauf verlassen, dass sie über praktische Sachen untereinander nie einig sein werden.


ABER TÄUSCHUNGEN benötigen wie beim Tangotanz zwei: der eine der täuscht und der andere, der getäuscht werden will.

Netanyahu glaubt, dass Obama getäuscht werden will. Warum sollte er wünschen, sich mit Israel zu streiten, sich mit der mächtigen Pro-Israel-Lobby und dem US-Kongress anzulegen, wenn er sich mit beruhigenden Worten aus Jerusalem zufrieden geben kann? Geschweige denn Europa, das geteilt und von Holocaustschuldgefühlen belastet ist, oder der pathetische Tony Blair, der ruhelos umhergeistert.

Ist Obama bereit - wie die meisten seiner Vorgänger - die Rolle des betrogenen Liebhabers zu spielen?

Die Biberman / Bibarak / Bibiyahu-Regierung glaubt, dass die Antwort ein schallendes Ja ist.
Ich hoffe, dass es ein schallendes Nein sein wird.


Copyright 2009 by Uri Avnery

(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)


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Quelle:
Uri Avnery, 28. März 2009
www.uri-avnery.de
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2009