Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/832: Hilfe für Palästinensergebiete schwierig, Israelische Restriktionen kommen teuer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Juni 2011

Nahost: Hilfe für Palästinensergebiete schwierig - Israelische Restriktionen kommen teuer

Von Mel Frykberg


Ramallah, 15. Juni (IPS) - Mit geld- und zeitraubenden Auflagen für die Durchführung von Entwicklungsprojekten in den Palästinensergebieten verursacht Israel europäischen und US-amerikanischen Steuerzahlern jährliche Zusatzkosten in Höhe von insgesamt fünf Millionen US-Dollar. Dies geht aus einem neuen Bericht von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hervor, der umfangreiche Bewegungsfreiheiten für die Helfer fordert.

Die Restriktionen hindern NGOs und andere internationale Organisationen an der Durchführung von Hilfsprojekten, wo sie am dringendsten benötigt werden. Das gilt vor allem für den Gazastreifen, wo Armut und Elend endemisch sind, und für einige Teile des Westjordanlandes.

Den Helfern wird im Umgang mit den israelischen Behörden ein hohes Maß an Flexibilität abverlangt. Hinzu kommen die hohen Kosten für die Parallelstrukturen, die aufgrund der Teilung der Palästinensergebiete in Gaza und Westjordanland entstanden sind. Gäbe es mehr Bewegungsfreiheit in den Palästinensergebieten, könnten Helfer vor Ort eingesetzt und überflüssige Transportkosten gespart werden.

"Die Einschränkungen berauben die Menschen vor Ort ihrer reellen Chance, ihre Lebenssituation zu verbessern. Schließlich ist die Bevölkerung des Gazastreifens zu 80 Prozent von humanitärer Hilfe abhängig", kritisiert Kathy Joubeh von der Hilfsorganisation 'Medizinische Hilfe für Palästinenser' ('Medical Aid for Palestinians' - MAP). "Dass Mitarbeiter und Materialien nicht immer nach Gaza reinkommen, bedeutet eine unselige Verschwendung von Zeit und Geld."

MAP ist eines von Dutzenden Mitgliedern der 'Internationalen Entwicklungsagenturen' (AIDA), die den Bericht 'Eingeschränkte Hilfe: Die Herausforderungen, Hilfe in den besetzten Palästinensergebieten zu leisten' ('Restricting Aid: The Challenges of Delivering Aid in the Occupied Palestinian Territory') herausgegeben haben. Darin werden die Schwierigkeiten geschildert, die den Hilfsorganisationen bei der Versorgung von Palästinensern in den besetzten Gebieten in den Weg gestellt werden.


Hoher Zeitaufwand

Eine im Gazastreifen tätige Hilfsorganisation sah sich 2008 zum Ausstieg aus mehreren Wasser- und Sanitärprojekten genötigt, weil sich ihr Personal vor Ort nicht frei bewegen konnte und ihre Hilfsgüter festgehalten wurden. Eine weitere Organisation berichtete davon, dass Pumpen und andere Komponenten für den Bau von Brunnen mit einer Verspätung von acht bis zwölf Monaten ihren Bestimmungsort erreicht hätten.

Weitere fünf Hilfsgruppen prangerten Verzögerungen von bis zu sechs Monaten beim Import von landwirtschaftlichem Equipment, Saatgut, Werkzeugen, Büchern, Spielzeug, mobilen Wasserpumpen, medizinischer Ausrüstung und Nahrungsmittelpaketen an.

AIDA-Mitglieder berichteten ferner, dass Israels Einkaufs-, Beschaffenheits- und Mengenbeschränkungen eine Reihe nachhaltiger Entwicklungsprojekte zunichte gemacht hätten. So sahen sich Hilfsorganisationen gezwungen, den Wiederaufbau zerstörter Gebäude und Abwässerkanäle nach den letzten Militäranschlägen auf den Gazastreifen einzustellen und stattdessen Kinder und Familien psychologisch und sozial zu betreuen.

Im Jordantal und in Gebiet C im Westjordanland - beide Regionen stehen vollständig unter israelischer Kontrolle - führten die Einschränkungen dazu, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ausblieben. Für viele AIDA-Mitglieder hieß dies, dass sie nur noch kurzfristige Hilfsprojekte durchführen konnten.

"Derzeit gibt es Hürden, die uns nicht erlauben, das Leben von Kindern und ihren Familien in solchen Gebieten zu retten, die von Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Agrarland abgeschnitten sind", berichtete Salam Kanaan, Landesdirektor des Kinderhilfswerks 'Save the Children'. "Es ist inakzeptabel, dass wir Hilfe nur in Gebieten leisten können, in die man uns hereinlässt. Die Hilfe sollte dorthin gehen, wo sie am stärksten gebraucht wird."

Auch die Helfer selbst sehen sich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. So werden ihnen häufig Einreise-, Projekt- und Arbeitsgenehmigungen verweigert. Einige der Dörfer, die in der 'Randzone' zwischen der grünen Linie und dem Trennungszaun liegen, sind für sie gar nicht zu erreichen.

In der Ortschaft Barta im Norden von Westjordanland leben 5.400 Menschen innerhalb der 'Randzone' hinter einem Elektrozaun. Israel hat AIDA-Mitgliedern, die sich ein Bild von den Zuständen des Dorfes machen wollten, sogar einen Kurzbesuch untersagt. "Barta ist kein Einzelfall", sagte dazu Pauline Nunu vom Hilfsprojekt für ökumenische Begleitung in Palästina und Israel (EAPPI). "Es gibt so viele Fälle, in denen Menschen grundlegende Leistungen vorenthalten werden. Die Hilfsorganisationen sind angesichts der ihnen auferlegten Bewegungsbeschränkungen machtlos."


Frustration auch bei den Helfern

Die Auflagen treiben viele Helfer in die pure Verzweiflung. "Wir sind sehr frustriert und fühlen uns schnell ausgebrannt", sagte Joubeh. "Es gibt keine Planungssicherheit, effektives Arbeiten ist somit nicht möglich. Immer wieder müssen wir umdisponieren, weil die israelischen Behörden Genehmigungen im letzten Moment zurückziehen."

Verabredungen müssten abgesagt und neu getroffen werden. Programme für behinderte Menschen, an denen man Monate lang gearbeitet habe, hätten verschoben werden müssen - mit bösen Folgen für unsere Partnerorganisationen", sagte der Experte. "Wir arbeiten mit stark behinderten Menschen. Die Restriktionen zeigen uns, wie wenig Respekt unserer Arbeit entgegengebracht wird." (Ende/IPS/kb/2011)


Link:
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56057

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Juni 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2011