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NAHOST/841: Syriens Führung bemüht sich um die Lösung der Konflikte (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - 9. Juli 2011

Nationaler Dialog
Syriens Führung bemüht sich um die Lösung der Konflikte

Von Karin Leukefeld, Damaskus


Zwei Tage vor Beginn eines wichtigen nationalen Dialogs in Syrien hat das syrische Außenministerium den USA erstmals direkt vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einzumischen und die Proteste gegen die Regierung zu schüren. In einer knappen Stellungnahme verurteilte ein Sprecher des Außenministeriums in Damaskus die Fahrt von USA-Botschafter Robert Ford nach Hama, die »ohne Zustimmung des Außenministeriums« stattgefunden habe.

Alle Botschaften seien über das Procedere informiert, das erforderlich sei, wenn sie sich derzeit innerhalb des Landes bewegen wollten. Daß der USA-Botschafter sich nicht daran gehalten habe, sei »ein klarer Beweis dafür, daß die USA in die Ereignisse im Land involviert sind und beabsichtigen, die Situation zu verschärfen und Syrien zu destabilisieren«. Gleichwohl werde man alles unternehmen, um »Sicherheit und Stabilität im Land« wiederherzustellen.

Am vergangenen Freitag waren in Hama rund 150.000 Demonstranten auf einem zentralen Platz zusammengekommen, der wegen einer markanten Uhr in der Mitte auch der »Uhrenplatz« genannt wird. Inzwischen wurde der Platz in »Tahrir-Platz« umbenannt, in Anlehnung an den Tahrir-Platz in Kairo. Bewaffnete Kräfte des Geheimdienstes und das Militär hatten sich Mitte Juni aus Hama zurückgezogen, wo zuvor bei Auseinandersetzungen Dutzende Demonstranten ums Leben gekommen waren. Der erst im Februar eingesetzte Gouverneur Ahmad Khale Abdulaziz hatte durch Verhandlungen den Rückzug von Geheimdienst und Militär erreicht, im Gegenzug hatten die Demonstranten friedliche Proteste zugesichert

Die beruhigte Lage zog immer mehr Demonstranten an, erklärt der Professor für Geschichte und frühere Präsidentenberater George Jabbour im Gespräch mit der »Zeitung«. »Von Anfang an hat die Protestbewegung einen syrischen Tahrir-Platz gesucht, in Hama haben sie in gefunden.« Nach den Massenprotesten vor einer Woche entließ Präsident Assad den Gouverneur. Für wenige Stunden kehrten bewaffnete Kräfte des Geheimdienstes zurück, nahmen Menschen fest und schossen wieder auf Demonstranten. Ausländische Medien zogen einen Vergleich mit dem Massaker 1982, als Tausende Anhänger der Muslimbruderschaft getötet worden waren. Die Regierung ordnete den erneuten Rückzug der Geheimdienstleute an, das Militär bleibt um staatliche Einrichtungen und ein Gebäude der Baathpartei positioniert.

Die Ereignisse in Hama und ein von Amnesty International Mitte der Woche veröffentlichter Bericht über mögliche »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« in dem Grenzort Tell Kalach könnten den nationalen Dialog gefährden, der am Sonntag in Damaskus beginnen soll. Zu dem ersten Treffen sind bisher 100 Personen eingeladen, die erste Sitzung soll zwei Tage dauern. Auf der Tagesordnung stehen drei Punkte: Diskussion über den Ablauf des Nationalen Dialogs, Artikel 8 der syrischen Verfassung (Rolle der Baathpartei) und die Diskussion über drei neue Gesetze, mit denen Parteigründungen erlaubt, das Wahlrecht geändert und die Rolle der Medien neu geregelt wird.

Die Opposition zeigt sich weiterhin uneinig über eine Teilnahme am nationalen Dialog, der vor allem von jugendlichen Aktivisten und radikalen Islamischen Aktivisten abgelehnt wird. Auch in Kreisen der syrischen Exilopposition wird ein Dialog mit der Regierung abgelehnt. Die Vertreter des oppositionellen Urgesteins um die Journalisten und Schriftsteller Louay Hussein und Michel Kilo haben Bedingungen gestellt und fordern »vertrauensbildende Maßnahmen« vor einem Dialog: das Recht auf freie und friedliche Demonstrationen, Rückzug von Militär und Geheimdienst und Freilassung aller Gefangenen.


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2011