Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/851: Bahrain - Friedensforscher fordern politische Reformen und Druck des Westens (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. August 2011

Bahrain: Friedensforscher fordern politische Reformen und Druck des Westens

Von Richard Johnson


Brüssel, 3. August (IPS/IDN*) - Inmitten der fortgesetzten Unruhen in der Region Nahost scheint sich Bahrain in die Gruppe der Länder einzureihen, die mit einer "endemischen Instabilität" geschlagen sind. Damit dem Golfstaat ein solches Schicksal erspart bleibe, müsse es langsam aber sicher auf Reformkurs gebracht werden, empfehlen Konfliktforscher der 'International Crisis Group' (ICG) in einem neuen Bericht.

Den USA und anderen westlichen Staaten legt die Studie nahe, ihre Sicherheitshilfe inklusive Lieferungen von Militär- und Polizei-Equipment solange auszusetzen, bis Bahrain seine Menschenrechtsverletzungen einstellt und ernst zu nehmende Schritte in Richtung politischer Dialog einleitet.

Der Denkfabrik in Brüssel zufolge kommt den westlichen Staaten und gerade den USA eine Schlüsselrolle zu. "Washington, das Vermögen und Interessen am Golf hat, wäre gut beraten, seine (Vermittlungs-) Bemühungen zu intensivieren und in Absprache mit einflussreichen Verbündeten wie Großbritannien das Regime in Bahrain von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Zügel zu lockern und bedeutende Reformen einzuleiten."

Für den Fall, dass die Maßnahmen nicht greifen, rät das von Louise Arbour, der ehemaligen UN-Menschenrechtskommissarin, geführte Institut den USA zu weiter gehenden Maßnahmen wie der Kürzung der Militärhilfe. Bahrain wird von der sunnitischen Königsfamilie Al Khalifa regiert, die das ehemals britische Emirat Bahrain 2002 in eine Monarchie umwandelte. Die Minderheit der Sunniten ist seit mehr als 200 Jahren an der Macht. Die Schiiten, die rund 70 Prozent der Bevölkerung stellen, fühlen sich politisch, wirtschaftlich und sozial benachteiligt. Ihre Unzufriedenheit trug maßgeblich zum Ausbruch der Unruhen im Februar bei.


Kompromissbereitschaft entscheidend

An die bahrainische Opposition richtete das ICG den Appell, der Königsfamilie und den Sunniten des Landes glaubhaft zu versichern, dass ihr keineswegs an einem Ende der Monarchie, sondern an einer Ausweitung ihrer politischen Rechte gelegen sei. Auch sollten sie der Regierung signalisieren, dass sie die von Kronprinz Salman bin Hamad bin Isa Al Khalifa Mitte März unterbreiteten Zugeständnisse als Ausgangspunkt für Verhandlungen akzeptierten.

Das ICG forderte die USA und Europa weiter dazu auf, Bahrain zur Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards zu drängen und Verstöße wie willkürliche Festnahmen, Einzelhaft, Folter und den exzessiven Einsatz von Gewalt zur Unterdrückung der Rede- und Versammlungsfreiheit scharf zu kritisieren.

Auch sollte Druck auf Bahrain ausgeübt werden, um die Freilassung der Menschen zu erwirken, die im Zusammenhang mit den Pro-Demokratie-Protesten im Februar und März festgenommen wurden. Prominente Oppositionsführer sind inzwischen zu langen und in acht Fällen zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden. Bei der brutalen Niederschlagung des friedlichen Volksaufstandes kamen mehr als 30 Menschen ums Leben.

Der in Brüssel, Washington und der bahrainischen Hauptstadt Manama am 28. Juli parallel herausgegebene ICG-Bericht forderte ferner die den Schiiten nahe stehende iranische Regierung auf, sich von jeder Rhetorik zu distanzieren, die Sunniten und Schiiten in Bahrain gegeneinander aufbringen könnte.

Die Botschaft der Konfliktforscher an die königliche Familie lautet, dass jede weitere Unterdrückung und Gewalt dem Land eine "endemische Instabilität" bringen werde. Eine Alternative wäre der Dialog und die Bereitschaft zum Aufbau einer konstitutionellen Monarchie, in der die Bürger grundlegende politische Rechte genössen.

"Als ersten Schritt sollte das Regime in Manama eine Reihe vertrauensbildender Maßnahmen ergreifen", heißt es in der ICG-Studie. So müssten die Teilnehmer der friedlichen Pro-Demokratie-Proteste freigelassen, die Stigmatisierung der schiitischen Bevölkerung beendet und die weitere Zerstörung schiitischer Moscheen und Gebetshäuser verhindert werden. Bisher wurden 40 dieser Einrichtungen zerstört.

Der Report fordert die bahrainische Regierung zudem dazu auf, das Klima zu schaffen, das einem direkten Dialog mit der Opposition und allen politischen Gruppierungen förderlich ist. Derartige Verhandlungen könnten die Weichen für bedeutsame politische Reformen stellen, wie sie Bahrains Kronprinz ansatzweise in seinem Sieben-Punkte-Plan vom 13. März 2011 formuliert hatte.

Darüber hinaus drängt das ICG Bahrain, die noch in diesem Jahr erwarteten Untersuchungsergebnisse und Empfehlungen der Bassiouni-Kommission zu veröffentlichen und umzusetzen. Auch müssten Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte geahndet werden. Die Kommission ist nach dem international anerkannten Menschenrechtsexperten Mahmoud Cherif Bassiouni benannt, der das Gremium leitet, und wurde mit der Untersuchung der Gewaltexzesse während der Demonstrationen beauftragt.


Golfstaaten sollen ihre Truppen abziehen

Das ICG appellierte an die Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrates (GCC), "ihre in Bahrain stationierten Truppen baldmöglichst abzuziehen". Sie sollten ferner darauf beharren, dass Bahrain internationale Menschenrechtsstandards einhalte und von jeder sektiererischen Rhetorik Abstand nehme.

So wie sich die Situation derzeit darstellt, steht nach Ansicht der Friedensforscher zu befürchten, dass sich die Krise zu einem Dauerproblem entwickeln könnte, für das Bahrain einen hohen Preis zahlen müsste. Die fortgesetzte Unterdrückung der Bevölkerung werde die Gräben zwischen den Glaubensgemeinschaften noch weiter aufreißen und es bestehe die Gefahr, dass jede Provokation oder Gewalt in eine Explosion münden könnte. Offenbar sei dies genau das, was schiitische und sunnitische Hardliner anstrebten. (Ende/IPS/kb/2011)


* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland unter dem Dach von GlobalNewsHub.Net

Links:
http://www.crisisgroup.org/~/media/Files/Middle%20East%20North%20Africa/Iran%20Gulf/Bahrain/111%20Popular%20Protest%20in%20North%20Africa%20and%20the%20Middle%20East%20VII%20%20Bahrains%20Rocky%20Road%20to%20Reform.pdf
http://www.indepthnews.info/index.php/global-issues/304-bahrain-urged-to-walk-the-road-to-reform

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. August 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2011