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NAHOST/938: Lange Wartezeiten am Grenzübergang Rafah - 'Tor zur Welt' begrenzt geöffnet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2012

Nahost: Lange Wartezeiten am Grenzübergang Rafah - 'Tor zur Welt' begrenzt geöffnet

von Eva Bartlett


Der Grenzübergang in Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten - Bild: © Eva Bartlett/IPS

Der Grenzübergang in Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten
Bild: © Eva Bartlett/IPS

Gaza-Stadt, 5. September (IPS) - Geschlagene sieben Stunden musste der im Gazastreifen lebende Jaber warten, bis seine Frau den ägyptischen Grenzübergang passierte. Er sei morgens um zehn gekommen, andere hätten sich bereits am Vorabend eingefunden, um ihre Angehörigen in Empfang zu nehmen.

Jaber war über die Rückkehr seiner Frau wenige Tage vor dem muslimischen Fest des Fastenbrechens erleichtert. Denn während der dreitägigen Feierlichkeiten blieb der Grenzübergang geschlossen. "Natürlich war ich froh, dass sie meine Frau durchgelassen haben", sagt Jaber. "Doch gleichzeitig empört mich, dass man uns Palästinensern das Recht auf Bewegungsfreiheit abspricht."

Seit dem 25. August ist der Übergang wieder geöffnet. Viele Palästinenser hatten befürchtet, dass das 'Tor zur Welt' wieder einmal für unbestimmte Zeit geschlossen werden würde. Maher Abu Sabha, der die Grenzübergänge im Gazastreifen überwacht, hat zwar Verständnis für die Sorge der Menschen, weist aber darauf hin, dass es durchaus Gründe für eine Schließung gebe.

Er erinnert an den Überfall vom 5. August, bei dem bewaffnete Männer einen ägyptischen Militärkontrollpunkt nahe Rafah überfallen und 16 Soldaten getötet hatten. In den Berichten vieler israelischer und ägyptischer Journalisten wurde gemutmaßt, dass es sich bei den Tätern um Palästinenser handeln könnte.

Die Angreifer wurden bisher nicht gefasst, doch Ägypten machte unmittelbar nach dem Anschlag den Übergang Rafah dicht. "Erst gut eine Woche später, als der Ramadan langsam zu Ende ging, war Rafah aus humanitären Gründen für drei Tage in beide Richtungen passierbar", berichtet Abu Sabha.


Lockerung der Bestimmungen möglicherweise befristet

Da Ägypten die Grenzformalitäten noch nicht klar festgelegt hat, wissen die Palästinenser im Gazastreifen nicht, ob die momentane Lockerung der Bestimmungen von Dauer sein wird. Seit dem Amtsantritt des neuen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi hat sich die Situation für die Bewohner des Gazastreifens verbessert. Unter dem ehemaligen Machthaber Husni Mubarak wurden die Restriktionen strenger gehandhabt.

Für Abu Sabha ist die Lage derzeit unübersichtlich: "Wir warten, was den Grenzübergang Rafah betrifft, immer auf Informationen der ägyptischen Behörden", sagt er. Bisher sei nur bekannt, dass Mursi dem palästinensischen Regierungschef Ismail Haniyeh versprochen habe, den Übergang zwölf Stunden pro Tag geöffnet zu halten.

Nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas-Partei im Gazastreifen 2006 hatte Israel das Gebiet abgeriegelt. Im Juni des darauffolgenden Jahres wurde der Rafah-Grenzübergang geschlossen. Bis März 2009 kam es nur sporadisch zur Öffnung der Grenze.

"Während der härtesten Jahre der Blockade blieb Rafah auf unbestimmte Zeit geschlossen. Wenn der Übergang ab und zu geöffnet wurde, konnten ihn höchstens 400 Personen passieren", berichtet Abu Sabha. "Mubarak gehörte zu den Hauptverantwortlichen für die Schließung. Seit seiner Ablösung können wesentlich mehr Menschen über die Grenze kommen."

Wie Abu Sabha hervorhebt, sind andere Grenzen auf der Welt rund um die Uhr geöffnet. Rafah dagegen sei an Freitagen und an Feiertagen zu und sei ansonsten nur zwischen zehn Uhr morgens und sechs Uhr nachmittags passierbar. Der Unterschied zu anderen Grenzen bestehe auch darin, dass er für die Palästinenser das einzige Tor zur Außenwelt sei.


Einziger Flughafen im Gazastreifen 2001 zerstört

Auf dem Luftweg kann niemand den Gazastreifen verlassen, seit Israel im Jahr 2000 den einzigen Flughafen des Gebiets geschlossen und ein Jahr später bei Bombenangriffen zerstört hat.

Der 35-jährige Mazen Aiysh, der Verwandte in Jordanien besuchen will, pocht auf das Recht auf Bewegungsfreiheit. Iman Salim, eine 58-jährige Frau, beklagt sich darüber, dass sie mit großer Verspätung in ihrer Heimat Jordanien ankommen wird. "Ich wollte eigentlich nicht erst heute zurückfahren, doch die Grenze war geschlossen", sagt sie.

Anders als Abu Sabha mag Jaber nicht so recht daran glauben, dass der Übergang Rafah künftig 24 Stunden lang geöffnet sein wird. "All die Kontrollen und politischen Spielchen erschweren unseren Alltag und nehmen uns den Lebenswillen. Es scheint, als habe niemand ein wirkliches Interesse daran, unsere Probleme zu lösen." (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/08/knocking-on-an-uncertain-gateway-to-the-world/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2012