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NAHOST/959: Ägypten - Erst Präsident, jetzt Pharao, Wut über Mursis neue Machtfülle (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. November 2012

Ägypten: Erst Präsident, jetzt Pharao - Wut über Mursis neue Machtfülle

von Cam McGrath


Demonstrant in Kairo, der gegen Staatschef Mursi auf die Straße gegangen ist - Bild: © Cam McGrath/IPS

Demonstrant in Kairo, der gegen Staatschef Mursi auf die Straße gegangen ist
Bild: © Cam McGrath/IPS

Kairo, 26. November (IPS) - Als Mohammed Mursi im Juni vereidigt wurde, äußerten politische Beobachter die Sorge, dass der erste demokratisch gewählte Staatspräsident in der Geschichte Ägyptens lediglich ein Diener des Militärrats sein werde, der nach dem Sturz von Ex-Diktator Husni Mubarak Anfang 2011 die Macht übernahm.

Bis August gelang Mursi jedoch ein politischer Coup. Er erließ ein Dekret, das dem Militärrat seine Führungsrolle entzog und allein dem Präsidenten die Kontrolle über Regierung und Gesetzgebung übertrug. Mit seinem jüngsten Erlass vom 22. November wollte er seine Macht weiter ausbauen, indem er die Justiz, eine der letzten Institutionen, die seine islamistische Regierung kritisiert hatte, neutralisierte. Doch damit ging er offenbar zu weit.

"Seit der Zeit der Pharaonen hat kein Führer in Ägypten eine solche Machtfülle besessen", kritisiert Ahmed Hamid, ein Demonstrant auf dem Tahrir-Platz in Kairo. "Selbst Mubarak wagte nicht, so weit zu gehen - und man sieht, was ihm trotzdem passiert ist."

Mursis Entscheidung, seine Macht selbst auszuweiten, hat im Land einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Die Proteste gegen die Machterweiterung forderten am 25. November ein erstes Todesopfer. Die Gegensätze zwischen seinen Unterstützern - in erster Linie Mitgliedern der Muslim-Bruderschaft und anderer konservativer islamischer Gruppen - und den liberalen, weltlich ausgerichteten Ägyptern spitzt sich zu.

Die Proteste richten sich vor allem gegen eine Klausel, der zufolge die Entscheidungen des Staatschefs von keiner Behörde ausgesetzt oder widerrufen werden können. "Durch das Dekret werden Entscheidungen des Präsidenten verbindlich, und die Justizbehörden können sie nicht mehr überprüfen. Das ist eine Rückkehr zu einer Herrschaft im Stile Mubaraks, allerdings ohne die kosmetischen Tricks, mit denen das frühere Regime seine autoritäre Vorgehensweise rechtfertigte", schrieb der Journalist Hesham Sallam in einem Leitartikel. Mursi nehme sich auch das Recht heraus, "alle Maßnahmen zu ergreifen, die er zum Erhalt der Revolution, der nationalen Einheit und der nationalen Sicherheit für notwendig hält.

Kritiker ziehen Vergleiche zu den Notstandsgesetzen unter Mubarak, die es den Sicherheitskräften ermöglichten, willkürlich Menschen festzunehmen und sie zu foltern. Für die Inhaftierung politischer Gegner musste sich niemand rechtfertigen. Mursi kündigte inzwischen Gespräche mit dem Richterrat über die umstrittenen Machtbefugnisse an. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ipsnews.net/2012/11/briefly-president-now-pharaoh/

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IPS-Tagesdienst vom 26. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2012