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NAHOST/978: Iran - Keine Kurskorrektur in Sicht, Regime treibt Atomprogramm weiter voran (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2013

Iran: Keine Kurskorrektur in Sicht - Regime treibt Atomprogramm weiter voran

von Jasmin Ramsey



Washington, 27. März (IPS) - Obwohl die US-Sanktionen die Wirtschaft des Irans schwer belasten, sind viele US-Experten davon überzeugt, dass die Regierung in Teheran ihr umstrittenes Atomprogramm weiterverfolgt. Nach einer am 26. März veröffentlichten Studie des 'National Iranian American Council' (NIAC) "gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen den vorgegebenen Zielen der Sanktionspolitik und den tatsächlichen Ergebnissen der Sanktionen."

Laut dem Report, der auf Interviews mit hochrangigen iranischen Beamten, Analysten und Unternehmern basiert, haben wichtige Interessensgruppen des iranischen Regimes bis jetzt keine Voraussetzungen für eine solche Kurskorrektur geschaffen oder in Teheran für einen Strategiewechsel geworben.

"Das iranische Atomprogramm scheint von den Sanktionen nicht beeinträchtigt zu werden oder es wird schlimmstenfalls sogar noch durch die verschärften Maßnahmen vorangetrieben. Die als Druckmittel verwendeten Sanktionen geben dem Iran den Anreiz, aus genau diesem Grund sein Programm weiterzuentwickeln", schreiben die Autoren Bijan Khajehpour, Reza Marashi und Trita Parsi.

"Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich das Regime dem Druck der Sanktionen beugen wird, weil seine Argumentation nicht in Frage gestellt wird, wichtige Interessensgruppen keine sichtbare Lobbyarbeit in Richtung eines Strategiewandels betreiben und die Gruppe der P5+1-Länder keine entsprechende Lockerung der Sanktionen anbietet. Eine Kapitulation wird als größere Bedrohung für das Überleben des Regimes gesehen als eine militärische Konfrontation mit den USA", heißt es in dem Bericht.


Entgegenkommen ausgeblieben

Tatsächlich ist Teheran der P5+1-Gruppe aus USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China plus Deutschland auch nach vier Verhandlungsrunden über die von den Vereinten Nationen genehmigten Sanktionen zwischen 2006 und 2010 sowie nach einem 40-prozentigen Wertverlust der iranischen Währung im vergangenen Jahr nicht entgegengekommen.

"Die Strafmaßnahmen haben demnach bisher keine signifikanten Zugeständnisse seitens des Irans zur Folge gehabt, weil die Iraner kaum Grund zu der Annahme haben, dass solche Konzessionen ihre Lage deutlich erleichtern würden", sagte Paul Pillar, ein ehemaliger hochrangiger CIA-Mitarbeiter.

Mark Dubowitz, der Exekutiv-Direktor der 'Foundation for Defense of Democracies' in Washington, bezeichnete die Sanktionen der USA und der EU als "enttäuschend". Nur ein "Wirtschaftskrieg" könnte den Iran dazu zwingen, sein Nuklearprogramm abzubrechen, schrieb Dubowitz im Juni 2012 in einem Beitrag auf der Website 'foreignpolicy.com'. "Wenn dies nicht ausreicht, um (Revolutionsführer Ayatollah Ali) Chamenei zu einem Abkommen zu bewegen - und leider gibt es keine Hinweise in diese Richtung - muss der Präsident das Land so einen, dass es sich über die Sanktionen hinwegsetzt und sich auf US-Militärschläge gegen das iranische Atomwaffenprogramm vorbereitet."

Pillar kritisiert, dass Sanktionen als Alternative zu Militäraktionen in Erwägung gezogen werden. "Bei der verbreiteten Vorstellung von Sanktionen und militärischen Angriffen als zwei alternativen Wegen zur Lösung ein und desselben Problems erweist es sich als Trugschluss, wenn die Strafmaßnahmen isoliert betrachtet werden, ohne Berücksichtigung der Diplomatie, die die Sanktionen begleiten muss, damit diese etwas bewirken", sagte der ehemalige Geheimdienstoffizier, der von 2000 bis 2005 für den Nahen Osten und Südasien zuständig war.

"Einfach weitere Sanktionen zu verhängen, ohne die notwendigen Anreize zu liefern, würde wahrscheinlich nur das Risiko einer Hängepartie erhöhen, die zu einem militärischen Konflikt führt. Der Grund wäre zum einen, dass der Iran sich in seinem Glauben bestärkt sähe, dass der Westen mehr an einem Regimewechsel als an einem Abkommen interessiert sei. Zudem würden diejenigen Personen in den USA und Israel ermutigt, denen ein Krieg willkommen wäre, um damit zu argumentieren, dass die Sanktionen 'ausgereizt' seien und als einzige Option nur noch ein Militärangriff bleibe", erklärte Pillar.

Obwohl angenommen wird, dass der iranische Revolutionsführer den Ansichten der USA in jedem Fall misstraut, ob nun Sanktionen im Spiel sind oder nicht, hält Ahmad Sadri, ein Iran-Experte am 'Lake Forest College' im US-Bundesstaat Illinois einen Wandel in der iranischen Atompolitik für möglich.

"Das Zwangsmittel der Sanktion hat Chamenei keinen Zweifel daran gelassen, dass Amerika nicht auf eine Einigung zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms aus ist. Er denkt, dass das Ziel nichts weniger als ein Regimewechsel ist", sagte Sadri. "Obwohl der Fall bereits mit einem Vorurteil behaftet ist, sprechen wir weiterhin über motivierte Unterhändler", kritisierte er.


Wirtschaftlicher Druck trifft vor allem ärmere Bevölkerung

"Auch wenn die iranische Wirtschaft von einem Kollaps weit entfernt ist, spüren die ärmeren Schichten den Druck der Preisexplosion. Die Sanktionen haben aber keine direkten politischen Auswirkungen, sie sind nicht klug und schaden den normalen Bürgern. Die Regierung ist aber daran interessiert, sie zu beenden."

Nach Ansicht von Sadri können die P5+1-Staaten nur dann erreichen, dass der Iran auf ihre Forderungen eingeht, wenn die Gruppe sich dem Iran und dem diplomatischen Prozess auf eine andere Weise nähert. "Sie müssen den Stillstand beenden, ohne ein Land mit einer Geschichte von 2.500 Jahren sowie einer 200-jährigen Kolonialvergangenheit zu erniedrigen. Sie müssen in gutem Glauben verhandeln und dem Iran einen Kompromiss vorschlagen, durch den das Land sein Gesicht nicht verliert."

Iran und die P5+1-Gruppe wollen sich erneut am 5. und 6. April in der kasachischen Stadt Almaty treffen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.niacouncil.org/site/DocServer/Never_give_in__never_give_up.pdf?docID=1941
http://www.defenddemocracy.org/
http://www.lakeforest.edu/
http://www.ipsnews.net/2013/03/irans-nuclear-activities-go-on-despite-sanctions/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2013