Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

OSTEUROPA/293: Moldawien - Sind die Wahlen rechtmäßig? (Falkenhagen/Queck)


Moldawien: Neuer Parlamentspräsident gewählt. Doch sind die Wahlen rechtsmäßig?

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 31. August 2009


Am Freitag, den 28. August 2009, konstituierte sich das neue Parlament.
In Abwesenheit der bisher regierenden Kommunistischen Partei hat das neue Bündnis, die "Allianz für europäische Integration" den Chef der Liberalen Partei, Mihai Ghimpu, schließlich zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Wie kam es dazu?
Vlad Filat - Hauptbetreiber eines schnellen NATO-Beitritts Moldawiens - war doch bis vor kurzem von der Liberaldemokratischen Partei als Kandidat für den Posten eines neuen Parlamentsvorsitzenden vorgeschlagen worden!!
Dieser Politiker, ein gestandener Neoliberaler, ist als ehemaliger Generaldirektor des "Amtes für Privatisierung und Verwaltung des Staatseigentums" seit 1999 für die Liberale Partei, die damals Regierungsverantwortung hatte, aktiv und hatte von März bis November 1999 den Posten eines Staatsministers der moldawischen Regierung inne. Durch starke Proteste im Inland musste er damals seinen Posten wegen des Rufes, einer der korruptesten Politiker Moldawiens zu sein, räumen. Nach den Wahlen im April 2009 und dem dritten Wahlsieg der Kommunisten in Folge bei Parlamentswahlen war Filat einer der maßgebenden Organisatoren der Demonstrationen und Krawalle gewesen, die sich gegen das Wahlergebnis richteten. Er trägt auch Mitverantwortung für die in diesem Zusammenhang erfolgten Zerstörungen im Parlamentsgebäude und in weiteren öffentlichen Gebäuden. Dann betrieb er maßgeblich den Boykott der Wahl der neuen moldawischen Präsidentin, als von der Kommunistischen Mehrheitspartei die parteilose Zinaida Greceani vorgeschlagen worden war. Die Verfassungsbestimmung, die die Neutralität Moldawiens vorschreibt, wollte er mit seinem Machtantritt durch ein Referendum ändern lassen. Filat hatte sich deshalb, wie auf seiner persönlichen Homepage zu erfahren ist, wiederholt mit dem USA-Botschafter in Chisinau, Asif Chaudhry, sowie wichtigen Amtspersonen Rumäniens getroffen, da er, wie man in Insiderkreisen weiß, auch ein Befürworter des Anschlusses Moldawiens an Rumänien ist.
Vor einigen Tagen wurde nun im Parlament darüber debattiert, dass Vlad Filat in den Jahren 1998-1999 in einen der großen Immobilienskandale des Landes verwickelt, sowie wegen des Zigarettenschmuggels zwischen Moldawien und Rumänien vor einem Gericht in Bukarest angeklagt worden war. Nur wegen seines damaligen hohen Staatspostens sei dieser Gerichtsprozess seiner Zeit niedergeschlagen worden. Im moldawischen Parlament kam es aufgrund der bestehenden Korruptionsaffäre zu Auseinandersetzungen und Filat wurde am 28. August nicht zum Parlamentsvorsitzenden gewählt.
Die Kommunisten wiesen die Wahl von Mihai Ghimpu zum Parlamentspräsidenten am 28.8.09 als unrechtmäßig zurück. Wer ist Mihai Ghimpu? Er wurde am 19. November 1951 im Dorf Koloniza nahe der moldauischen Hauptstadt Chisinau geboren und hat später an der dortigen Hochschule Jura studiert. Ghimpu leitete juristische Abteilungen moldauischer Unternehmen und arbeitete schließlich als Richter in einem Bezirksgericht von Chisinau. Ghimpu ist Mitbegründer der Volksfront Moldawiens (VFM). 1990 wurde er als VFM-Vertreter ins Parlament gewählt. 1993 trat Ghimpu aus dieser Organisation aus und war dann von 1994-1998 Parlamentsabgeordneter vom Block der Bauern und Intellektuellen.
Ab 1997 leitete er die Partei der Reformen. Im April 2005 wurde diese Partei in Liberale Partei Moldawiens umbenannt.
Von 2007-2008 war Mihai Ghimpu als Vorsitzender des Stadtrats von Chisinau tätig. Der 58-jährige Ghimpu steht für engere Beziehungen zu der Europäischen Union und ist bestrebt, die ehemalige Sowjetrepublik der russischen Einflusssphäre zu entziehen. Stattdessen strebt er wie vormals Filat eine Wiedervereinigung mit dem benachbarten Rumänien, einem Mitgliedstaat der EU, an.
Sollten die am 28.8.09 stattgefundenen Wahlen des Parlamentspräsidenten anerkannt werden, hat das Parlament einen Monat Zeit, einen Nachfolger für den kommunistischen Staatschef Woronin zu bestimmen. Dies dürfte sich als schwierig erweisen, da die pro-westliche Koalition bei der Parlamentswahl im Juli nur auf 53 von 101 Sitzen kam. Die restlichen Stimmen wurden für die Kommunistische Partei Moldawiens abgegeben. Zur Wahl eines neuen Präsidenten sind jedoch mindestens 61 Stimmen erforderlich.
Sollte sich keine Abgeordnetenmehrheit für einen neuen moldawischen Präsidenten finden, müssten die politischen Karten in Moldawien neu gemischt werden. Erneut stünden Neuwahlen ins Haus. Doch man muss wissen, dass die Verfassung Moldawiens nur 2 Wahlen im Jahr zulässt! Deshalb wäre es durchaus möglich, dass Woronin vorläufiger Staatspräsident Moldawiens bleibt.


Quellen:
www.moldova.md/md7newslst/1211/1/3281/
www.rg.ru/2009/08/16/moldova-site.html
www.filat.md/blog/
www.rg.ru/2009/2008/20/nato-mold-site-anons.html
http://de.rian.ru/postsowjetischen/20090828/122885708.html


*


Quelle:
Copyright by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
August 2009
mit freundlicher Genehmigung der Autoren
      


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2009