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OSTEUROPA/311: Moldawien - erneuter Versuch der Präsidentenwahl am 7. Dezember 2009 (Falkenhagen/Queck)


Am 7. Dezember soll Marian Lupu im dritten Wahlversuch zum neuen moldawischen Präsidenten gewählt werden.

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck


Am 7. Dezember 2009 soll das moldawische Parlament zusammentreten, um erneut zu versuchen, einen moldawischen Staatspräsidenten zu wählen. Dieses Mal müsste die Wahl funktionieren, und zwar schon aus Verfassungsgründen. Die verfassungsrechtlich zulässige Amtsdauer des Interimspräsidenten Ghimpu in seiner Eigenschaft als Parlamentsvorsitzender war schon am 10. November 2009 abgelaufen. Wenn die Wahl des verfassungsmäßigen Staatspräsidenten erneut scheitert, müssten laut gültiger moldawischer Verfassung zu Beginn 2010 Neuwahlen zum Parlament ausgeschrieben werden. Alles andere wäre Verfassungsbruch.

Nun müsste Marian Lupu, um mindestens die verfassungsmäßig geforderten 61 Stimmen (Dreifünftelmehrheit der Abgeordneten) für seine Wahl zu erhalten, auch mindestens 8 Stimmen der mit 48 Abgeordneten im Parlament vertretenen Kommunistischen Partei (PCRM) bekommen (die Allianz für europäische Integration verfügt nur über 53 Mandate). Um das abzusichern, ist Marian Lupu in Verhandlungen mit der Führung der PCRM getreten. Am Donnertag, den 26. November, (aktualisiert am 27. November) stellte Lupu Prinzipien der Kooperation mit den Kommunisten vor. Darin werden der PCRM als parlamentarischen Opposition mehrere Garantien gegeben und auch Funktionen angeboten.

Das Angebotspaket enthält 12 Punkte. Es kann zur Findung eines Kompromisses zwecks Vermeidung einer Staatskrise noch erweitert werden, heißt es in dem Dokument.
Im Falle seiner Wahl zum Staatsoberhaupt sagt Marian Lupu den Kommunisten die Verabschiedung eines Gesetzes über die Rolle der parlamentarischen Opposition zu und gewährt der Kommunistischen Partei das Recht, die Leitung des Rechnungshofes und der Zentralen Wahlkommission maßgeblich zu bestimmen, ferner will er als Staatspräsident eine sozial orientierte Politik gewährleisten. Marian Lupu garantiert die Respektierung des Neutralitätsstatus von Moldawien und verspricht, eine Politik der Reintegration des Landes auf der Basis der Souveränität und territorialen Integrität des Landes zu betreiben, wofür alle politischen Kräfte des Parlaments zu konsultieren sind. Lupu gibt die Versicherung ab, dass Bürgermeister- und Gemeindevorstandsposten ohne Unterscheidung nach Parteien zu vergeben sind. Das gilt auch für Managerfunktionen in Wirtschaftsunternehmen.

Bezüglich des öffentlichen audiovisuellen Sektors (Rundfunk, Fernsehen, Internet usw.) wird von Lupu dessen Organisierung im Geiste der Minimierung des politischen Einflusses bei der Bestimmung der Mitglieder der Leitungen insbesondere der CCA; CO und TMR garantiert.

Das Dokument nennt die Notwendigkeit eines gleichgewichtigen Herangehens an die historischen Probleme der Republik Moldawien, die Förderung des Geistes des Dialogs und politischen Kompromisses sowie die Bekämpfung von Erscheinungen des Irredentismus (einer Geisteshaltung der Bereitschaft zur Abtretung von Gebieten mit nationalen Minderheiten sowie zur Aufgabe der eigenen Staatlichkeit bzw. einer Anschlussideologie), die die Souveränität des Landes untergraben können.

Mark Tkaciuk. Abgeordneter der PCRM, erklärte gegenüber der Presse, dass die betreffenden Vorschläge geprüft werden. Er will auch hervorgehoben wissen, dass die Kollegen der "Allianz für europäische Integration" (bestehend aus der Liberaldemokratischen Partei, der Liberalen Partei, der Demokratischen Partei, deren Vorsitzender Marian Lupu ist, und der Allianz "Unser Moldawien") keine Motive verspüren, sich als Sieger zu fühlen.

Aus dem vorliegenden Dokument geht nicht hervor, inwieweit es mit den anderen Mitgliedern der "Allianz für Europäische Integration" abgestimmt ist.

Überraschend unterbreitete der Parlamentsvorsitzende und Interimspräsident Ghimpu am 2. Dezember 2009 den Vorschlag zur Einsetzung einer Kommission zur Verfassungsreform mit dem Ziel der Beschlussfassung über ein Gesetz zur Verfassungsänderung, das die Wahl des Staatspräsidenten bereits mit 51 Stimmen im 101-köpfigen Parlament ermöglichen soll. Falls er damit nicht durchkommt "hätte er ein weiteres Ass im Ärmel", erklärte er. Die Verfassungsbestimmung, dass eine derartige Verfassungsänderung nur mit Zweidrittelmehrheit im Parlament erfolgen kann, will er mit Hilfe eines Referendums unterlaufen. Das Projekt des neuen Gesetzes zur Verfassungsänderung will er der "Venezianischen Kommission" (einer EU-Kommission) zur Absegnung zuleiten.

Es erheben sich folgende Fragen:
1. Geht Ghimpu bereits von einem Scheitern der Wahl des verfassungsmäßigen Staatspräsidenten am 7. Dezember 2009 aus und soll es an diesem Tag gar nicht zur Wahl des Staatpräsidenten kommen?
2. Oder will er die Kommunisten im Parlament unter Druck setzen?

Quellen:
www.moldova.md/md/newslst/1211/1/3391/;
www.moldova.md/md/newslst/1211/1/3393/;


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Quelle:
Copyright 2009 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2009