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OZEANIEN/023: Australien - Rückkehr zum harten Kurs in der Flüchtlingspolitik (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 34 vom 24. August 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

"Concentration Camps" und unbefristete Schwebehaft
Australien kehrt zurück zum harten Kurs in der Flüchtlingspolitik

von Mark Hadyniak



Vergangene Woche einigten sich die großen Parteien Australiens, angeführt von der regierenden Labour-Party von Premierministerin Julia Gillard, darauf, in der Flüchtlingsproblematik wieder rigider durchzugreifen. Es ist die Rückkehr zu einer Praxis, die bis vor fünf Jahren bestand hatte und unter Gillards Vorgänger Kevin Rudd (ebenfalls Labour-Party) abgeschafft wurde, da sie von Menschenrechtsorganisationen und der UN scharf kritisiert worden war.

Konkret beinhaltet diese Art von Asylpolitik, dass Flüchtlinge, die per Boot Australiens Küsten erreichen, in Lagern außerhalb der australischen Staatsgrenze auf unbestimmte Zeit interniert werden können. Dort wird dann über ihren weiteren Verbleib bzw. ihre Abschiebung entschieden. Solche Lager existieren zum Beispiel auf dem Inselstaat Nauru oder auf dem zu Papua-Neuguinea gehörenden Manus Island. Weitere Einrichtungen sind in Planung. Als Erweiterung der bisherigen "pazifischen Lösung" sollen künftig Flüchtlingsboote vor Erreichen der Küste abgefangen und einfach zurückgeschickt werden - selbstverständlich nur dann, wenn die ASIO (Australischer Inlandsgeheimdienst) sie als "sicher" und "fahrtüchtig" einstuft.

Bereits vor einigen Wochen hatte die Australische Menschenrechtskommission einen Bericht veröffentlicht mit dem dringlichen Appell die Praxis von Internierungen in den "concentration camps" sofort zu beenden. Gefordert wird eine Einzelfallbetrachtung der neuangekommenen Flüchtlinge, unabhängig von der Art der Ankunft. Desweiteren sollen Flüchtlinge die "kein unakzeptables Risiko für die Öffentlichkeit darstellen" in Gewahrsam der Gemeinden übergeben werden und schnellstmöglich Übergangs-Visa ausgestellt bekommen. Die Kommission argumentierte, dass die Methode der unbefristeten Internierung mit den internationalen Verpflichtungen des Staates nicht vereinbar sei. Asylsuchende müssen die Möglichkeit bekommen Schulungen zum Erlernen der englischen Sprache zu besuchen, auch die Kinder müssen eine Art von Schulunterricht erhalten. Asylsuchende haben ein Recht auf Arbeit und, sofern sie keinen Arbeitsplatz finden, muss die Grundversorgung gesichert sein.

Große Wellen hatte zuvor der Fall der 33-jährigen Migrantin Ranjini aus Sri Lanka gemacht. Ranjini lebte mit ihrem zweiten Ehemann Ganesh und ihren Kindern Pirai (8) und Kathir (6) seit ihrer Entlassung aus der "Flüchtlingshaft" vor über einem Jahr in Melbourne. Sie und ihre Söhne haben alle Hürden zur Freilassung aus dem Gewahrsam genommen und begannen allmählich das Trauma der Bürgerkriegserfahrungen in ihrem Heimatland zu verarbeiten. Dann aber entschied die ASIO, dass Ranjini ein Sicherheitsrisiko darstellt. Bewaffnete Sicherheitskräfte stürmten die Wohnung der Familie und Ranjini und ihren Söhnen wurden fünf Minuten Zeit gelassen ihre Sachen zu packen und sich von Ganesh zu verabschieden, bevor sie nach Sydney in die erneute "Flüchtlingshaft" verfrachtet wurden - Ranjini hatte nur Tage zuvor festgestellt, dass sie wieder schwanger sei.

Laut Zahlen, die von der KP Australiens veröffentlicht wurden, leben im Augenblick 51 Asylsuchende in dieser legalen Schwebehaft in Sydney. Sie dürfen nicht wieder in die australische Gesellschaft integriert werden. Es ist eine lebenslange Sicherheitsverwahrung - ohne dass sie jemals erfahren werden, warum sie eigentlich verhaftet wurden. Es wäre ihnen wohl gestattet in ihr Heimatland zurückzukehren - auf eigene Kosten selbstverständlich. Aber für die meisten von ihnen würde das ein lebensgefährliches Risiko darstellen. Die ASIO bestätigte das auch im Fall Ranjini. Natürlich dürften die Inhaftierten sich ein Drittland ihrer Wahl aussuchen, aber welches Land nimmt als "Sicherheitsgefahr" eingestufte Menschen auf?

Amnesty International berichtet über die verheerenden Folgen auf die mentale Gesundheit der ohnehin traumatisierten Asylsuchenden. Das Leben hinter Stacheldraht zermürbt auch die letzten Hoffnungen. Steigende Selbstmordraten beweisen das. Angesichts solcher Aussichten verwundert es auch nicht, dass über 70 Prozent aller Flüchtlinge in Verwahrung Anti-Depressiva, Beruhigungs- bzw. Schlaftabletten nehmen - verschrieben und gestiftet vom australischen Staat.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 34 vom 24. August 2012, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012