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AUSTAUSCH/275: Moskau - Stadt mit vielen Gesichtern (Portal - Uni Potsdam)


Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung 1-3/2009

Moskau - Stadt mit vielen Gesichtern
Jura-Studentin Viktoria Maksimowa faszinierten Metropole und Ausbildung

Von Viktoria Maksimowa


Ein Jahr Auslandsstudium liegt hinter Viktoria Maksimowa. Die Potsdamerin hatte an der Moskauer Staatlichen Akademie für Rechtswissenschaften ihr Jura-Studium fortgesetzt und kehrt in Kürze nach Hause zurück. Dass in Moskau sehr viel mehr Europa steckt als zunächst gedacht, gehört zu den prägenden Eindrückenden, die sie sammelte. Aber auch die Ausbildung an der Akademie erwies sich als im Vergleich zu Deutschland sehr anders. Disziplin und Leistungsdruck sind höher, das angebotene Fächerspektrum breiter.


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Bereits vor einigen Jahren hatte ich beschlossen, zum Studium einmal nach Moskau zu gehen. Es muss schließlich nicht immer Amerika, England oder Frankreich sein. Neben dem Gedanken, Sprachkenntnisse perfektionieren zu wollen, reizte auch der soziale Aspekt. Anders als in alteuropäischen Ländern, befindet sich das Leben in Moskau im Aufbruch: viele Dinge geschehen sehr viel schneller und häufig auch chaotischer als gewohnt.

Voller Abenteuerlust machte ich mich vor gut einem Jahr als erste Potsdamer Studentin auf den Weg zur Staatlichen Akademie für Rechtswissenschaften. Entgegen meiner etwas verschwommenen Vorstellungen von den Lebensumständen, die mich hier erwarten sollten, musste ich feststellen, dass in Moskau sehr viel mehr Europa steckt als gedacht. Ich bekam ein schönes möbliertes Einzelzimmer in einem neuen Wohnheim, etwa eine halbe Stunde Metrofahrt von der Akademie entfernt, welches mich nur 40 Euro im Monat kostete. Mit der Metromonatskarte für nur fünf Euro reduzierten sich die Lebenshaltungskosten um ein Vielfaches im Vergleich zu Deutschland. Sehr gewöhnungsbedürftig dagegen waren die im Wohnheim herrschenden strengen Regeln, die das ungezwungene Studentendasein in Deutschland vermissen ließen. Neben der Korridoraufsicht auf jeder Etage des Wohnheims gab es noch zwei Sicherheitsbeamte am Hauseingang, die die Identität kontrollierten, denn niemand Fremdes durfte rein, es sei denn man bekam angekündigten Besuch von der Familie. Von Mitternacht bis 6.00 Uhr morgens blieben die Türen für alle geschlossen, ebenso die Küche und die Duschen.

Die Moskauer Staatliche Akademie der Rechtswissenschaften zählt zu den besten drei russischen Universitäten: Sie ist unweit vom Roten Platz gelegen, im schönen Barock-Stil und mit modernem Springbrunnen im Hof. Den ausländischen Studenten werden an dieser Einrichtung viele Freiheiten gelassen. Aus der Fülle der Fächer aller vier Jahrgangsstufen und mehrere Instituten der Akademie durfte ich diejenigen Fächer auswählen, die mich besonders interessieren. So entsteht die Möglichkeit, sehr spezielle Rechtsgebiete kennen zu lernen, um sich anschließend leichter im Studium orientieren zu können. Dabei wird in der Akademie vor allem auf eine vielseitige Bildung Wert gelegt, was Fächer wie Mathematik, Logik, Philosophie oder Politologie erklärt. Jedes Semester befinden sich auch Fächer im Angebot, welche lediglich ein Semester dauern und somit einen grundlegenden Überblick über ein Rechtsgebiet geben. Das ist für Austauschstudenten, die hier nur kurzweilig studieren, sehr attraktiv. Prüfungen dürfen in allen Fächern gemacht werden.

Das Bildungssystem, welches an der Akademie gepflegt wird, war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig: Anders als in Deutschland wird in der Vorlesung sehr viel diktiert und an Stelle einer freien Mitarbeit tritt eine anderthalbstündige mündliche Leistungskontrolle in jedem Fach, der sich jeder Student täglich stellen muss. Hier versucht man mit Disziplin, Leistungsdruck und täglichen -kontrollen die Studenten zur semesterlangen Mitarbeit zu animieren. Ein Durchsetzungsinstrument ist dabei das "Abarbeiten" - abends nach Vorlesungsschluss, für jedes verpasste Seminar. Doch selbstverständlich bleiben Austauschstudenten davon erst einmal verschont.

Moskau selbst strahlt einen besonderen Reiz aus - unheimliche Menschenansammlungen im Stadtinnern, denen man nirgends entfliehen kann. Das sorgt für Stress, der auf Dauer an den Kräften zerrt, aber auch viele Vorteile mit sich bringt: täglich neue Ausstellungseröffnungen, Theaterpremieren, Kunstfestivals - das Kulturangebot lässt selbst die deutsche Hauptstadt, die Kunststadt Berlin, alt aussehen. Für Kulturliebhaber ist es ein Paradies auf Erden, das schier unerschöpflich scheint.


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Quelle:
Portal - Die Potsdamer Universitätszeitung Nr. 1-3/2009, Seite 10
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. März 2009