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BERUF/1851: Niedersachsens schwierige Situation in der Berufsausbildung (idw)


Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) - 18.12.2017

Niedersachsens schwierige Situation in der Berufsausbildung


Fast unbemerkt von Politik und Öffentlichkeit hat sich das deutsche Berufsbildungssystem im letzten Jahrzehnt gravierend verändert: Das duale System ist auf dem Rückzug, sein Ausbildungsplatzangebot verringerte sich um 12 % bundesweit, und das bei beträchtlichem Beschäftigungswachstum. Den Berufsschulen kommen immer mehr Aufgaben in der Berufsausbildung zu. Von einer "Verschiebung des dynamischen Zentrums im Berufsbildungssystem von der dualen zur berufsschulischen Ausbildung" spricht der "Ländermonitor berufliche Bildung 2017", der vom SOFI (Prof. Baethge) und der Abteilung Wirtschaftspädagogik der Universität Göttingen (Prof. Seeber) im Rahmen der Bertelsmann-Stiftung erarbeitet wurde.

Auch Niedersachsen kann sich den bundesweiten Trends nicht entziehen und wird sich auf die neuen Entwicklungen in seiner Berufsbildungspolitik einstellen müssen. In den alten Bundesländern hat sich eine Spaltung des Ausbildungsstellenmarkts zwischen Norden und Süden stabilisiert: Jugendliche in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein haben deutlich geringere Chancen, in eine duale Ausbildung zu gelangen als ihre Altersgenossen in Bayern oder Baden-Württemberg. Zwar ist das betriebliche Ausbildungsplatzangebot in Niedersachsen weniger stark zurückgegangen als im Bundesdurchschnitt, allerdings auch von einem niedrigeren Ausgangsniveau her.

Obwohl sich die Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) im dualen System aufgrund des demografisch bedingten Nachfragerückgangs etwas verbessert hat, bleibt Niedersachsen wie in der Vergangenheit 2016 unter den Ländern mit der ungünstigsten ANR (89 %) und mit 47 % dem niedrigsten Anteil dualer Ausbildungen an den Neuzugängen zur dualen Berufsausbildung im Ländervergleich. Ebenso rangiert Niedersachsen bei den Neuzugängen zum Schulberufssystem zusammen mit Baden-Württemberg an letzter Stelle der Bundesländer. Bei beiden vollqualifizierenden Ausbildungssystemen ist das Land gefordert, Ausbauimpulse zu setzen, wenn es den Fachkräftebedarf sichern will.

Aber nicht nur drohende Fachkräfteengpässe sind zu vermeiden, sondern auch soziale Schieflagen zu korrigieren: In Niedersachsen sind Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss und ausländische Jugendliche beim Zugang zur Ausbildung stark benachteiligt - eine Situation, die sich durch den Zuzug von Schutz und Asylsuchenden weiter zu verschärfen droht. Zudem bestehen starke regionale Chancendifferenzen. Jugendliche in den nordwestlichen Arbeitsagenturbezirken (Celle, Emden-Leer, Stade, Nordhorn) haben eine um etwa 20 % geringere Chance, in eine vollqualifizierende Ausbildung einzumünden, als Jugendliche in Hannover oder Osnabrück. Die Autor/innen des Ländermonitors berufliche Bildung 2017 konstatieren daher: "Sowohl aus ökonomischen Leistungs- als auch aus sozialen Gerechtigkeitsgründen ist das Land Niedersachsen gehalten, mit seiner Berufsbildungspolitik die beträchtlichen Disparitäten im Land zu verringern."



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1656

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI),
Dr. Jennifer Villarama, 18.12.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2017

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