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HOCHSCHULE/1956: Bolognakriterien wurden bei überfachlichen Qualifikationen bisher nicht definiert (idw)


Nordakademie - Hochschule der Wirtschaft - 08.06.2015

Bolognakriterien wurden bei überfachlichen Qualifikationen bisher nicht definiert


In den vergangenen 16 Jahren gab es so gut wie keine Versuche, die Bolognakriterien bei überfachlichen Qualifikationen genau zu definieren. Beim diesjährigen Assessment-Center der NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft, in Elmshorn bei Hamburg wurden die bisher fehlenden Kriterien für wissenschaftliche Befähigung, zivilgesellschaftliches Engagement, Persönlichkeitsentwicklung und Berufsbefähigung von Experten erstmals in Ansätzen erarbeitet.


Bologna, die Stadt mit der ältesten Universität Europas, im Juni 1999: Vertreter von 29 europäischen Ländern unterzeichnen die sogenannte Bologna-Erklärung. Damit wird ein zweistufiges Studiensystem (Bachelor und Master) beschlossen mit Leistungspunkten und vergleichbaren Abschlüssen für europäische Universitäten und Hochschulen. Das Ziel ist ein einheitlicher europäischer Hochschulraum mit ebenso einheitlichen Kriterien für die Anerkennung von Studienleistungen. Damit verbunden sein soll die Integration von überfachlichen Qualifikationen wie wissenschaftliche Befähigung, zivilgesellschaftliches Engagement, Persönlichkeitsentwicklung und Berufsbefähigung (Employability). Was bis heute fehlt, sind verhaltensnahe Definitionen dafür. Aktuell legen Hochschulen in ihren Studiengängen diese Kriterien uneinheitlich aus. "Vergleiche sind jedoch für die Hochschulentwicklung besonders wichtig, denn daran können sich die Institutionen messen", sagt David Scheffer, Professor für Personalmanagement an der NORDAKADEMIE Elmshorn.

Ein Forschungsteam der NORDAKADEMIE unter Leitung von Prof. David Scheffer hat jetzt im Rahmen des jährlichen Assessment-Centers (AC) der Hochschule die fehlenden Kriterien der Berufsbefähigung der wissenschaftlichen Befähigung, des zivilgesellschaftlichen Engagements und der Persönlichkeitsentwicklung aufgegriffen und im Ansatz erarbeitet. Ein Assessment-Center ist ein strukturiertes Verfahren, das u.a. zur Bewertung von Mitarbeitern eingesetzt wird. "Es ist erstaunlich, dass es im Verlauf von 16 Jahren so gut wie keine Versuche gab, diese Kriterien genau zu definieren. Es stellte sich für unser Team daher die Frage: Was bedeuten denn eigentlich diese Kriterien und wie kann eine Hochschule sie messen und für die Entwicklung der Studierenden und der Organisation verwenden?", erklärt Scheffer.

Das seit 15 Jahren bestehende Assessment-Center an der NORDAKADEMIE ist soweit qualifiziert, dass es alle Bolognakriterien beurteilen kann. Das Kriterium der Berufsbefähigung war schon immer der Kern der ganzheitlichen Kompetenzdiagnostik des AC. Denn die Übungen des AC sind realitätsnahe Herausforderungen, die in der Praxis häufig vorkommen, wie beispielsweise Präsentationen, Verhandlungen, Produktentwicklungen etc. Aufgrund der großen Erfahrung der Beurteiler aus den Partnerunternehmen der NORDAKADEMIE kann daher die berufliche Befähigung sehr valide eingeschätzt werden. Hierzu gehören u.a. die Fähigkeit, die Aufgabenstellung präzise zu erkennen und fachkundig und Einsatz geeigneter Methoden zu erfüllen, aber auch sogenannte "Soft Skills" wie die angemessen Durchsetzungs- und Kooperationsfähigkeit.

Die anderen drei Kriterien wissenschaftliche Befähigung, zivilgesellschaftliches Engagement und Persönlichkeitsentwicklung mussten dagegen neu definiert werden. Den Begriff wissenschaftliche Befähigung bestimmte das Team der NORDAKADEMIE als die Kompetenz, Problemstellungen präzise zu erkennen und zu definieren, um diese dann methodisch, logisch, systematisch und nachvollziehbar zu lösen. Wissenschaftliche Befähigung wurde also nicht als eine hochakademische Spezialisierung definiert, die sich quasi nur unter Laborbedingungen entfalten kann, sondern als eine lebenspraktische Kompetenz, die in der Praxis Probleme erkennt und löst, jedoch nicht "aus dem Bauch" heraus, sondern methodisch und systematisch.

Zivilgesellschaftliches Engagement definierte das Team um Prof. Scheffer als die Kompetenz, soziale Aspekte als wichtig für das gedeihliche Zusammenleben zu erkennen und sich in gesellschaftliche Entwicklungen und Diskurse aktiv und mit Begeisterung einzubringen, um diese positiv und wertebezogen zu beeinflussen. Also nicht als eine bloße gesellige Orientierung, bei der es darum geht, sich gut mit anderen zu verstehen und gemeinsam etwas zu unternehmen, sondern vielmehr als eine reflektierte Einmischung in soziale Interaktionen, um diese positiv zu entwickeln, insbesondere in kritischen Situationen. Persönlichkeitsentwicklung definieren die Wissenschaftler als Kompetenz, sich selbst immer besser einzuschätzen und sich auch zu reflektieren, Kritik anzunehmen und konstruktiv zu nutzen, dabei aber sich selbst treu zu bleiben und die eigene Persönlichkeit authentisch zu leben.

"Für die Messung dieser Kriterien wurden die Übungen im AC modifiziert und sogenannte Verhaltensanker entwickelt, mit deren Hilfe sich die Definitionen in konkret beobachtbare Verhaltensweisen übersetzen lassen", erklärt Prof. Scheffer und sagt weiter, dass erste Analysen gezeigt hätten, dass sich die Kriterien der Berufsbefähigung und der Persönlichkeitsentwicklung hervorragend messen lassen. Das Kriterium der wissenschaftlichen Befähigung gut darstellbar sei, das zivilgesellschaftliche Engagement dagegen schwieriger. "Jetzt sind weitere Forschungen nötig, um Messungen der Bolognakriterien, die für die Hochschulentwicklung wichtig sind, zu optimieren", meint Prof. David Scheffer.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution867

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Nordakademie - Hochschule der Wirtschaft, Wilfried Rähse, 08.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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