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WEITERBILDUNG/124: Flickenteppich Weiterbildung - regional erhebliche Unterschiede (idw)


Bertelsmann Stiftung - 04.07.2016

Flickenteppich Weiterbildung: regional erhebliche Unterschiede

Viele reden vom lebenslangen Lernen, wenige tun es: Einige Teile Deutschlands sind bei der Weiterbildung top, andere weit abgehängt. Die regionalen Unterschiede sind groß, manchmal sogar in Nachbarkommunen. Das zeigt der Deutsche Weiterbildungsatlas - erstmals für alle Städte und Kreise.


Gütersloh, 04. Juli 2016. Jeder achte Deutsche (12,3 Prozent) ab dem 25. Lebensjahr nimmt mindestens einmal im Jahr an einer klassischen Weiterbildung teil - zum Beispiel am Sprachkurs in der Freizeit oder einem beruflichen Lehrgang. Besonders fällt auf, dass die Teilnahme an Weiterbildungen in Deutschland regional sehr ungleich verteilt ist. In Prignitz (Brandenburg) besucht nur jeder 34. Einwohner jährlich eine Weiterbildung, in Darmstadt fast jeder vierte - eine achtmal so hohe Teilnahmequote. Das zeigt der Deutsche Weiterbildungsatlas der Bertelsmann Stiftung. Erstmals erfasst er die Weiterbildungsquoten auch in Kreisen und kreisfreien Städten.


Neben Darmstadt (23,1 Prozent) bildeten sich auch in Mainz-Bingen (21,9 Prozent) und Erlangen (21,8 Prozent) anteilsmäßig viele Menschen fort (Mittelwert 2012/13). Deutschlandweit am niedrigsten sind die Quoten neben Prignitz (2,9 Prozent) auch in der Grafschaft Bentheim (3,1 Prozent) und dem Landkreis Fürstenfeldbruck (3,4 Prozent). "Weiterbildungschancen in Deutschland sind regional zu ungleich verteilt. Damit wird Chancengerechtigkeit bei beruflichem und sozialem Aufstieg eingeschränkt", sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.


Gravierende Differenzen auch innerhalb der Länder.

Die unterschiedlichen Weiterbildungsquoten zwischen den Kreisen lassen sich nicht alleine durch die Unterschiede zwischen den Bundesländern erklären. Zwar gibt es auf Landesebene durchaus Differenzen: Baden-Württemberg (14,8 Prozent) und Hessen (14,6 Prozent) wiesen 2013 die höchsten Teilnahmequoten auf. Dahinter folgen Rheinland-Pfalz (12,8 Prozent), Bayern (12,6 Prozent) und Thüringen (12,4 Prozent). Mit 10,4 Prozent finden sich die niedrigsten Teilnahmequoten in Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland.

Doch der Weiterbildungsatlas zeigt, dass innerhalb der Länder die Weiterbildungsquoten noch viel weiter auseinander liegen. Das Extrembeispiel ist Bayern: Trotz eines überdurchschnittlichen Landeswertes sind hier Kreise mit sehr niedrigen Werten zu finden. In acht Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten Bayerns nimmt nicht einmal jeder zwanzigste Einwohner an Weiterbildungen teil. Hier zeigt sich, dass lokale Rahmenbedingungen die Weiterbildungsteilnahme deutlich beeinflussen können.


Baden-Württemberg macht das Meiste aus den Möglichkeiten

Etwa ein Drittel der Unterschiede bei den Weiterbildungsquoten lässt sich durch die regionale Sozial- und Wirtschaftsstruktur erklären. So führen zum Beispiel strukturelle Vorteile, wie eine hohe Qualifikation der Bevölkerung und eine gute wirtschaftliche Lage, häufig dazu, dass sich anteilsmäßig mehr Menschen weiterbilden. Zwei Drittel der Unterschiede werden jedoch durch andere Aspekte wie beispielsweise die Qualität des Weiterbildungsangebotes beeinflusst und sind somit zum Teil steuerbar. Wie gut Regionen ihre strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nutzen, erfasst die Potenzialausschöpfung. Wenn die Teilnahmequote vor Ort so ausfällt, wie es aufgrund der regionalen Strukturdaten zu erwarten ist, dann beträgt die Potenzialausschöpfung 100 Prozent.

Im Ländervergleich macht Berlin (79,8 Prozent) 2013 am wenigsten aus seinem Potenzial - hier könnte es nach der Sozialstruktur 20 Prozent mehr Teilnehmer geben. Auch Hamburg (84,4 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (90,9 Prozent) nutzen ihre Möglichkeiten für Weiterbildung nicht voll aus. Über den zu erwartenden Werten liegen Baden-Württemberg (115,6 Prozent), Hessen (113,9 Prozent) und Rheinland-Pfalz (110,1 Prozent). Deutlich verändert hat sich die Lage in Sachsen: 2012 blieb die Quote gut 11 Prozent hinter den Erwartungen zurück, 2013 lag sie darüber (102,7 Prozent Potenzialausschöpfung).


Große Unterschiede zwischen den Kommunen bei der Ausschöpfung des Weiterbildungspotenzials

Spitzenreiter bei den Kreisen und kreisfreien Städten sind die Landkreise Elbe-Elster in Brandenburg (202,2 Prozent), Neumarkt (178 Prozent) und Wunsiedel (171,7 Prozent). Die Landkreise Fürstenfeldbruck (22,4 Prozent Potenzialausschöpfung) und Roth (33 Prozent) hingegen nutzen nur weniger als ein Drittel ihres Potenzials bei der Weiterbildung. "Regionale Strukturmerkmale erklären längst nicht alle Unterschiede bei der Weiterbildungsteilnahme: Der Weiterbildungsatlas zeigt, wie wichtig ein auf den lokalen Bedarf zugeschnittenes Weiterbildungsangebot ist. Kooperationen zwischen kommunalen Akteuren können helfen, ein solches Angebot zu schaffen und bei wirtschaftlichen oder demografischen Veränderungen sinnvoll anzupassen", sagt Prof. Dr. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) und Koautor des wissenschaftlichen Berichts zum Weiterbildungsatlas.


Zusatzinformationen
Der Deutsche Weiterbildungsatlas für Kreise und kreisfreie Städte stellt auf Grundlage der aktuellsten Mikrozensus-Daten der Jahre 2012 und 2013 die Teilnahmequoten an beruflicher und allgemeiner Weiterbildung der Bevölkerung ab dem 25. Lebensjahr dar. Zudem errechneten die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE), wie stark verschiedene Formen von Weiterbildungsangeboten vertreten sind. Vertiefende Fallstudien analysieren sechs Kreise: Darmstadt, Elbe-Elster, Wunsiedel, Neumarkt in der Oberpfalz, Starnberg und Sonneberg.

Weitere Informationen unter:
http://kreise.deutscher-weiterbildungsatlas.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, Konrad Lischka, 04.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2016

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