Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BRENNPUNKT

GAZA/069: Waffengang und Widerstand - Zugeständnisse gefragt ... (Wissenschaftlicher Beirat von Attac)


Attac-Bundesbüro - 13. August 2014

Erklärung aus dem Wissenschaftlichen Beirat von Attac

39 Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats von Attac haben angesichts der israelischen Militäraktion in Gaza eine Stellungnahme veröffentlicht.



Israels militärische Aktionen im Gaza-Streifen sind unverhältnismäßig und richten - sich - nach den vorliegenden Nachrichten der UNO - nicht nur gegen militärische Ziele, sondern vor allem gegen die Menschen im Gaza-Streifen. Das hat in aller Welt Empörung hervorgerufen und zu Solidarität mit den Palästinensern veranlasst.

Die jahrelange Blockade des Gazastreifens hat im Krieg von Juli/August 2014 eine brutale Steigerung erfahren. Sie ist zur geplanten Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft ausgeweitet worden. Eine Armee, die zielgenau anfliegende Hamas-Raketen abschießen kann ("Iron Dome"), trifft mit ihren Granaten auch zielgenau, also absichtsvoll Schulen, Flüchtlingsunterkünfte, Krankenhäuser, Verwaltungseinrichtungen, das einzige Kraftwerk, das die Menschen mit Energie versorgt, die Anlagen zur Wasseraufbereitung und Abwasserentsorgung. Die Infrastruktur einer Gesellschaft, ohne die deren Existenz nicht möglich ist, wird in Schutt und Asche gebombt. Das sind schwere Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht.

Momentan (am 4. August, dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs) trauern wir um die fast 2000 Toten und über 6000 Verletzten, die Opfer der Militäroffensive zu Lande, aus der Luft und vom Urlaubs-Mittelmeer her geworden sind. Das sind vor allem palästinensische Opfer. Aber auch die Traumata der Überlebenden und die zerstörten gesellschaftlichen Einrichtungen tragen Konsequenzen - wie es in der Bibel heißt - "bis ins vierte Glied", und zwar nicht nur auf Palästinensischer Seite, sondern auch für die Israelis.

Die Regierenden in Israel sind dabei, nicht nur den Gaza-Streifen, sondern auch die Zukunft ihres eignen Landes zu zerstören. Wie soll das Zusammenleben von Palästinensern und Israelis möglich sein? Welche Angebote für eine Friedensordnung ist Israel bereit zu machen? Wie wird das Zusammenleben mit den anderen Nationen des Nahen und Mittleren Ostens geregelt sein? Die israelische Regierung trägt eine große Verantwortung, auch weil sie mehr und bessere Optionen als die Palästinenser hat.

Wir dürfen als dem Frieden verpflichtete soziale Bewegung die zerstörerischen und selbstzerstörerischen Kräfte nicht überhand nehmen lassen. Darin sind wir uns mit den Friedensbewegungen in Israel und in Palästina einig. Nur gemeinsam können wir uns, auch wenn die Bedingungen unserer politischen Arbeit höchst unterschiedlich sind, der Zerstörung in den Weg stellen, zumal die USA und die Staaten der EU kläglich versagen. Die US-Regierung lässt sich von Israels rechten, militaristischen Politikern vorführen, so dass schon spöttisch bemerkt wird, die USA würden sich in die Hand beißen lassen, die da Israel füttert: mit hohen Geldleistungen, militärischem Nachschub und Technologietransfer, ohne den Iron Dome gar nicht eingesetzt werden könnte.

Die UNO wird seit Jahrzehnten blockiert, wenn es darum geht, beschlossene Sanktionen gegen Israel durchzusetzen. Genau dies muss aber geschehen, um eine weitere Eskalation des asymmetrischen Krieges zu verhindern. Israel muss die Blockade des Gaza-Streifens vollständig aufgeben und alle Grenzübergänge für Menschen, Güter und Waren öffnen. Dann wird die Sinnlosigkeit, Tunnels zu bauen, Raketen "home made" zu produzieren und sie völkerrechtswidrig auch gegen Zivilisten zu schießen, offenbar. Die Mauer gegen die Palästinenser, um die völkerrechtlich illegalen Siedlungen zu schützen, muss fallen, und Israel muss die Grenzen von 1967 als seine Staatsgrenzen akzeptieren. Umgekehrt muss die Hamas als palästinensische Vertretung im Gaza-Streifen das Existenzrecht Israels in diesen Grenzen anerkennen und bereit sein, auf Gewalt als Mittel der Politik gegenüber Israel zu verzichten.

Israel muss endlich ernsthafte Verhandlungen mit den Palästinensern, mit der kürzlich gebildeten Einheitsregierung von Fatah und Hamas, aufnehmen und zwar unter internationaler Vermittlung. Die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates muss ermöglicht werden, das von der UNO geforderte Rückkehrrecht der Flüchtlinge muss eingelöst, die Freilassung der an die 5000 zählenden politischen Gefangenen muss geregelt werden. Nach den Schrecken der vergangenen Jahrzehnte ist es an der Zeit, konkrete Abmachungen zu treffen, die Sicherheit und gutes Leben für alle Menschen, in Israel und in Palästina, garantieren.


Die Stellungnahme als PDF-Datei mit den Namen der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner finden Sie unter:
http://www.attac-netzwerk.de/fileadmin/user_upload/Gremien/Wissenschaftlicher_Beirat/Stellungnahme_Nahostkonflikt_WissBeirat_Attac-August2014.docx

*

Quelle:
Attac Deutschland, Pressestelle
Post: Münchener Str. 48, 60329 Frankfurt/M
Telefon: 069/900 281-31; Fax: 069/900 281-99
E-Mail: presse@attac.de
Internet: www.attac.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2014