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SYRIEN/057: Dominostein Damaskus - und bliebe auch nur der Protest ... (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Juli 2014

UN: Rufer in der Wüste - Generalsekretär mit Vorschlag eines Waffenembargos gegen Syrien erfolglos

von Thalif Deen

Bild: © Eskinder Debebe/UN

Der UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über die Verlängerung der Sanktionen gegen Côte d'Ivoire bis Ende April 2015
Bild: © Eskinder Debebe/UN


New York, 15. Juli (IPS) - Wenn der 15 Mitgliedstaaten zählende Sicherheitsrat, das mächtigste Entscheidungsorgan der Vereinten Nationen, nicht in der Lage ist, einen Militärkonflikt zu lösen, greift er meist zu Sanktionen. Da er in der Syrien-Frage gespalten ist, ist es unwahrscheinlich, dass sich UN-Generalsekretär mit der Forderung nach einem umfassenden Waffenembargo durchsetzen wird.

Derzeit gibt es 15 UN-Sanktionskomitees, die von 65 'Experten' unterstützt werden, die die Arbeit von elf Beobachtungsteams, -gruppen und -ausschüssen überwachen. Die jährlich anfallenden Kosten belaufen sich auf etwa 32 Millionen US-Dollar.

Bisher wurden gegen etwa 25 Länder Sanktionen einschließlich Waffenembargos, Reiseverboten und finanziellen und diplomatischen Einschränkungen verhängt. Zur ersten Zielscheibe wurde das südafrikanische Apartheidregime (1977). Danach folgten Post-Konflikt-Staaten wie der Irak, Iran, Somalia, Libyen, Äthiopien, Eritrea, Liberia, das ehemalige Jugoslawien und die Demokratische Republik Kongo (DRC).

Im letzten Monat rief UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den UN-Sicherheitsrat öffentlich dazu auf, ein Waffenembargo gegen Syrien zu verhängen. Doch bisher fanden sich dort keine Interessenten, die das Anliegen voranbringen würden. Die meisten Sicherheitsratsmitglieder verfolgen im syrischen Bürgerkrieg eigene politische und militärische Interessen.

Seitdem weist Ban unermüdlich aber erfolglos darauf hin, dass der Syrienkrieg, der bereits 150.000 Menschen das Leben kostete, nicht militärisch gelöst werden kann. So wird er weder von den USA und Westeuropa, noch von Russland oder von Katar, Ägypten, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt - allesamt Staaten, die die Kriegsparteien in Syrien explizit oder implizit militärisch oder finanziell unterstützen.


Einseitige Sanktionen

Die USA, Großbritannien und Frankreich könnten Militärsanktionen in Erwägung ziehen, die allerdings ausschließlich gegen die syrischen Truppen gerichtet wären. Russland und China, die auf der Seite des syrischen Regimes von Baschar al-Assad stehen, würden wiederum ausschließlich Sanktionen gegen die vom Westen unterstützten Rebellen befürworten.

In Anbetracht dieser Pattsituation hat der Vorschlag für ein umfassendes Waffenembargo, wie es von Ban gefordert wird, derzeit keine Chance. Auch macht der von den USA im letzten Monat bekannt gegebene Plan, 500 Millionen Dollar in die Ausbildung und Bewaffnung "moderater" syrischer Rebellen zu investieren, die Bemühungen des UN-Chefs zur Farce.

"Angesichts der sich in den letzten Jahren immer mehr verhärteten Meinungsverschiedenheiten in der Syrienfrage wird der Aufruf des Generalsekretärs wohl kaum etwas bewirken", meinte Pieter Wezeman vom Programm für Waffentransfer und -produktion des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) im IPS-Gespräch. Russland hat seinen Widerstand gegen ein solches auch von China abgelehntes Waffenembargo klar begründet. "So herrscht in Russland die Meinung vor, dass ein Ende des Assad-Regimes zu Chaos und Fundamentalismus in Syrien führen wird", erläuterte der Konfliktforscher.

Darüber hinaus weist Russland immer wieder auf die Erfahrungen im Libyen-Konflikt hin. Damals hatten etliche Staaten angesichts der vage formulierten Sicherheitsratsresolutionen Waffen an libysche Rebellen geliefert. Den Resolutionen hatte Russland seinerzeit zugestimmt, weil es zum damaligen Zeitpunkt von einer vollen Umsetzung des Waffenembargos ausging.

Die russische Regierung hat zudem mehrfach erklärt, dass für sie ein Waffenembargo gegen Syrien nicht in Frage kommt, solange es keine Garantien dafür gibt, dass Staaten ihre Waffenlieferungen an die syrischen Rebellenverbände einstellen, wie Wezeman betonte. Derzeit ist Moskau der größte Waffenlieferant des Assad-Regimes. Zudem stellt sich die Frage nach einer Wirksamkeit solcher Sanktionen, zumal die Vereinten Nationen gar nicht über die Mittel und Wege verfügen, solche Waffenembargos durchzusetzen.


Weniger Tote durch Waffenembargo

William Hartung, Leiter des Waffen- und Sicherheitsprojekts des 'Centre for International Policy' erklärte gegenüber IPS, dass das vom UN-Generalsekretär geforderte Waffenembargo sicherlich eine Chance darstelle, das Blutvergießen im Land zu verringern. Positiv würde sich vor allem eine Unterbindung der russischen Waffenlieferungen auswirken, meinte er. Doch sei ein solches Szenario angesichts der Tatsache, dass Russland als ständiges Mitglied von seinem Vetorecht Gebrauch machen könne, höchst unwahrscheinlich.

Daraus ergeben sich Hartung zufolge zwei Fragen: Wie kann Moskau dazu gebracht werden, seine militärische Unterstützung des Assad-Regimes aufzugeben? Und würde ein Embargo der USA und der Europäischen Union ausreichen, um die gewünschten Erfolge zu erzielen?

Laut UN-Vizegeneralsekretär Jan Eliasson bedient sich der UN-Sicherheitsrat seit Mitte der 1990er Jahre in zunehmender Regelmäßigkeit Wirtschafts- und Militärsanktionen. "Wir wissen, dass Sanktionen funktionieren können, wenn sie richtig entworfen und rigoros umgesetzt werden und die Unterstützung der Mitgliedstaaten inner- und außerhalb des UN-Sicherheitsrats genießen", sagte er.

Auf einer jüngsten hochrangigen Revisionskonferenz über die Wirksamkeit von Sanktionen erklärte er, dass in fast allen 25 Fällen, in denen Sanktionen von der UN verhängt worden seien, sie Teil einer übergreifenden Strategie zur Förderung von Friedensbemühungen gewesen seien. Darüber hinaus erinnerte er daran, dass Sanktionen nicht nur der Abstrafung dienten. Einige seien dazu gedacht, Regierungen und Regionen beim friedlichen Übergang zu unterstützen.

Eliasson nannte einige Beispiele. So unterstützen die gegen Libyen verhängten Sanktionen die Übergangsbehörden dabei, staatliches Eigentum wiederzuerlangen und der Verbreitung kleiner und leichter Waffen entgegenzuwirken. Und in Liberia diene das gegen nichtstaatliche Akteure verhängte Waffenembargo der Unterstützung der Regierung.

In Guinea-Bissau hätten sich Sanktionen als wirkungsvolles Abschreckungsmittel gegen Gewalt im Anschluss an die Wahlen bewährt. So hätten sie Schlüsselakteure dazu gebracht, die Wahlergebnisse zu akzeptieren. "Es werden zudem Schritte unternommen, um friedliche Regierungen zu unterstützen, deren Länder nach wie vor sanktioniert werden."


Wirksamkeit von Sanktionen eine Frage des politischen Willens

Hartung zufolge sind Embargos zwar weit davon entfernt, perfekt zu sein, hätten aber dennoch einen gewissen Wert. Auch wenn Drittstaaten das Embargo gegen das südafrikanische Apartheidregime mit der Lieferung von Waffen und Waffentechnologien unterlaufen hätten, habe das Embargo dafür gesorgt, dass die Menge der ankommenden Waffen verringert worden sei. Auch hätten sich die Instandhaltungskosten der südafrikanischen Kriegsmaschinerie verteuert.

Waffenlieferanten wie Viktor Bout haben in Zusammenarbeit mit Regierungen die Embargos gegen Sierra Leone und Angola torpediert. Striktere Kontrollen und besser koordinierte Anstrengungen hätten sich sicherlich ausgezahlt. "Letztlich hängt die Wirksamkeit von Sanktionen von dem politischen Willen der Schlüsselregierungen ab."

Wezeman zufolge wurden alle seit den 1990er Jahren verhängten UN-Waffenembargos bis zu einem gewissen Ausmaß unterlaufen. Doch lasse sich dies von allen Strafmaßnahmen und Gesetzen sagen. "Allerdings haben die meisten, wenn nicht alle UN-Waffenembargos den Zielpersonen den Zugang zu Waffen erschwert." Es sei offensichtlich, dass mehr getan werden müsse, um Kriege zu beenden. Doch kein Waffenembargo zu verhängen, könne eine Verschlimmerung der Lage bedeuten. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/proposed-arms-embargo-on-syria-a-political-mockery/

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IPS-Tagesdienst vom 15. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2014


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