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GENTECHNIK/497: Nulltoleranz bleibt Nulltoleranz (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 348 - Oktober 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Nulltoleranz bleibt Nulltoleranz
Der Europäische Gerichtshof entscheidet:
Auch gentechnische Verunreinigungen im Honig fallen unter das Gentechnikrecht

von Marcus Nürnberger


Es ist ein Meilenstein für die gentechnikkritische Bewegung, dass der Europäische Gerichtshof Strenge hat walten lassen. Den Imkern ist hoch anzurechnen, dass sie nicht aufgeben und die Angelegenheit stellvertretend für die Bewegung ausgefochten haben. So rücken die Bienen und ihr Honig, die bislang in der Debatte um die Gentechnik auf dem Acker oft ausgeblendet wurden, ins Zentrum der Auseinandersetzung. Sie machen einmal mehr deutlich: Diese Technologie ist nicht rückholbar, einmal in der Welt, ist sie nicht mehr zu kontrollieren. Die meisten Menschen in Europa wollen keine Gentechnik auf dem Acker und in ihrem Essen. Der EuGH hat dieser Haltung Rechnung getragen. Die Botschaft ist klar: eine gentechnikfreie Landwirtschaft nicht nur in Deutschland, in ganz Europa ist ein schützenswertes Gut und kann im Zweifelsfall eingeklagt werden.


Lebensmittel, in denen Spuren von gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten sind, fallen unter das europäische Gentechnikrecht. Was trivial klingt, hat in der Praxis große Tragweite und beschäftigte in den vergangenen zwei Jahren die Gerichte. Ganz konkret ging es um Honig, in dem Pollen von gentechnisch verändertem Mais der Sorte MON810 enthalten war. Karl-Heinz Bablok, ein Hobbyimker, wie es viele in Deutschland gibt, hatte seinen Honig auf das Vorhandensein gentechnisch veränderter Bestandteile untersuchen lassen. Bis zu sieben Prozent gentechnisch veränderten Pollen fand das Untersuchungslabor in einer der vier Proben. Allerdings waren nicht sieben Prozent des Honig verunreinigt, sondern sieben Prozent des im Honig enthaltenen Pollens. Der Anteil von Pollen im Honig beträgt nur ca. ein Prozent.


Die Biene sammelt

Die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft hatte auf ihren Versuchsflächen in der Nähe von Augsburg MON810 zu Forschungszwecken angebaut. Der Bienenstand des Imkers Bablok lag ca. zwei Kilometer entfernt. Bablok wusste von den Versuchen, nahm Proben des von den Bienen eingetragenen Pollens. Die Ergebnisse waren positiv. Deshalb siedelte er im folgenden Jahr mit seinen Bienen nach München in den englischen Garten um. Trotzdem ließ er seinen Honig untersuchen. Das Labor fand gentechnisch veränderte Pollen. Das Ergebnis überraschte. Offenbar hatten Reste vom Pollen aus dem Vorjahr zur Verunreinigung geführt. Vom Freistatt Bayern wollte Herr Bablok seine Unkosten in Höhe von 300 Euro erstattet bekommen. An der TU Weihenstephan, wo der Versuchsanbau gentechnisch veränderter Pflanzen des Landes Bayern koordiniert wird, erklärte man sich für nicht zuständig. Unterstützt vom Verein Aktionsbündnis zum Schutz der Bienen vor Agro-Gentechnik klagte Bablok zusammen mit weiteren Imkerkollegen.


Zutat oder Bestandteil

Im Verlauf des Verfahrens wurde deutlich, dass es sich um weit mehr als nur einen Schadensersatzprozess handelte. Im Kern ging es um die Frage, ob der im Honig enthaltene Pollen ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) im Sinne des Gentechnikrechts ist. Nach Auffassung des Gerichts hat der Pollen seine Möglichkeit zur Fortpflanzung verloren und ist nicht mehr fähig, genetisches Material zu übertragen. Daher wird er auch nicht als GVO bezeichnet.

Allerdings, führt das Gericht weiter aus, regelt die Verordnung nicht nur den Umgang mit GVOs, sondern auch den mit gentechnisch veränderten Zutaten. Im Sinne der Lebensmittelverordnung, so das Gericht, stellen die Beimischungen von gentechnisch verändertem Pollen, auch wenn sie durch die Bienen selbst verursacht wurden, eine Zutat dar. Demnach ist der Pollen als "hergestellt aus GVO" zu kennzeichnen. Bis zuletzt, so berichtet Imker Bablok, der selbst zur Urteilsverkündung nach Brüssel reiste, behauptete die Gegenseite, Honig sei ein tierisches Produkt, von dem kein Schaden ausginge. Sie wurde eines besseren belehrt.


Nicht verkehrsfähig

Für den Mais MON810 der Firma Monsanto und dessen Pollen im Honig hat das Gerichtsurteil weitreichendere Konsequenzen. Da Monsanto den gentechnisch veränderten Mais nur als Futtermittel und einige wenige Lebensmittel aus Mais beantragte und zugelassen bekam, darf der Maispollen nicht im Honig vorhanden sein. Der Honig, aber auch jedes andere Produkt, das nicht von der Zulassung erfasst ist, verlieren durch das Vorhandensein von MON810-Bestandteilen ihre Verkehrsfähigkeit. Wer sie dennoch in Verkehr bringt, also verkauft, verschenkt oder ohne Nachweis entsorgt, macht sich strafbar.

Vor der Urteilsverkündung spekulierten einige Gentechnikbefürworter darauf, dass Pollen im Honig als fester Bestandteil und nicht als Zutat betrachtet würden. Bei einem Kennzeichnungsschwellenwert von 0.9 Prozent für nicht zu verhindernde und unabsichtliche Beimischungen wäre eine Kennzeichnung des Honigs wegen des geringen Pollenanteils von ca. einem Prozent nahezu ausgeschlossen gewesen. Eine Zulassung für das betreffende Lebensmittel vorausgesetzt.

Weitreichende Folgen hat das Urteil auch für importierte Honige. So müssen die Importeure in Zukunft sicher stellen, dass ihre Ware keinen Pollen von in der EU nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen enthält. Wenn Pollen von als Lebensmittel zugelassenen GVO enthalten sind und diese den Schwellenwert von 0,9 Prozent übersteigen, so müssen diese auf dem Etikett mit "hergestellt aus GVO" gekennzeichnet werden.

Dass sich der - nach außen immer gentechnikkritsch darstellende - Freistaat Bayern im Prozess von dem Unternehmen Monsanto unterstützen lässt, wirft zumindest die Frage nach der Unabhängigkeit der staatlichen Forschungseinrichtungen auf. Abzuwarten bleibt, wie das Unternehmen Monsanto auf die Gerichtsentscheidung reagiert. Immerhin steht aktuell die Wiederzulassung von MON81O an.

In der Vergangenheit gab sich die Nordeuropa-Chefin von Monsanto, Frau Lüttmer-Ouazane, kämpferisch trotzig. In einem Zeit-Interview antwortete sie auf die Frage, wie verhindert werden könne, dass Gen-Pollen auf andere Pflanzen übergehe: Dafür hat der Gesetzgeber eine eindeutige Regelung geschaffen. Die Vermischung muss minimiert werden. Ausschließen kann man so etwas nie. Schließlich befinden wir uns in freier Natur und nicht in einem klinisch sauberen Raum.

Diese Einschätzung dürfte durch das Urteil des EuGH deutlich relativiert worden sein. Das sieht auch Karl-Heinz Bablok, der resümiert: "Hätten wir die 300 Euro damals doch nur gezahlt, haben sich die Beamten in Weihenstephan bestimmt schon öfter gedacht. Jetzt hat jeder Imker die Möglichkeit zu klagen."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 348 - Oktober 2011, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2011