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INTERNATIONAL/004: Kanada - Milchproduktion im festen Rahmen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Milchproduktion im festen Rahmen
Kanada als Beispiel für die flexible Mengensteuerung von Milch

Von Johanna Besier, junge AbL


In Kanada wird die Milchproduktion strikt an den Inlandsbedarf angepasst. Die Grenzen Kanadas sind durch hohe Einfuhrzölle und niedrige Exportquoten (ca. 4 Prozent der Gesamtmilchmenge) für Milchprodukte geschützt. Dadurch ist der Milchmarkt weitestgehend vom Weltmarkt abgeschottet. Das kanadische Milchmarktregulierungssystem gilt als beispielhaft für ein Milchquotensystem, in dem das Angebot von Milch und Milcherzeugnissen flexibel an die Nachfrage am Binnenmarkt angepasst wird. Reguliert wird der Milchmarkt z.T. von der Regierung, z.T. von der Industrie. Aber auch Erzeugerverbände (im Milchsektor so genannte Milk Marketing Boards, vorhanden in jeder Provinz) haben Mitspracherecht, wenn es um die Angebotssteuerung ihrer Produkte geht. Die Boards unterstehen der Regierung der jeweiligen Provinz und entsenden Vertreter zu den Dairy Farmers of Canada, dem Dachverband aller kanadischen Erzeugerverbände. Hier sind automatisch alle Milchbauern Mitglied, die über Milchquote verfügen und Milch abliefern. Anfang der 60er Jahre erließ die Regierung der Provinz Quebec ein Gesetz zur Steuerung des Marktes für bestimmte landwirtschaftliche Produkte. Es machte zur Auflage, dass sich die Erzeuger zu Verbänden zusammenschließen, um die Vermarktung der Milch von einer zentralen Stelle aus zu koordinieren. Durch die Bündelung ihrer Milch und ein geschlossenes Auftreten gegenüber den Molkereien befanden sich die Milcherzeuger nun in einer besseren Verhandlungsposition und konnten Preisdiskussionen mit den Molkereien auf Augenhöhe führen. Ende der 60er Jahre erkannte auch die staatliche Regierung, dass der Milchmarkt ohne strenge Produktionsdisziplin der Erzeuger mit dauerhaften Überschüssen konfrontiert sein würde und einen starken Abfall der Erzeugereinkommen zur Folge hätte. Das System der Angebotssteuerung wurde für ganz Kanada übernommen und das Produktionsvolumen an den Bedarf des kanadischen Binnenmarktes angepasst.

Damit verfolgten die Regierungen drei Ziele:
1. Organisierte Vermarktung von Milch durch Ausgleich von Angebot und Nachfrage
2. Sicherung eines angemessenen Erzeugereinkommens durch das Gleichgewicht aller am Milchmarkt beteiligten Kräfte
3. Gewährleistung eines vielseitigen Angebots an Milchprodukten von höchster Qualität.


Drei Grundpfeiler

Zur Realisierung dieser Ziele stützt sich das System der Angebotssteuerung auf drei Grundpfeiler:

1. Die Angleichung des Angebots von Milch und Milchprodukten an den Bedarf am Binnenmarkt und Einschränkung der zugelassenen Importvolumina. Die Regierung verpflichtet sich, darauf zu achten, dass die Nachfrage am Binnenmarkt durch das inländische Produktionsvolumen gedeckt wird. Es dürfen keine bzw. nur geringe Mengen an Milchprodukten in das Land eingeführt werden, Importe werden strikt kontrolliert und es müssen hohe Einfuhrzölle gezahlt werden.

2. Durch das Quotensystem unterliegen die Betriebe einer strikten Produktionskontrolle. Im Falle einer Überschussproduktion müssen die Produzenten haften. Sie tragen die Kosten für die Einlagerung der Mehrmengen.

3. Die Anpassung der Stützpreise für Erzeuger auf Basis der Produktionskosten. Das von Regierung und Milk Marketing Boards festgelegte Vermarktungssystem kontrolliert die Verkaufspreise für Milch und Milchprodukte, damit Erzeugermilchpreise kostendeckend bleiben. Staatliche Subventionen wurden im Jahr 2002 abgeschafft.

Die Erzeugerpreise für Milch werden in Kanada nach Verhandlungen um einen Richtpreis festgesetzt. Die Preisfindung für Milch findet jährlich statt. Die Richtpreise sollen sich an der Höhe der Produktionskosten orientieren. Die Ermittlung der Produktionskosten erfolgt unter Berücksichtigung sämtlicher Betriebskosten (variable Kosten, Investitions- & Kapitalkosten, Lohnkosten).


Strukturwandel auch in Kanada

Trotz der relativ hohen Erzeugerpreise ist bei den kanadischen Milchbetrieben ein Strukturwandel ähnlich dem der EU zu verzeichnen. Jährlich werden ca. 4 Prozent der Betriebe aufgegeben. Während sich die Anzahl der Betriebe verringert, steigt die Anzahl der Kühe pro Betrieb. Auch die Milchleistung der Einzeltiere steigt. Die Kanadier begründen die sinkende Zahl der Milchviehbetriebe damit, dass sich viele Farmer zusammenschließen und ihre Betriebe zusammenlegen. Z. B. wurden die meisten Milchviehbetriebe in Quebec Anfang der 80er Jahre von einer einzigen Person geführt. Heute sind Landwirtschaftsbetriebe meist Gesellschaften von Eltern und Kindern oder sonstigen Verwandten. Es entsteht der Eindruck, dass in der Vergangenheit viele Betriebe aufgegeben wurden. Tatsächlich kam es jedoch lediglich zu Zusammenschlüssen der Höfe einzelner Familienmitglieder.

Obwohl sich aus Höfen Unternehmen bildeten, kann man nicht von einer wachsenden Industrialisierung der kanadischen Milchwirtschaft sprechen. In Quebec, der Provinz mit dem größten Anteil an der Gesamtmilchproduktion in Kanada, liegt die durchschnittliche Herdengröße bei 52 Tieren. Dies ist im Vergleich zu beispielsweise Kalifornien (USA), wo die Herden im Schnitt 825 Tiere zählen, sehr wenig.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 341 - Februar 2011, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2011