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INTERNATIONAL/022: Japan - Landwirtschaft unter schwierigen Bedingungen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Japan - Landwirtschaft unter schwierigen Bedingungen

von Petra Jacob


Wie hoffnungslos selbst ein hochindustrialisiertes Land wie Japan den Naturgewalten ausgesetzt sein kann, das haben wir vor einigen Wochen mit Entsetzen miterleben können. Ich habe das Land, einige Jahre vor dem schrecklichen Ereignis wahrend eines landwirtschaftlichen Praktikums kennengelernt. Neun Monate arbeitete ich mit der Reisbauern-Familie Yamasaki in der Präfektur Chiba, 80 Kilometer östlich von Tokio.

Ertrunkener Reis

Bis zu den Knien standen sie im Wasser, die Sicheln in der Hand, strohige Kegelhüte auf den Köpfen und schnitten vornübergebeugt die Reishalme: Vater, Mutter, die Söhne Yoshinori und Hirohiro und Onkel Ishida und trugen die Bündel dann an den Feldrand. Zwei Wochen lang versuchte Familie Yamasaki im Schweiße ihres Angesichts von ihrer Reisernte zu retten, was sie retten konnte. Denn die honiggelben Halme ihrer Reispflanzen waren nach einem Unwetter alle umgeknickt, die Ähren ertranken im Wasser.

Begonnen hatte es wie immer. Während der Regenzeit, ab Juni, sind die Reispflänzchen in die überfluteten Felder mit Raupen-Traktoren und Pflanzgerät ausgesetzt worden, je drei in ein Pflanzloch. Das Getreide blieb bis Ende August im Wasser stehen, im schlammig-lehmigen Boden wuchsen die Pflanzen gleichsam wie in einer Nährlösung. "Reis liebt nasse Füße", heißt es im Volksmund. Um ein Kilogramm Reis zu gewinnen, werden zwischen 3.000 und 10.000 Liter Wasser benötigt. Der Sommer zeigte sich aber ungewöhnlich kalt, verregnet und windig. Zwei Wochen vor der Kornreife werden die Felder trockengelegt, damit sie bei der Ernte mit dem Mähdrescher befahren werden können. Der letzte Taifun des Sommers, der dreizehnte in jenem Jahr, kam dazwischen und machte dem einen Strich durch die Rechnung.


Ernteausfälle

Die stark gedüngten Hochertragssorten, inzwischen 120 Zentimeter hoch gewachsen - aus einem Reishalm sind 30 Halme geworden, mit je einer überhängenden Rispe mit bis zu 100 Ährchen, macht etwa 3.000 Früchte pro Pflanze - waren zu hoch und schwer beladen, um Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern standhalten zu können. Die starken Regenfälle taten ihr übriges. Die Pflanzen knickten, legten sich flach. Manuelle Reisernte war angesagt. Von sonst durchschnittlich fünf Tonnen pro Hektar wurden nur noch ein Drittel der Ernte eingefahren. Sohn Yoshinori wusste, dass sein rundkörniger, klebriger Japonica-Reis einmal viel wert sein würde, und wollte ihn, anstatt an die staatlichen Abnahmestellen zu verkaufen, in der Scheune lagern. Und er sollte recht behalten. In ein paar Monaten würden die besten Reissorten Spitzenpreise von 21.000 Yen (180 Euro) per zehn Kilogramm auf dem Schwarzmarkt erzielen! Denn Yoshinori wusste, dass bei seinen Landsleuten am liebsten einheimischer Reis auf den Tisch kommt, dreimal täglich. "Selbstversorgung mit Reis ist ein Teil nationaler Sicherheit und Unabhängigkeit", streicht der einstige Landwirtschaftsminister Koji Futada die Wichtigkeit der japanischen Bauern heraus. Die Regierung hat sich verpflichtet, die gesamte erzeugte Menge zu einem Fixpreis aufzukaufen, der oft das zehnfache über dem Weltmarktpreis liegt.


Unproduktive Landwirte

Die Landwirtschaft Japans gehört zu den hochsubventioniertesten der Welt. Nach der schlechten Reisernte musste jedoch diesmal Reis aus dem Ausland importiert werden; mit einem Schutzzoll von fast 500 Prozent kam er auf den Markt. "Japans Reisbauern scheuen die Konkurrenz, weil sie nicht wettbewerbsfähig sind: sie sind die unproduktivsten Landwirte der Welt", hieß es im Spiegel vor ein paar Jahren. Neben den klimatischen sind es geografische Hindernisse, die im Weg liegen. Durch die schmale 3.000 Kilometer lange Inselkette zieht sich ein Rückgrat aus Gebirgszügen mit zahlreichen Steilhängen. 66 Prozent der Landfläche sind bergig und mit Wald bewachsen. Die ebenen Flächen sind klein und liegen verstreut. Nur 15 Prozent der Landesfläche sind für die landwirtschaftliche Produktion nutzbar. So kommt es, dass die Höfe sehr klein sind, im Durchschnitt nur einen knappen Hektar groß. Landwirtschaft wird vorwiegend im Nebenerwerb oder als Hobby betrieben. Gastfamilie Yamasaki bewirtschaftete knapp drei Hektar Land und hatte mit Opa und Schwiegertochter sechs Personen zu ernähren. Wie in 85 Prozent aller Agrarhaushalte in Japan, waren auch sie auf Einkommen aus Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft angewiesen. Doch ihre Reisfelder aufgeben, das würden sie nie. "Ausländer werden nie begreifen können, welche tiefe Bedeutung Reis für uns Japaner hat - er ist ein Symbol unserer Kultur", legt mir Hoferbe Yoshinori nah.

Petra Jacob
unterwegs in der Welt,
berichtet für die Bauernstimme


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2011