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INTERNATIONAL/030: Landwirtschaft in Korea (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 352 - Februar 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Landwirtschaft in Korea

Lebensmittelknappheit im Norden - Importabhängigkeit im Süden


Nach dem Tod des Diktators Jong Il und dem Machtübergang an seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un sind Nordkorea und seine Zukunft wieder einmal im Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit. Wie über das ganze Land, so weiß man über die Landwirtschaft des Landes nur wenig. Infolge von Dürren, Überschwemmungen, Misswirtschaft und der bevorzugten Belieferung des Militärs waren viele der 24 Millionen Einwohner in den letzten Jahrzehnten immer wieder auf internationale Lebensmittelhilfe angewiesen - sofern das Regime diese überhaupt zuließ. Viele mussten - vor allem zwischen Frühjahrsbeginn und der ersten Ernte im Mai - hungern. Derzeit sind nach Berichten von Besuchern des Landes keine offenen Anzeichen von Hungersnöten zu sehen, wohl aber von Lebensmittelknappheit und einem schlechten Ernährungszustand vor allem von vielen Alten und Kindern.


Handarbeit

Das auf strikte Abschottung und Unabhängigkeit vom Ausland ausgerichtete Land kann den Nahrungsbedarfs aus seinen 3.900 Produktionsgenossenschaften und Kooperativen sowie einigen Staatsfarmen permanent nicht decken. Das vorrangige Atomprogramm schluckt einen Großteil des Sozialprodukts. Auch wegen der hohen Weltmarktpreise für Nahrungsmittel und Energie importiert das devisenschwache Nordkorea nur relativ wenig Lebensmittel, Saatgut, Dünger sowie Ersatzteile und Treibstoff für die Traktoren. Viele Arbeiten werden von Hand verrichtet. Laut Welthungerhilfe sind ohnehin nur etwa 20 Prozent der Flächen des bergigen und schwer zugänglichen Landes agrarisch nutzbar. Dies sind vor allem die Schwemmlandebenen der Flüsse im Westen. Die Winter sind meist hart und trocken, die feuchtheißen Sommer oft von längeren Dürreperioden und Überschwemmungen geprägt. Dies erschwert den Anbau der Hauptbodenfrüchte Nassreis, Mais und Gemüse. In den trockeneren Hügelländern werden auch Sojabohnen, Sesam, Tabak und Ginseng angebaut. Die kleinen Privatgärten und privaten Märkte (die zeitweise wieder geschlossen wurden) sichern einen Teil der Ernährung, selbst die Haltung von Tauben und anderem Kleinvieh auf den Balkonen der Hochhäuser. Die Welthungerhilfe unterstützt derzeit den Bau einer Saatgut-Reinigungsanlage und von 30 kleinen Gewächshäusern in den Städten Pyongyan und Sunchon sowie den Anbau von Nahrungsmitteln auf kleinen städtischen Flächen.

Auch der kapitalistische Süden des seit dem Koreakrieg 1953 geteilten Landes ist kein Agrarland. 70 Prozent des Landes sind zu gebirgig für die Landwirtschaft, es regnet bis zu 1.500 Millimeter im Jahr, mit Sturzfluten und Erosion im Sommer. Der früher vorherrschende Großgrundbesitz und die in der Zeit der japanischen Besatzung geschaffenen Latifundien wurden 1949 nach dem Vorbild Nordkoreas auch in Südkorea durch eine Landreform zerschlagen. Diese Enteignung der herrschenden Landlord-Klasse, die Zahlungen der Bauern für die ihnen zugeteilten Landflächen (maximal 3 ha) an den Staat und die Freisetzung der Arbeitskräfte aus der Feudalbindung ermöglichten eine rasche Industrialisierung, wobei viele ehemalige entschädigte Feudalherren zu Industriellen wurden. Ein Entwicklungsweg wie in Lateinamerika, mit "Agrarexporten der Großgrundbesitzer, Import von Luxuskonsumgütern und Stagnation der nationalen Industrieproduktion, blieb Südkorea durch diese Landreformen versperrt" (Dr. Dirk Messner, Agrarreform und Industriegesellschaft in Südkorea, E+Z 11/2002). Gleichzeitig mussten sich die Kleinbauern für die Abzahlung der Bodenkauf-Summe verschulden. Dies und die Festsetzung niedriger Erzeugerpreise (zur Ermöglichung niedriger Industriearbeiter-Löhne) führte zu einer Abwanderungswelle der Landbevölkerung in eine Industriearbeiterschaft mit Niedriglöhnen.


Hauptarbeitgeber

Die Landwirtschaft beschäftigt dennoch immer noch 10 Prozent der Arbeitskräfte - vor allem in den 1 Million Familienbetrieben mit zumeist 2 bis 3 intensiv bewirtschafteten Hektaren. Die Hauptfrucht ist Reis, der künstlich bewässert wird, außerdem Roggen, Weizen, Soja, Kartoffeln, Gemüse und Obst. Wegen des forcierten Strukturwandels und sinkender Agrarpreise (vor allem durch importierte Produkte) kommt es oft zu Protesten der Bauern. Wie der Agrarexperte Wan Bang Yook in der Zeitung BWagrar berichtete, ist der Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln mittlerweile auf 50 Prozent gesunken. Dies liege auch am Ersatz traditioneller Reis- und Gemüsekost durch westliche Ernährung. Eine fast vollständige Importabhängigkeit gebe es bei Futtergetreide, Soja und Weizen. Die zunehmende Tierhaltung und die damit verbundene Entsorgung der tierischen Exkremente stellten das Land vor große Herausforderungen. Kürzlich war von den Plänen des Industrieunternehmens Hyundai zu lesen, in Russland 50.000 Hektar Mais zu produzieren. Der Versuch, sich in Madagaskar riesige Flächen für die Agrarproduktion zu sichern, scheiterte an den Protesten der dortigen Bevölkerung.
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 352 - Februar 2012, S. 20
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2012