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INTERNATIONAL/150: Mexiko - Traditionelle Technik der Maisverarbeitung soll Aflatoxingefahr in Afrika mindern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Dezember 2015

Mexiko: Traditionelle Technik der Maisverarbeitung soll Aflatoxingefahr in Afrika mindern

von Emilio Godoy


Bild: © Emilio Godoy/IPS

Zubereitung von Maisteig, der durch Zugabe von Kalkwasser gesünder wird
Bild: © Emilio Godoy/IPS

TEXCOCO, Mexiko (IPS) - Frühmorgens ist die Familie von Verónica Reyes bereits auf den Beinen, um vorgekochten Mais zu zermahlen und daraus Teig für Tacos anzurühren. Die beliebten Tortillas bieten die Straßenhändler tagsüber an ihrem Imbissstand in Mexiko-Stadt an. Bereits um acht Uhr morgens können ihre Kunden Tacos mit gesalzenem Trockenfleisch, 'Quesadillas' mit Käse oder die mit Bohnen, Schweineschwarten und Frischkäse gefüllten 'Tlacoyos' kaufen.

Mehr als 60 Kilo Maisteig laden die Reyes täglich in ihren Lieferwagen, bevor sie von der Stadt San Jerónimo Acazulco aus in die etwa 46 Kilometer weiter südwestlich gelegene Hauptstadt fahren. Am Ende des Tages haben sie die meisten ihrer Snacks verkauft.

Eine spezielle Verarbeitungsmethode gibt dem Teig eine gelbe Farbe. Bei der so genannten Nixtamalisation werden dem Mais alkalische Stoffe wie etwa in Wasser gelöschter Kalk oder Holzasche beigefügt. Dadurch wird das Vitamin Niacin freigesetzt, das die Tortillas nahrhafter macht. Außerdem lassen sich die Fladen so leichter backen und schmecken obendrein besser.


Milliarden Menschen weltweit durch Aflatoxine gefährdet

Die Nixtamalisation beseitigt zudem Aflatoxine - krebserregende Pilzgifte, von denen laut der UN-Agrarorganisation FAO etwa ein Viertel aller weltweit geernteten Feldfrüchte befallen sind. Die US-Gesundheitsbehörde geht davon aus, dass mehr als 4,5 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern diesen Toxinen dauerhaft ausgesetzt sind. Mit Hilfe der traditionell bewährten Verarbeitungsmethode hilft Mexiko nun auch Afrika bei der Bekämpfung der gefährlichen Aflatoxine.

Entwickelt wurde die Nixtamalisation lange vor unserer Zeitrechnung von den mexikanischen Ureinwohnern. Die spanischen Kolonialherrscher, die das Land im 15. Jahrhundert eroberten, ignorierten diese Technik. Nach der Einführung von Mais in Europa litten viele Menschen daher unter der durch Vitaminmangel ausgelösten Krankheit Pellagra.

"In Mexiko sind Aflatoxine ein gravierendes Problem", erklärt Ofelia Buendía, die Agrarwissenschaft an der Autonomen Universität von Chapingo lehrt. "Die wirksamste Methode, diese Gifte zu beseitigen, ist die traditionelle Nixtamalisation". Die Technik wird nicht nur bei Mais, sondern auch bei Bohnen, Quinoa, Hafer, Amaranth, Gerste und anderen Getreidesorten erfolgreich angewendet.

In Mexiko und ganz Zentralamerika ist Mais das wichtigste Grundnahrungsmittel. In Mexiko gibt es mehr als 78.000 Maismühlen und Tortillafabriken, von denen sich etwa die Hälfte in sieben der 31 Bundesstaaten des lateinamerikanischen Landes konzentriert. Fast 60 Prozent aller verkauften Tortillas werden aus nixtamalisiertem Teig gebacken. Der Verzehr von Tortillas hat sich in Mexiko allerdings von jährlich etwa 170 Kilo pro Kopf in den 1970er Jahren auf mittlerweile ungefähr 75 Kilo mehr als halbiert. Fast Food hat dem traditionellen Imbiss den Rang abgelaufen.

Um anderen Ländern bei der Bekämpfung der Gefahr durch Aflatoxine zu helfen, stellt Mexiko inzwischen Kenia Know-how und technische Geräte zur Verfügung. Die beiden Länder haben zwei Kooperationsabkommen unterzeichnet.


Mexikanische Technologien und Maismühlen für Kenia

Der ostafrikanische Staat erhält über die mexikanische Behörde für Internationale Entwicklung technische Unterstützung und Maismühlen. Kenia, der weltweit zweitgrößte Maisproduzent und -konsument, benötigt zur Deckung des Nachfrage im Inland jährlich etwa 45 Millionen Säcke Mais zu je 90 Kilo. Zurzeit werden aber nur 40 Millionen Säcke produziert.

Laut Studien des 'International Food Policy Research Institutes' (IFPRI) sterben in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara jedes Jahr schätzungsweise 26.000 Menschen an Leberkrebs, der durch Aflatoxine verursacht wird.

Auch der Tortillaproduzent Grulin in der mexikanischen Stadt San Luis Huexotla, 50 Kilometer östlich von Mexiko-Stadt gelegen, setzt auf Nixtamalisation. "Die meisten der im Mais enthaltenen Nährstoffe bleiben während der Nixtamalisation erhalten. Einige gehen allerdings beim Waschvorgang verloren", erklärt José Linares, Generaldirektor des Unternehmens.

Bereits Linares Vater betrieb eine Tortillafabrik, die weiter expandierte. Das 2013 gegründete Unternehmen Grulin verarbeitet täglich zwischen 32 und 36 Teigballen zu jeweils 50 Kilo. Aus einem Kilo Mais werden 1,9 Kilo Teig hergestellt. Die Körner werden 90 Minuten lang gekocht und kommen dann für 30 Sekunden in einen Tank mit Kalkwasser. Danach werden sie 24 Stunden lang in Wannen gelagert, getrocknet und anschließend gemahlen.

Vertreter der kenianischen Agrarforschungsorganisation 'KALRO' haben Mexiko besucht, um sich vor Ort über die Nixtamalisation zu informieren. Mexikanische Experten sind davon überzeugt, dass die Verarbeitungstechnik in afrikanischen Staaten äußerst nützlich sein kann.

Allerdings hat die Nixtamalisation auch Nachteile, vor allem in ökologischer Hinsicht. Für die Verarbeitung von jeweils 50 Kilo Mais werden 75 Liter Wasser benötigt. Wegen des Zusatzes von Kalk sind die flüssigen Rückstände stark alkalisch und belasten die Umwelt, wenn sie über die Kanalisation entsorgt werden. Wissenschaftler forschen inzwischen daran, wie diese Abwässer zur Produktion von Dünger eingesetzt oder zum Spülen von Mais wiederverwendet werden können.

Um Aflatoxine in Mais und Erdnüssen zu bekämpfen, entwickelten das Institut für Tropenlandwirtschaft (IITA), die Afrikanische Stiftung für Agrartechnologie (AATF) und die US-Landwirtschaftsbehörde eine biologische Kontrolltechnik namens 'AflaSafe', die bereits in Nigeria, Burkina Faso, Gambia, Kenia, im Senegal und in Sambia verfügbar ist. (Ende/IPS/ck/29.12.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/mexico-to-export-nixtamalisation-of-grains-to-africa/

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IPS-Tagesdienst vom 29. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2015

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