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LANDWIRTSCHAFT/1386: Ärger ums Impfen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ärger ums Impfen
Eine Rechtfertigung für eine Zwangsimpfung gegen die Blauzungenkrankheit fehlt

Von Marlene Herzog


Die Impfung gegen die Blauzungenkrankheit erhitzt die Gemüter. Für viele Betriebe ist die Impfung gegen die Blauzunge ein Segen, so die Befürworter. Da vor allem bei Schafen und Ziegen die Blauzungenkrankheit zu großen Schäden in der Herde führt, kann die Impfung den Tieren viel Leid ersparen. Auch die Zahlen scheinen für ihren Erfolg zu sprechen. Laut dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ist die Anzahl infizierter Rinderbestände mit BTV 8 in Deutschland seit dem Jahr 2008 gefallen. Wurden von Januar bis Juli 2008 etwa 2.200 betroffene Rinderbestände gemeldet, waren es im gleichen Zeitraum dieses Jahres nur 137 Fälle.


Andere Sicht der Praktiker

Erfahrungen von Landwirten und Tierärzten zeigen jedoch ein anderes Bild. Die Berichte über gravierende Nebenwirkungen der Impfung werden nicht weniger. Von steigenden Zellzahlen in der Milch, über Klauenprobleme bis hin zu erheblicher Immunschwäche nach dem Impfstress, Aborten und toten Tieren ist die Rede. Aufgrund vieler Anfragen von Medien und Verbänden will das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) reagieren und plant eine Studie zu Nebenwirkungen der Impfung in Zusammenarbeit mit Landwirten in Bayern. Das Vorhaben stecke allerdings noch in Kinderschuhen und soll eigentlich auch noch nicht öffentlich bekannt gegeben werden, so das FLI.

Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sammelt und bewertet bereits Meldungen von Tierärzten und Landwirten über Nebenwirkungen der Impfung. Im Jahr 2008 waren es 1.049 und dieses Jahr 367 gemeldete Fälle, so ein offizieller Zwischenstand der Auswertung. Dabei überwiegen die Fälle von gestörter Trächtigkeit und Geburt sowie spontane Todesfälle. Es sind jedoch nur 100 Meldungen darunter, bei denen keine andere Ursache als ein direkter Zusammenhang zum Impfstoff auszumachen war, so Dr. Klaus Cußler vom PEI. Mit pauschalen Aussagen wie "zehn Aborte nach der Impfung" könne das Institut nichts anfangen, so Cußler. Der Tierarzt müsse jeden Fall melden und auf dem Hof andere Ursachen ausschließen. Dass dies in der Praxis meist nicht möglich ist, weiss Tierarzt Dr. Ralf Dieckmann aus Freiburg. Gravierende Schäden treten zum Teil indirekt auf, wenn eine latente Infektion in der Herde bereits vorhanden ist und die Krankheit erst durch den Impfstress ausgelöst wird, so der Tierarzt. Durch die Impfung werde das Immunsystem unnötig belastet, was zu Aborten führen könne, die zum Teil erst Wochen später entdeckt werden. Das PEI registriert zwar auch solche Fälle, jedoch nicht als Nebenwirkungen der Impfung, da die direkte Wirkung nicht nachgewiesen werden kann.


Impfzwang unbegründet

Offen bleibt die Frage, warum Bäuerinnen und Bauern gegen ihren Willen ihre Tiere impfen lassen sollen, wenn eine flächendeckende Impfung aufgrund der uneinheitlichen EU-Regelung nicht gegeben ist. In den Niederlanden und Großbritannien sind Landwirte von der Impfpflicht befreit. Österreich fehlt es an finanziellen Mitteln, den Impfstoff zu beschaffen, weswegen auch dort die Impfpflicht dieses Jahr aufgehoben wurde. In Polen, wo das Virus BTV-8 nicht aufgetreten ist, werden keine Tiere geimpft. Auch entgehen viele Betriebe einer Impfung, da sie erst im folgenden Jahr einen Bußgeldbescheid bekommen und nicht rückwirkend geimpft werden kann. Nach Auskünften, die der Rechtsanwalt Gregor Schneider, der verschiedene Impfgegner vertritt, aus dem bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit erhalten hat, war die Einführung der Impfpflicht in Deutschland auch eine Reaktion auf die Forderung der Impfhersteller, erst dann mit der Entwicklung und Produktion des Impfstoffs zu beginnen, wenn eine Mindestabnahme gewährleistet sei. Die Vorgabe der EU, dass Mittel aus dem Nothilfefonds erst ab einer Impfrate von 80 Prozent gezahlt würden, verstärkten den Druck in Richtung der Einführung einer Zwangsimpfung zusätzlich. Das für die Impfung zuständige Ministerium BMELV bestreitet diese Darstellung.


Willkürliche Sanktionen

Das Vorgehen der zuständigen Landesbehörden gegen Impfverweigerer ist unterschiedlich und hat nicht selten den Anschein von Willkür. Andreas Remmelberger, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Bayern, wurden 1.000 Euro Zwangsgeld auferlegt, damit er seine Tiere impft. Die Summe verdoppelt sich bei jeder weiteren Androhung. In seiner Region um Altötting sind es 25 Betriebe, die nicht impfen wollen. Doch nur den vier Bekanntesten von ihnen wurden hohe Zwangsgelder auferlegt, berichtet der Bauer. Er sieht darin eine Taktik, um die anderen Betriebe abzuschrecken, denen "lediglich" im Folgejahr ein Bußgeld auferlegt wird. "Dadurch sinkt die Solidarität unter den Bauern. Das ist von den Landräten so gewollt", glaubt Remmelberger.

Ganz anders gehen die Behörden in Nordrhein-Westfalen vor. Auf dem Betrieb von Heiner Lohmann wurden die Tiere zweimal durch das Veterinäramt zwangsgeimpft. Einen Bußgeldbescheid hat Heiner Lohmann vor der Zwangsmaßnahme nicht erhalten. Auch gab es mit dem zuständigen Veterinär lediglich ein Telefongespräch, bevor mehrere Tierärzte begleitet von Polizei unangekündigt auf seinem Hof in Steinfurt erschienen, um die 65 Milchkühe und einen Teil der Nachzucht zu impfen, berichtet Lohmann. Das Ehepaar und die vier Kinder konnten nur zusehen. "Vor allem für die Kinder war das eine große Belastung", so Frau Lohmann. Die Kosten für die erste Impfung in Höhe von 1.400 Euro muss der Bauer aus eigener Tasche zahlen. Hinzu kommen Anwalts- und Gerichtskosten sowie Kosten für die zweite Impfung.

In der Oberpfalz sollte ein Bauer sieben Tage in Erzwingungshaft, nachdem er das ihm auferlegte Bußgeld in Höhe von 528 Euro nicht bezahlt hatte. Werner Reinl konnte dem Haftantritt jedoch entgehen, da Berufskollegen und -kolleginnen das Geld aus einem gesammelten Fonds für ihn bezahlten.


Verfahren eingestellt

Viele Landwirte wollen sich die scheinbar willkürlich gewählten Sanktionen durch die Behörden nicht gefallen lassen. Der Interessengemeinschaft für gesunde Tiere (IggT) sind inzwischen etwa 700 Bäuerinnen und Bauern beigetreten, die sich gegen eine Zwangsimpfung ihrer Tiere wehren. 300 von ihnen werden durch den Rechtsanwalt Gregor J. Schneider aus München vertreten, der gute Chancen sieht, die Verfahren im Sinne seiner Mandanten zu beeinflussen. "Die Bußgeldbescheide an die Landwirte beinhalten zum Teil erhebliche formelle, aber auch sachliche Fehler", so der Rechtsanwalt. Das bestätigte ihm das Gericht und einige Verfahren gegen die Landwirte wurden schon eingestellt. Klagen gegen Zwangsgeldandrohungen laufen.


Zwangsgeld: Von den Landratsämtern festgelegter Geldbetrag pro Tier oder Bestand, der gezahlt werden muss, wenn bis zu einer festgelegten Frist keine Impfung erfolgt ist. Bei Weigerung wird die Summe erhöht und es können Maßnahmen wie Zwangshaft, Zwangsimpfung, Kontopfändung u.a. erfolgen.

Bußgeld: Hat ein Betrieb seine Tiere in einem gewissen Zeitraum nicht geimpft, wird er durch ein Bußgeld bestraft. Zahlt er dieses, muss er nicht rückwirkend impfen. Zahlt er nicht, folgen weitere Sanktionen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2009