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LANDWIRTSCHAFT/1604: Rote Liste einheimischer Nutztierrassen Deutschland 2013 (PROVIEH)


PROVIEH Ausgabe 01/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Die Bedrohung geht weiter:
Rote Liste einheimischer Nutztierrassen Deutschland 2013

von Sievert Lorenzen



Nutztiere bedrohter heimischer Rassen genießen mittlerweile Minderheitenschutz. Ihr Anteil an allen hiesigen Nutztieren liegt unter einem Prozent, sie spielen also keine Rolle in der industriell betriebenen Tierhaltung. Würden sie eines Tages fehlen, würden wir es im Supermarkt nicht merken, weil dort fast nur Produkte von industriell gehaltenem Massenvieh angeboten werden. Doch das Massenvieh gehört nur sehr wenigen Rassen an oder besteht aus Hybriden von ihnen, die bis zum Anschlag auf produktive Höchstleistung gezüchtet sind mit der Folge von genetischer Verarmung, die gemeinsam mit der industriellen Haltungsform anfällig macht für Tierkrankheiten und Tierseuchen. Die Abhängigkeit von einer solchen Nutztierhaltung kann fatal werden.

Dieses Problem haben in Deutschland die 1905 gegründete "Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde e.V." (DGfZ) und insbesondere die 1981 gegründete "Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V." (GEH) schon vor über 30 Jahren erkannt. Aber das Aussterben alter Rassen ging global weiter. Deshalb erkannte vor allem die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) die Dringlichkeit des Erhalts alter und seltener Nutztierrassen und entwickelte mit ihren Mitgliedsstaaten "Aktionspläne mit Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der tiergenetischen Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung", wie es im Vorwort zur Roten Liste heißt. Mit Nostalgie hat die ganze Aktion also nichts zu tun, sondern mit Sorge um unsere Zukunft. Wir müssen uns nur einmal überlegen, was geschieht, wenn die massenhaften Importe von Hochleistungsfutter aus Übersee eines Tages versiegen. Dann wäre Schluss mit der industriellen Massentierhaltung, und wir bräuchten wieder die genügsamen, robusten und regional angepassten alten Rassen.

Auf Initiative der DGfZ verabschiedete die Konferenz der Agrarminister des Bundes und der Länder 2003 das "Nationale Fachprogramm zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung tiergenetischer Ressourcen" und siedelte es in der DGfZ an. Der Fachbeirat kümmert sich um die Umsetzung des Programms. Er wird besetzt mit Vertretern der Tierzuchtverwaltung des Bundes und der Länder, der Wissenschaft, der Vereine und Verbände der organisierten Tierzucht und von Interessensvertretern aus dem Bereich der Erhaltung gefährdeter Haustierrassen. Der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) obliegt die Erfassung der alten und gefährdeten heimischen Nutztierrassen. Als Ergebnis hat sie 2008 erstmals die "Rote Liste der gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland" herausgegeben. Als einheimisch gelten Rassen, wenn sie spätestens seit 1949 in deutschen Zuchtbüchern geführt werden. In dritter Auflage, mit 178 Seiten, erschien die Liste im Dezember 2013.

In der Liste werden vier Erhaltungsstufen unterschieden, die von extrem gefährdet bis ungefährdet reichen und anhand der züchterisch gemeldeten Individuen der einzelnen Rassen nach einem bestimmten Schlüssel errechnet wurden. Die Zahlen der berücksichtigen Rassen oder Rassengruppen (enthalten sehr nahe verwandte Rassen) betragen für das Pferd 23 (gefährdet 10), für das Rind 21 (gefährdet 10), für das Schwein 5 (alle gefährdet), für das Schaf 22 (gefährdet 19), für die Ziege 3 (alle gefährdet), für das Huhn 27 (alle gefährdet), für die Gans 7 (alle gefährdet) und für die Ente 6 (alle gefährdet). Alle Rassen werden kurz vorgestellt. Für die einheimischen Kaninchen wurde nur die Zahl der Rassen ermittelt: 58.

Trägt die Erhaltung der gefährdeten Rassen Früchte? Nur schleppend, als Beispiele werden nur das Schwarzwälder Kaltblut und vier Schafrassen genannt. Als effektivste Erhaltungsmaßnahme wird die wirtschaftliche Nutzung genannt, die allerdings durch Erhaltungsprämien unterstützt werden muss. Für akute Fälle wird die Tiefkühlkonservierung von Spermien, Embryonen, Ei- und Körperzellen in flüssigem Stickstoff empfohlen, und im Tierseuchenfall sollen Bestände bedrohter Rassen möglichst nicht getötet werden.

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Quelle:
PROVIEH Ausgabe 01/2014, Seite 44-45
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2014