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LANDWIRTSCHAFT/1622: Gebt den Kühen das Gras zurück (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 378 - Juni 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gebt den Kühen das Gras zurück
Proteinversorgung durch betriebseigenem Grundfutter

von Georg Martin, Vorstandsmitglied AbL Bayern



Die Kuh ist ein Wiederkäuer und frisst Gras, auf den ersten Blick würde dem jeder zustimmen, doch die Realität sieht anders aus. Ein Großteil der in den westlichen Industrieländern erzeugten Milch wird auf der Basis von Kraftfutter und Mais erzeugt. Dieses "neue Kuhfutter" hat Grasprodukte in vielen Betrieben sogar weitestgehend verdrängt. Dabei haben Gräser, Kräuter und Leguminosen Eigenschaften, die sie wirtschaftlich interessant und ökologisch wertvoll machen. Sie wachsen zum Beispiel in Regionen, die für den Ackerbau nicht geeignet sind, sie stehen nicht in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung und sie haben eine ausgeglichene Klima- und Umweltbilanz. Die AbL Bayern hat sich im Rahmen der bayerischen Eiweißinitiative und der BioRegio 2020 auf mehreren Veranstaltungen die Frage gestellt, wie bayerische Betriebe die Vorteile eiweißhaltiger Grundfuttermittel, wie Grünland, Kleegras und Luzerne, nutzen können und damit wirtschaftlich und wettbewerbsfähig bleiben.


Tiergerecht füttern

Dr. Günter Postler von der Arbeitsgemeinschaft Rinderzucht auf Lebensleistung erklärte zuerst, welche Punkte bei einer tiergerechten Wiederkäuerfütterung unbedingt zu beachten sind. Der Tierart gemäß komme der Wiederkäuer mit einem niedrig konzentrierten Futtermittel wie Gras aus, weil er davon große Mengen aufnimmt, dafür aber viel Zeit benötigt. Im Umkehrschluss bedeutet dies für Postler, dass den Kühen ausreichend Futter über den ganzen Tag verteilt zur Verfügung stehen muss. Damit auch rangniedrige Kühe ungestört fressen können, ist im Laufstall ein ausgeglichenes Tier-Fressplatzverhältnis (1:1) wichtig. Darüber hinaus brachte Postler den Begriff der Bekömmlichkeitsfütterung ins Spiel. "Die Inhaltsstoffe in ihrem Futter können noch so hoch sein, wenn das, was Sie füttern ihren Kühen nicht bekommt, werden sie mittelfristig Schiffbruch erleiden." Postler zielt hier vor allem auf die Rohfaserversorgung ab. Der Pansen brauche strukturwirksames Futter um effizient arbeiten zu können. Darüber hinaus müsse die Fütterung auch immer dem Alter, der Kondition und dem Gesundheitszustand der Kuh angepasst werden. "Viel hilft nicht immer viel", so der Experte. Fütterung ist aber auch Philosophie, Postler ist ein offener Bekenner des Low-Input-Systems. Der Weg zur Tiergesundheit führt für ihn nicht über Höchstleistungen mit hohem Futteraufwand, sondern über eine stabile Dauerleistung mit geringem Input.


Weniger Kraftfutter

Dass dieser Weg auch betriebswirtschaftlich interessant ist, erklärte Lukas Kiefer vom Institut für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim, sein Slogan: "Weniger Kraftfutter ist manchmal mehr Betriebsgewinn." Grundlage seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse ist eine betriebswirtschaftliche Analyse von knapp hundert Weidebetrieben in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, alles reine Grünlandbetriebe mit mindestens 30 Kühen und Laufstallhaltung. Ein Teil arbeitet biologisch, der andere konventionell, aber alle extensiv. Neben dem Gewinn wurde das kalkulatorische Betriebszweigergebnis berechnet, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können. Die analysierten Weidebetriebe erzielen mit einem Minus von 10,6 Cent/kgM ein deutlich schlechteres Ergebnis als der durchschnittliche Rinderreportbetrieb in Bayern und Baden-Württemberg (-5,48 Cent/kgM). Die besten zehn Prozent (acht Betriebe) der untersuchten Weidebetriebe lagen mit einem kalkulatorischen Betriebszweigergebnis von plus 5,7 Cent/kgM aber ganz an der Spitze und waren sogar deutlich besser als die besten zehn Prozent der Rinderreportbetriebe (+ 1,9 Cent/kgM). Kiefer erklärte, wo die Profiweidebetriebe ihr Geld verdienen und wo es die anderen liegen lassen. Wichtig sind die Futterkosten an sich. Weidegras ist mit Kosten von 15 Cent je 10 MJ NEL das mit Abstand günstigste Futter, welches der Bauer seinen Kühen vorlegen kann. Allerdings ohne die entsprechende Nährstoffkonzentration und eine entsprechend lange Weidedauer ist dies wenig wert. Kiefer hat festgestellt, dass vor allem Vollweidebetriebe mit Kurzrasenweide und saisonaler Abkalbung besser abschnitten als konventionelle Weidesysteme. Auch der Milchpreis spielte eine Rolle. Biobetriebe mit hoher Grundfutterleistung und einem entsprechend hohen Biomilchpreiszuschlag hatten in den meisten Fällen die Nase vorn. Wem es darüber hinaus gelang, die Kraftfutterkosten in ein gesundes Verhältnis zur abgelieferten Milch zu setzen, hatte einen Platz an der Spitze sicher. Auffallend war an dieser Stelle, dass ein niedriger Kraftfuttereinsatz nicht zwangsläufig zu einem guten Ergebnis führte. Die Kühe auszufüttern lohnt sich. Einen "Größeneffekt" stellte Kiefer auch im Weidesystem fest. Großen Betrieben gelingt es, ihre eingesetzte Arbeit effizienter zu nutzen und damit den Gewinn je Arbeitsstunde zu steigern. Als Fazit bleibt: Die Weidehaltung kann helfen, Einkommensreserven in der Milchviehhaltung zu mobilisieren, sie ist aber kein Garant dafür. Voraussetzungen sind gutes Weidefutter, welches am besten mit der Kurzrasenweide zu realisieren ist, eine saisonale Abkalbung, Biomilcherzeugung, eine ordentliche Milchleistung und die Größe des Kuhbestands.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 378 - Juni 2014, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2014