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LANDWIRTSCHAFT/1667: Das Klima wird rauer (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 394 - Dezember 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Das Klima wird rauer
Landwirtschaft kann nur versuchen, sich anzupassen

Von Claudia Schievelbein


Über das Wetter wird gerne geredet, vielleicht auch, weil es immer anders kommt, als man denkt, was viel Raum für Spekulationen lässt. Nicht anders ging es den Teilnehmern des von der Agrarzeitung auf der Agritechnica in Hannover ausgerichteten Saatgutkongresses. "Züchten statt Zweifeln" lautete das Motto, unter dem sich ganz unterschiedliche Experten zum Klimawandel und dem damit verbundenen Anpassungsdruck für die Landwirtschaft äußerten. Der Imperativ des Mottos entwickelte sich allerdings ein wenig zur Durchhalteparole, wurde doch mit fast jedem Vortragenden deutlicher, dass die Zweifel an allen Vorhersagen, wie es denn nun weiter gehen mag mit dem Klimawandel und seinen Folgen für die Landwirtschaft, nicht eben klein sind. Das hat maßgeblich damit zu tun, dass sich der als globaler Treiber für den Klimawandel auswirkende Temperaturanstieg um - ja um wieviel Grad nun eigentlich 2, 3, 5? - bei uns besonders in schwer greifbaren Kapriolen niederschlagen werden. Horst Gömann von der Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen hat sich viele Jahre beim Thünen-Institut mit unzähligen Wetterdaten befasst, Extremwetterlagen definiert sowie die Auswirkungen auf die Landwirtschaft untersucht und kommt zu der Erkenntnis, dass alles eine multifaktorielle Gemengelage ist. Die Beobachtung, dass es weniger Spätfröste zu den Zeiten gibt, zu denen sie bislang auftraten und Schaden - besonders im Obstbau - machten, könnte irrelevant werden, weil sich unter Umständen der Beginn der Vegetationsperiode nach vorne verlagert. Mehr Frost, mehr Hitze kann auftretend in sensiblen Phasen negativ wirken, schon ein paar Tage später aber eben auch gar nicht mehr schaden. Eine grundsätzlich zunehmende Trockenheit bedeutet Stress für die Pflanzen, mehr Regen in der Ernteperiode Stress für die Bauern und Bäuerinnen - beides lässt sich beobachten.

Rückbesinnung

Einzig die Frühjahrstrockenheit scheint ein Phänomen zu sein, das sich durchgängig und überregional einstellt, genaue Zahlen hat aber auch Gömann dazu nicht. Vor dem Hintergrund, dass punktuelle extreme Wetterereignisse zunehmen werden, wird Diversifizierung zum Schlüssel. Eine breite Auswahl an Sorten in einem Betrieb sollte dafür sorgen, dass am Ende noch etwas gut dasteht, also ist auch der Auftrag an die Züchtung, den Fokus wieder mehr auf die Sekundärtugenden wie Widerstandsfähigkeit, Trocken- und Hitzestressresistenz zu richten. Auf die Frage, was denn die Bundesländer tun könnten, um die Landwirtschaft zu unterstützen, antwortete der Leiter des Zentrums für Acker- und Pflanzenbau in Sachsen-Anhalt, Ulrich von Wulffen: "Angesichts der Kassenlage gar nichts." Versuchsstandorte und Leute dort, die unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheit Sorten prüfen könnten, gebe es immer weniger. Ein Züchter aus dem Publikum stellte die Frage, ob man nicht bei den Kriterien für die, Sortenzulassung schon auf die veränderte Ausgangslage Rücksicht nehmen müsste. Ertragssteigerungen als Hauptkriterium für den landeskulturellen Wert sind vielleicht nicht mehr zeitgemäß. Von Wulffen verwies für sein durch intensiven Ackerbau, aber auch zunehmende Trockenheit geprägtes Land auf die Rückbesinnung auf ackerbauliche Tugenden: mehr Bodenbearbeitung, flach, vielleicht mal wieder mit dem Pflug, abwechslungsreichere Fruchtfolgen schon wegen der "neuen" Krankheiten und Schädlinge, die aufgrund der höheren Durchschnittstemperaturen kommen werden. Dem vermehrten Wunsch der Bauern und Bäuerinnen nach Beregnung musste von Wulffen mit Blick auf die Erfahrungen im Nachbarland Sachsen aus ökonomischen Gründen eine Absage erteilen: "Der Mehrertrag von 0,1 bis 0,2 dt/ha rechnet sich nicht."

Datenflut

An der Uni in Gießen versucht Andreas Stahl Faktoren auszumachen, die die Effizienz von Rapspflanzen unter Stressbedingungen wie Trockenheit und Nährstoffmangel charakterisieren, ein Indikator könnte die Wurzelmasse sein. Eine Vielzahl von Faktoren scheint relevant, um gewünschte Ergebnisse in der Pflanzenzüchtung jenseits der reinen Ertragssteigerung zu erzielen. Beim Sammeln all der Daten darf heutzutage Sensor- und Computertechnik nicht mehr fehlen. Das große Thema der Agritechnica, Data oder besser noch Big Data, stellte Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück vor: selbstfahrende Roboter, die zum Teil einzelpflanzenspezifisch Versuchparzellen erfassen und Unmengen von Daten generieren können. Sinnvoll auszuwerten ist das natürlich, wenn überhaupt, nur interdisziplinär mit den Pflanzenzüchtern. Bis es konkret in eine neue angepasste Sorte münden könnte, haben der Mensch mit seinem Klima erwärmenden Tun und das Wetter in seiner Reaktion darauf sicherlich die nächste Volte geschlagen, was eine neuerliche Anpassungsleistung nötig macht.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 394 - Dezember 2015, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2016

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