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LANDWIRTSCHAFT/1766: Was ist eigentlich nachhaltige Landwirtschaft? (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 1/2018

Was ist eigentlich nachhaltige Landwirtschaft?

von Stefanie Pöpken


Seit einigen Jahren gewinnt ein Wort immer mehr an Bedeutung - Nachhaltigkeit. Fast jede Firma und jeder Weltkonzern (von der Kohlewirtschaft bis hin zu Firmen die Pflanzenschutzmittel produzieren) wirbt damit, nachhaltig zu sein. Und auch die Landwirtschaft, vertreten durch ihren größten Verband, bedient sich dieses Ausdrucks.


Definition von Nachhaltigkeit

Der Begriff Nachhaltigkeit wurde nachweislich vom Freiberger Oberberghauptmann Carl von Carlowitz (1645-1714) geprägt. Er wendete ihn in Bezug auf die Waldwirtschaft und die Nutzung des Waldes an. Eine nachhaltige Bewirtschaftung könne demnach nur dann stattfinden, wenn einem Wald bloß die Anzahl an Bäumen entnommen würde, die er in einer festgelegten Zeitspanne wieder regenerieren könne. Dabei solle darauf geachtet werden, dass die wesentlichen Eigenschaften des Systems Wald erhalten blieben. Würde also zu viel abgeholzt, wäre das dauerhafte Bestehen des Systems gefährdet.

Die Definition, die in der heutigen Zeit am meisten verbreitet und genutzt wird, stammt aus dem Brundtland-Bericht "Unsere gemeinsame Zukunft" der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung, der 1987 erschienen ist. "Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende."


Wachsen und wachsen und wachsen

Die Landwirtschaft in den Industrienationen hat eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte hinter sich. Die Produktivität auf landwirtschaftlichen Flächen konnte durch spezielle Pflanzenzüchtungen, den Einsatz von Insektiziden, Herbiziden und chemisch synthetischen Düngemitteln stark erhöht werden. Gleichzeitig stiegen die Tierbestände in den Ställen immer weiter an. Das Ziel war und ist, zu Weltmarktpreisen zu produzieren und Fleisch und Milch im europäischen Binnen- und Ausland abzusetzen. Durch die ständige Nachfrage nach Fleisch und anderen tierischen Produkten, sah sich die Landwirtschaft vor die Herausforderung gestellt, die benötigten Tiere mit zusätzlichen Futtermitteln zu versorgen. Schnell wurde jedoch klar, dass die heimischen landwirtschaftlichen Flächen dazu nicht ausreichen würden und eiweißhaltige Pflanzen wie Soja besser in Brasilien und Argentinien wachsen. Um den enormen Bedarf an Futterpflanzen zu decken, wurden und werden riesige Flächen Regenwald gerodet. Kilometerlange Monokulturen von überwiegend gentechnisch veränderter Soja prägen nun ein Landschaftsbild, wo vorher die größte Artenvielfalt pro Quadratmeter Fläche zu entdecken war. Zu der Zerstörung der "Lunge unserer Erde" und dem Artensterben kommt außerdem die Vertreibung von indigener und kleinbäuerlicher Bevölkerung, eine Überdüngung der Böden sowie die Verschmutzung des Grundwassers und der Weltmeere. Von einer "nachhaltigen Entwicklung", die keinen negativen Einfluss auf zukünftige Generationen hat, kann man unter diesen Gesichtspunkten kaum sprechen.


Armut und Hunger

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft bedeutet einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen Wasser, Boden und Luft. Das sind öffentliche Güter, die der Gemeinschaft gehören und nicht nur ein paar wenigen Konzernen und Firmen, die damit handeln und umgehen wie es ihnen und ihrem Aktienkurs am besten gefällt. Es ist nicht nachhaltig, wenn Getreide in Biogasanlagen "vernichtet" wird, weil es sich mehr lohnt daraus Wärme und Strom zu machen, als es für die Ernährung einzusetzen. Es ist nicht nachhaltig, mehr Milch zu produzieren als gebraucht wird und dadurch Krisen herbeizuführen, die zum einen das Höfesterben hierzulande antreiben und zum anderen in Afrika die heimischen Märkte durch Milchpulverexporte zerstören. Und es ist nicht nachhaltig, Tiere unter solch niederen Umständen zu halten, dass hohe Verlustraten von vornherein mit einkalkuliert sind. Diese Vorgehensweise widerspricht in jeder Hinsicht dem Ausdruck: "Unsere Landwirtschaft ernährt die Welt". Wer das immer noch glaubt, hat die Zusammenhänge nicht begriffen. Wir vertrauen darauf, dass die Landwirtschaft mit den ihnen anvertrauten öffentlichen Gütern verantwortungsbewusst umgeht und sie für die Nachwelt erhält. Doch Vertrauen allein reicht nicht.


Es gibt nachhaltige Landwirtschaft

In Deutschland werden 7,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet. Diese Landwirtschaft ist nachhaltig, da sie auf chemisch synthetische Dünge- und Spritzmittel weitestgehend verzichtet, auf das Verhältnis von Tierzahl zu Betriebsfläche achtet und das Ziel eines geschlossenen Nährstoffkreislaufs verfolgt. Da die ökologische Landwirtschaft zudem auf die Einfuhr von Soja aus Brasilien und Argentinien verzichtet und sie einen bestimmten Anteil des benötigten Tierfutters auf den hofeigenen Flächen anbauen muss, liegt das Preissegment für Bioprodukte spürbar über dem von konventionellen Produkten. Die Preise von Lebensmitteln aus konventioneller, oft subventionierter, Landwirtschaft spiegeln nicht die eigentlichen Kosten wider. Denn Umweltzerstörung, Tierleid, mögliche Vertreibungen und Abhängigkeiten von Kleinbauern sowie Langzeitschäden werden in der Regel von unbeteiligten Dritten getragen und nicht durch die Verursacher. Nachhaltig und gemeinwohlökonomisch betrachtet, müssten Bioprodukte eigentlich um ein vielfaches günstiger sein als konventionelle Produkte. Dadurch würde Nachhaltigkeit einen Wert erhalten, der sich über den Preis transparent darstellen ließe.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 1/2018, Seite 6-8
Herausgeber: PROVIEH e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2018

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