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MARKT/1734: Die Getreide-Preise sind abgerutscht und decken kaum mehr die Kosten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Getreide: "Die Menge macht den Markt"
Die Preise sind abgerutscht und decken kaum mehr die Kosten

Von Berit Thomsen


Wir haben uns nur ein blaues Auge "geholt", sagt Stefan Palme, Geschäftsführer eines ökologischen und 1.100 Hektar großen Ackerbaubetriebs, eine GbR, in Brandenburg. Die Preise für Dinkel und Roggen haben sich in diesem Jahr halbiert und sind laut Palme "nicht tragbar". Dennoch hätte die gute Ernte noch etwas von den Verlusten ausgleichen können. "Könnte sein, dass dieses Jahr ein Minusjahr wird", sagt Franz Joachim Bienstein, der einen konventionellen 330 Hektar großen Ackerbaubetrieb in Mecklenburg-Vorpommern bewirtschaftet. Keiner könne Gerste für neun Euro die Dezitonne produzieren.

Die Kosten sind gestiegen. "Für Düngemittel wird 300 Prozent mehr gezahlt", sagt Bienstein. Axel Wilhelms von der Landberatung Lüneburg verweist auf eine ihrer Vollkostenermittlungen. Ausgehend von durchschnittlichen Erträgen müsse demnach Gerste mindestens 13,1 Euro die Dezitonne einbringen, um die Kosten zu decken; Weizen 13,9 Euro oder Roggen 12,7 Euro. Dabei wird Roggen schon für unter acht Euro die Dezitonne verkauft. Wilhelms weist darauf hin, dass bei dieser Vollkostenrechnung die Agrarzahlungen und Pachtpreise nicht berücksichtigt sind. Letzteres habe sich in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt, sagt Stefan Palme über seine Region. "18 Euro für eine Dezitonne Weizen sei nötig, um kostendeckend zu produzieren", sagt Gerhard Portz, konventioneller Ackerbauer in Rheinland-Pfalz.

Klaus-Dieter Schumacher ist Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung bei dem Getreideunternehmen Toepfer International. Seine erste Erklärung für die niedrigen Preise: Bei etwas geringerer Nachfrage seien die Ernteerträge mit Ausnahme von Argentinien weltweit sehr gut. "Die Menge macht den Markt", vermutet auch Wilhelms. Untergeordnet genannt wird der Einfluss von Börse und Spekulationen oder Bioenergie.


Produktion liegt über Verbrauch

Die weltweite Produktion der Hauptgetreidearten Weizen, Mais und Reis kann zwar das letzte Rekordjahr nicht toppen (1.917 Mio. t), verzeichnet aber im laufenden Wirtschaftsjahr, wenn die Prognosen des USDA (United States Department of Agriculture) ungefähr eintreffen, mit 1.889 Mio. t einen stetigen Anstieg gegenüber den Vorjahren und liegt leicht über dem weltweiten Verbrauch von 1.871 Mio. t. Die Lagerbestände sind gegenüber den letzten zwei Wirtschaftsjahren von 333 Mio. t (2007/08) auf 409 Mio. t (2009/10) gestiegen. Der Handel ist im gleichen Zeitraum zurückgegangen von 244 Mio. t auf 232 Mio. t und macht, bezogen auf die weltweite Produktion, weniger als 13 Prozent aus.

Das Produktamt FranceAgriMer meldet, dass in Frankreich "ein zu hohes Angebot" bei Weichweizen auf den Markt drücke und keine Zeit verloren werden dürfe, um umgehend auf den Exportmärkten präsent zu sein. Das USDA geht davon aus, dass 2009/10 die Weizenexporte der EU-27 um 4,5 Mio. t auf 20 Mio. sinken. Das Getreide zurückhalten und damit das Angebot vorläufig verknappen, empfiehlt in der Ukraine Ministerpräsidentin Julia Timoschenko angesichts der "unannehmbaren Preise für die Produzenten".

Ein Jahr nachdem die Getreidepreise 2007 Rekorde gebrochen haben, hat die EU die Flächenstilllegungspflicht ausgesetzt und mit den Beschlüssen im Health-Check abgeschafft. Die Anbaufläche von Weizen ist 2008 in der EU-27 prompt um 1,2 Mio. Hektar (knapp 5 Prozent) gegenüber dem Vorjahr ausgedehnt worden, meldet der Internationale Getreiderat. Bernd Voß, im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, schlägt eine vielfältigere Flächennutzung vor, etwa durch die Förderung des Leguminosenanbaus. "Damit könnte der Anbau gesichert und fortentwickelt werden und", so Voß weiter, "die Lücke in der Eiweißversorgung von 70 Prozent geschlossen werden." Außerdem reduziere eine größere Vielfalt in der Fruchtfolge den Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemittel. Gerhard Portz überlegt, nächstes Jahr seine "schwächeren" Flächen still zu legen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 325 - September 2009, S. 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2009