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MARKT/1766: Milcherzeuger bisher ohne "signifikante Marktmacht" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kartellamt rät: Bündelt Euch!

Milcherzeuger bisher ohne "signifikante Marktmacht".
Preisbindung für Milch Board in Grenzen erlaubt.
Grenzen sind aber noch lange nicht erreicht

Von Ulrich Jasper


Die Milcherzeuger sind in der Lebensmittelkette Milch das schwächste Glied. Dieser Befund zieht sich quer durch den "Zwischenbericht der Sektoruntersuchung Milch", den das Bundeskartellamt am 11. Januar veröffentlicht hat. Von allen bisher diskutierten Vorschlägen, wie die Stellung der Milchbauern am Markt verbessert werden kann, sehen die Wettbewerbshüter das Zusammenschließen in Milcherzeugergemeinschaften als, beste Maßnahme an.

Das Bonner Kartellamt hat den Milchmarkt über alle Stufen - von den Erzeugern über die Molkereien bis zum Handel daraufhin untersucht, ob oder inwieweit der Wettbewerb beeinträchtigt ist. Ausgelöst worden ist diese Untersuchung durch verschiedene Beschwerden und Anfragen, u.a. vom Deutschen Bauernverband (DBV), der die Behörde offenbar zur Überprüfung des Vorgehens des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) im Milchstreik-Jahr 2008 aufgefordert hatte. Das Amt schreibt dazu: "Der DBV hat angefragt, ob eine Kalkulations- oder Preisempfehlung kartellrechtlich zulässig ist."


Erzeuger ohne Macht

Aus Sicht des Amtes ist "das Verhältnis der Milcherzeuger zu den Molkereien (...) durch eine Machtungleichverteilung zu Gunsten der Molkereien gekennzeichnet". Weil die "Marktstufe der Milcherzeuger (...) fragmentiert", aber "die Marktstufe der Molkereien stärker konzentriert" sei, hätten die Bauern "keine signifikante Marktmacht", so der Bericht. Die schlechte Machtposition der Bauern macht das Kartellamt nicht nur an den langfristigen Lieferbindungen zu den Molkereien fest, sondern vor allem am bisher fehlenden Einfluss auf die Preisbildung, die von oben nach unten verlaufe.

Dabei sieht die Lage der Bauern in Genossenschaftsmolkereien laut Kartellamt keinesfalls besser aus als in privaten, eher umgekehrt: "Eine Preisbildung aus Sicht des Erzeugen ("bottom up") findet - wenn überhaupt - nur gegenüber privaten Molkereien statt, eine Preisbildung "upside down" ("der Erzeuger bekommt, was je nach Umsatz auf den Absatzmärkten übrig bleibt") findet gegenwärtig im Verhältnis der genossenschaftlichen Molkereien gegenüber ihren Genossen statt", so der Bericht. Diese Preisbildung von oben nach unten biete "weniger Anreize" für die Genossenschaften, bei deren Abnehmern (z.B. Handel) "einen höheren Abschluss zu erzielen, als wenn sie (die Genossenschaften) zunächst den Milchauszahlungspreis mit ihren Genossen aushandeln würden".

Diese schlechte Machtposition der Bauern gegenüber den Molkereien hängt auch nach Ansicht des Amtes mit den Überschüssen am Markt zusammen: "In einer Phase des Marktes, wo es (wie gegenwärtig) ein größeres Angebot an Rohmilch gibt, als nachgefragt wird, verlagert sich das Machtgleichgewicht zu Gunsten der Molkereien." Das Amt sieht derzeit keine Mehrheiten in der EU für eine geregelte Drosselung des Angebotes, außerdem sei das auch gegen die Interessen der Exportmolkereien gerichtet. Als einzigen Ausweg für die Bauern, aus der schwächsten Position am Markt herauszukommen, sehen und empfehlen die Wettbewerbshüter/innen das Zusammenschließen in Erzeugergemeinschaften. Milchbauern, bündelt Euch - das ist kurz gesagt die Handlungsanweisung des 137 Seiten dicken Berichts. Dabei unterscheidet das Amt ausdrücklich nicht zwischen Genossen und Erzeugern, die an private Molkereien liefern.


Milch Board, Bayern-MEG

Das Amt nennt als die zwei größten Milch-Erzeuger-Gemeinschaften (MEG) das Milch Board (MEG Milch Board), das vom BDM initiiert worden ist, und die Bayern-MEG, die nah am Bayerischen Bauernverband steht. Das Milch Board ist bekanntlich auch für Genossen offen, Mitglieder dürfen weiterhin in ihren bestehenden Lieferverträgen bleiben, und handelt daher nur mit wenig Milch. Die Bayern MEG dagegen ist allein auf Lieferanten von Privatmolkereien beschränkt, erfasst aber auch die Milch seiner Mitglieder. Das Milch Board hat nach eigenen Angaben knapp 25.000 Mitglieder (ein Viertel aller deutschen Milcherzeuger). Die Bayern MEG hat zwar weniger Mitglieder, bündelt laut Kartellamt aber immerhin 30 Prozent der in Bayern an Privatmolkereien gelieferten Milch.

Beide MEGs müssen nicht mit einem Einschreiten des Kartellamtes rechnen: Das Amt schreibt: "Die Erzeuger nutzen die ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Spielräume bisher allerdings allenfalls ansatzweise aus."


Erlaubte Preisbindungen

Der Bericht beschäftigt sich eingehend mit den Möglichkeiten von MEGs, die ihnen der Gesetzgeber insbesondere im Marktstrukturgesetz bewusst eingeräumt hat. Danach "sind insbesondere Preisbindungen zulässig", schreibt das Amt und erläutert: "Erzeugergemeinschaften können damit im Innenverhältnis zu ihren Mitgliedern ebenso die Preise festsetzen wie im Außenverhältnis zu ihren Abnehmern." Erlaubt ist das laut Kartellamt solange, wie "die Erzeugergemeinschaft den Wettbewerb auf dem Markt nicht ausschließt" - und meint damit den Wettbewerb der Molkereien um die Rohmilch. Eine kritische Grenze könne bereits erreicht sein, "wenn Molkereien in einer Region keine Bezugsalternative für die Beschaffung ihrer Rohmilch mehr haben". Der Bündelungsgrad in einer Region ist also entscheidend, nicht der bundesweite. Das Kartellamt schreibt weiter: "Eine flächendeckende (bundesweite) Preisvereinbarung mit der Forderung eines Basismilchpreises schließt national den Wettbewerb um Rohmilch aus, wenn [Anm.: also erst dann, wenn] Molkereien und andere Nachfrager nach Rohmilch auf dem betreffenden regionalen Markt nur noch zu einem Einheitspreis (oder teurer) einkaufen können." Solange sie in ihrer Region noch billiger an Milch kommen können, ist eine bundesweite Preisvereinbarung einer MEG mit einem Basismilchpreis also aus Sicht des Amtes erlaubt. Gegenwärtig bestehe kein Anlass, kartellrechtlich gegen das Milch Board oder gegen andere MEGs vorzugehen, ergänzt der Bericht.

Der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf sagte auf der Grünen Woche: "Für die Milchbauern ist es oberste Aufgabe, Weltmeister im Bündeln ihrer Milch und ihrer Interessen zu werden." Der Vizepräsident des DBV Udo Folgart meinte laut DBV-Pressemeldung dagegen, "nötig sei, dass Molkereien ihr Angebot bündeln." Letztere Meinung vertritt das Kartellamt nicht.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2010