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MARKT/1812: Die Eurex - eine Terminbörse für Molkerei-Produkte (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 337 - Oktober 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Die Eurex: eine Terminbörse für Molkerei-Produkte
Milchindustrie will auch an diesem Markt die Bauern außen vor halten.
Terminhandel ersetzt nicht bedarfsgerechte Mengenanpassungen

Von Lea Unterholzer


Ende Mai diesen Jahres hat die Frankfurter Börse Eurex AG den Kontrakt-Handel für Magermilchpulver und Butter eröffnet. Ebenfalls in diesem Jahr fand bzw. findet auch in Frankreich, USA und Neuseeland die Einführung neuer Milchkontrakte statt, wenngleich mit zum Teil anderen Konstruktionen. Die Frankfurter Eurex bietet bei Milch ausschließlich Kontrakte für Butter und Magermilchpulver an. Anders als in den USA wird somit kein Kontrakt auf Rohmilch angeboten, obwohl diese Rohmilch-Kontrakte in den USA viel stärker gehandelt werden als Butter- und Pulverkontrakte.


Eurex ohne Bauern

Wie Insider berichten, hat sich in Frankfurt vor allem die Milchindustrie durchgesetzt - sie wollte keine Rohmilch-Kontrakte. Offenbar will die Milchindustrie die Börse ausschließlich für sich nutzen, um sich im Verhältnis zu ihren Abnehmern, insbesondere gegenüber der Ernährungs- und Futtermittelindustrie, gegen Preis-Täler abzusichern. Aus Sicht der produzierenden Landwirte hätten Rohmilchkontrakte ein nützliches Instrument sein können, um zukünftige Preise besser kalkulieren zu können. Rückendeckung erhalten Eurex und Milchindustrie vom Deutschen Bauernverband (DBV). DBV-Vizepräsident Udo Folgart erklärte für den Futtermittelsektor, dass die Aufgabe der Preis-Absicherung an der Börse am besten in der Hand der nachgelagerten Stufe, also hier der Futtermittelhersteller, liegt. Die könnten das besser als die Landwirte, und sie hätten das ja auch bisher immer schon für die Landwirte übernommen.


Keine Börse ohne Spekulanten

Der Terminhandel funktioniert aber nur, wenn es genügend viele Teilnehmer gibt. Dabei handeln nur die Wenigsten parallel zum Kontrakthandel auch mit den entsprechenden Waren, wie z.B. Milch oder Butter und Pulver. Experten schätzen, dass einem Absicherer - also etwa dem Milchbauern oder einer Molkerei - neun Spekulanten gegenüberstehen. Durch die Teilnahme am Terminbörsengeschäft als Erzeuger oder Verarbeiter werden für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt Preise sichergestellt. Dafür werden standardisierte Verträge über die Menge, die Qualität, den Zeitpunkt und Ort der Lieferung ausgegeben, so dass einzig der Preis handelbar ist. Ein Kontrakt umfasst z.B. X Tonnen Butter. Im Gegensatz zu den landläufigen Kassamärkten, wo Waren gehandelt werden, geht es bei den Terminmärkten nicht um den tatsächlichen Austausch der Ware, sondern einzig um ein Finanzgeschäft. Statt der Lieferung von Ware findet spätestens zum Ende der Kontraktlaufzeit ein Gegengeschäft statt: Ein identischer Kontrakt wird zurückgekauft, d.h. der eigene wird "glattgestellt". Nur bei der Warenterminbörse wird notfalls auch die entsprechende Ware fällig, wenn der Kontrakt nicht vor Ablauf glattgestellt worden ist. Die Eurex in Frankfurt ist aber keine Waren-, sondern eine reine Terminbörse, wo nur Geld fließt. Hat sich nun der Preis für den Kontrakt in der Zeit zwischen Verkauf und Rückkauf geändert, ergibt sich ein Gewinn oder Verlust. Ist der Preis für den Kontrakt gestiegen, macht der Börsenteilnehmer mit dem Kontrakthandel an der Börse folglich einen Verlust. Weil sich aber die Börsenpreise beim Glattstellen sehr nah am (tatsächlichen) Warenmarkt bewegen, kann ein Landwirt den Verlust, den er an der Börse macht, durch den über dem abgesicherten Preis liegenden Erlös ausgleichen. Hat sich aber der Preis für den Kontrakt zwischen Verkauf und Rückkauf verringert, dann macht der Landwirt an der Börse Gewinn, denn er hat seinen Kontrakt damals höher verkauft, als er ihn jetzt zurückkauft. Jetzt gleicht der Gewinn an der Börse den "Verlust" am Warenmarkt (Kassamarkt) aus, der sich aus dem im Vergleich zu dem "damals" abgesicherten Preis für die Waren ergibt. Entsprechend der Differenz des festgelegten Preises, welcher von der Clearingstelle bezahlt wird, und dem aktuellen an der Börse gehandelten Preis kann ein Gewinn- oder Verlustgeschäft erzielt werden. Da der tatsächliche Verkauf der Ware an den Kassamärkten stattfindet, ist es den Produzenten möglich, etwaige an der Börse entgangene Gewinne auf dem Kassamarkt zu erzielen. Der Preis ist also nach unten abgesichert und kann im günstigen Fall auf dem Kassamarkt höher sein als der im Kontrakt festgelegte. Der Terminhandel ist also kein Instrument, um absolut hohe Erzeugerpreise zu sichern, sondern dient dem Absicherer dazu, Preise und damit Erlöse für ihn selbst kalkulierbarer zu machen. Das gilt aber eben nur maximal für die Laufzeit des Kontraktes. Und die längsten Kontraktlaufzeiten für Butter und Pulver sind an der Eurex 18 Monate. Außerdem muss das Produkt Preisschwankungen ausgesetzt sein, damit eine Preisabsicherung sowie eine Spekulation zum unternehmerischen Gewinn anzunehmen sind. Daraus geht hervor, dass der Handel an Terminbörsen je nach Interessenslage zur Absicherung der. Preise dienen kann, ebenso wie zu spekulativen Zwecken. Spekulanten beteiligen sich an dem Handel, um Gewinne zu erzielen. Sie haben keine Ware zu verkaufen, sondern eine Meinung zu der Marktentwicklung, auf die gesetzt wird. Eine dritte Teilnehmergruppe sind Arbitrageure. Das Ziel der Arbitrage ist ebenfalls die Gewinnmaximierung, die mittels räumlicher und zeitlicher Preisdifferenzen, auch an verschiedenen Terminbörsen, erzielt wird. Gewinne werden ab dem Zeitpunkt verbucht, an dem Lagerhaltungs- und Transaktionskosten an der Börse geringer sind als die erzielte Preisdifferenz. Die Kombination aus den verschiedenen Teilnehmern sorgt für die nötige Liquidität und Bewegung an der Börse, die reine Hedginggeschäfte nicht leisten können. Spekulanten und Arbitrageure übernehmen sozusagen das Risiko für die Preisabsicherer.


Milch und Terminhandel

Im Vergleich zu Schweinen oder Getreide ist die Milch ein Produkt, das kontinuierlich auf dem Markt erzeugt wird. Die Produzenten sind damit nicht auf die Preislage zu einem bestimmten Zeitpunkt angewiesen, sondern brauchen konstante Erzeugerpreise, die die Produktionskosten decken. Ein Problem also, das sich durch eine Börsennotierung nicht beseitigen lässt. Verschiedene wissenschaftliche Beiträge sprechen den Terminbörsen zu, Preisschwankungen reduziert zu haben. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass auch andere Einflüsse dazu geführt haben könnten, da durch die Einführung ein direkter zeitlicher Vergleich nicht stattfinden kann. Da die Milch kein haltbares Produkt ist und damit für die Terminbörsen nicht geeignet ist, hat man sich für verarbeitete Produkte entschieden. Magermilchpulver und Butter. Daraus folgt, dass nicht die Landwirte, sondern nur die Molkereien Teilnehmer an der Börse sein können. Den Landwirten bleibt die Möglichkeit, die Preise zu beobachten. Transparenz ist eines der Schlagworte, welches mit der Einführung der Milchkontrakte häufig gebraucht wird. Grundsätzlich gilt: Je höher die Umsätze an der Börse sind, umso repräsentativer werden die Preise für Milch. Gestaltet sich der Terminbörsenhandel international, so werden sich die regionalen Preise für das jeweilige Produkt weiter anpassen. Was also bei aktivem Terminbörsenhandel passiert ist die weltweite Gleichschaltung von Milchpreisen, unabhängig von regionalen Produktionskosten.

An der Eurex findet die tägliche Preisbildung mittels Indizes statt. Bei Magermilchpulver und Butter setzt er sich aus dem Mittelwert von etablierten Preisfeststellungsmechanismen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland zusammen. Da sich Börsen- und Kassamarktpreise zu Ende der Kontraktlaufzeiten anpassen, werden sich die Milchpreise in den Ländern, und seien sie noch so transparent, nicht an tatsächlichen Produktionskosten orientieren, sondern weiter von den Molkereien vorgegeben.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 337 - Oktober 2010, , S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2010