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MARKT/2088: Milch - Mengendruck machen! (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Mengendruck machen!
Milchbauern und -bäuerinnen müssen sich wieder in Bewegung setzen

Von Claudia Schievelbein


Herr Putin habe eine Marktstörung erzeugt, so die lapidare Analyse von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zum Milchpreis in einem Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin. Man könne den Milchmarkt aber nicht staatlich regulieren, nur Wettbewerbsbedingungen verbessern, wie man es bereits durch Bündelungsunterstützung tue. Export auf Augenhöhe, sei der richtige Weg. Auch die Situationsbeschreibung eines Vertreters der Molkerei Hochwald auf der EuroTier ist ähnlich nüchtern: Der Preis war durch Wachstumsaktivitäten einiger Milchviehbetriebe bereits unter Druck, dann kam das Russlandembargo..., aber die Anzeichen sprächen dafür, dass sich der Preis Mitte nächsten Jahres stabilisiere. Auf welchem Niveau sagt er nicht. Milchbauern und -bäuerinnen formulieren derzeit schon mal dramatischer. "Das Land muss erst noch geboren werden, was all unsere Milch säuft", sagt Stefan Lehmann, Milchbauer im Schwarzwald und im Vorstand des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter (BDM). Und es sei scheinheilig, so Lehmann, wenn der Bauernverband nun den Handel für den Milchpreisverfall verantwortlich mache, der gebe lediglich weiter, was die Milchindustrie ihm anbiete. Sein Vorstandskollege Martin Morisse aus Ostfriesland ergänzt, dass Bundesminister Schmidt wohl auch deshalb keine wirkliche Krise sehen wolle, weil er dann ja handeln, etwas ändern müsse. Morisse und der BDM sehen die Politik in der Pflicht, die vorhandenen Instrumente, insbesondere die auf EU-Ebene eingerichtete Monitoringstelle, dahingehend weiterzuentwickeln, dass sie marktwirksam eingreifen kann. Dafür müsste allerdings die EU-Kommission aktiv werden, und die agiert nur auf Druck der wichtigen Mitgliedstaaten, z. B. auf Druck aus Deutschland. Minister Schmidts Haltung ist bislang eindeutig ablehnend, wenn es um Markteingriffe geht, auch den vom BDM geforderten runden Tisch hält er für unnötig. Wie auch der Bauernverband kritisiert Schmidt die Handelskonzerne, die die Preise für Milchprodukte in ihren Läden gesenkt haben.

Fünf vor zwölf

Der AbL-Bundesvorsitzende und Milchbauer Bernd Voß sieht, wie seine BDM-Kollegen, hier bewusste Dresche auf den Falschen. Lanciert vom Bauernverband, der die Molkereien in ihrer exzessiven Exportorientierung unterstütze, werde der Handel als Sündenbock vorgeschoben. Dabei hätte es neben der Politik gerade die Milchindustrie mit den Molkereien in der Hand, über regulierende Eingriffe in den Markt den Milchpreis auf einem Niveau zu halten, der für die Milchbäuerinnen und -bauern auskömmlich sei. Aber das Gegenteil ist der Fall, Molkereien forcieren derzeit eher die Mengenexpansion einiger, dem Ende der Milchquote entgegen melkender Betriebe. "Es ist fünf vor zwölf", so Voß im Hinblick auf die im März 2015 endende Mengenbegrenzung der Milch in Europa über eine Erzeugerquote, "noch kann man initiativ werden und auch die hohen Kosten für die Steuerzahler, die mit dem strukturzerstörenden Milchpreisverfall kommen werden, verhindern." Die Möglichkeiten lägen auf dem Tisch, ob es nun politische Maßnahmen auf EU-Ebene seien, wie die Erweiterung der Monitoringstelle um eine Eingriffskompetenz, oder das Aktivieren jenes von Frankreich ins alte EU-Parlament eingebrachte Bonus-Malus-Systems, das auch Frankreichs Agrarminister Stephan LeFoll gerade wieder bei seinem deutschen Kollegen ins Gespräch gebracht hat. Gleichzeitig hätten die Molkereien aufgrund der Tatsache, dass sie über alle Daten verfügen und ob ihrer Struktur sehr wohl Möglichkeiten mengensteuernd einzugreifen. Man müsste - egal wo - nur wollen. Es fehlt der Druck der Milchbäuerinnen und -bauern und weiter dann auch der Gesellschaft. So ganz scheint der schlechte Auszahlungspreis noch gar nicht bei allen angekommen zu sein, mutmaßt Voß, obwohl die gerade von Minister Schmidt immer wieder abwiegelnd ins Feld geführte kurzzeitige Phase kostendeckender Preise letztes Jahr kaum zur Erholung gereicht hatte. "Die Betriebe haben auch viel investiert in den letzten Jahren", so Voß "in Verbesserungen in Sachen Tierwohl und Umweltschutz, gesellschaftlich gewünscht." Auch Martin Morisse sieht mehr Höfe am Limit, ein bei ihm ansässiger Lohnunternehmer, der viel Futterwerbung für Milchviehbetriebe macht, hat ihm gegenüber von Ausständen der Bauern berichtet, die dieses Jahr mehr als doppelt so hoch sind wie im vergangenen. Trotz des vielen Unmuts über die schlechten Preise, gibt es kaum Mut dagegen aufzustehen unter den Bauern und Bäuerinnen. "Ich weiß gar nicht was ich sagen soll", Kirsten Wosnitza, BDM-Milchbäuerin in Schleswig-Holstein ist ein Stück weit ratlos. "Der Bauernverband sage: "Krisen böten Chancen" und "die Vorsichtigen und Tüchtigen haben es immer geschafft." Dazu wollten offenbar alle gehören, zu denen, die es schaffen. Dass das am Ende nicht so sein werde, würden sich viele nicht eingestehen, so Wosnitza. Auch Martin Morisse nimmt eher eine Ellenbogenhaltung wahr, nach dem Motto: "wenn der Nachbar aufhört, hab ich mehr Platz zum Wachsen." Gleichzeitig werde angehenden Betriebsleitern in der Berufsschule empfohlen, doch bald einen Investor zu suchen, der mit in den Betrieb einsteige. "Damit sieht man dann den stattfindenden Strukturbruch auch nicht", so Morisse.

Druck machen

Dabei muss eigentlich gelten, an einem Strang zu ziehen. Bernd Voß hofft darauf, dass doch noch eine bäuerliche Bewegung in Gang kommt, die sagt: "nicht mit uns!" Unterstützung müsste sie aus der Gesellschaft erhalten, die Forderungen nach einer bäuerlichen Milchvieherzeugung, möglichst mit Weide und eigener Futterversorgung aufstellt. Niedersachsens AbL-Vorsitzender Ottmar Ilchmann ist überzeugt davon, dass die Milchviehhaltung gesellschaftlich bislang nur so gut wegkommt, weil sie nach wie vor häufig sehr transparent ist, dadurch, dass Kühe auf der Weide stehen. In den Niederlanden ist Weidegang inzwischen Voraussetzung für neue Stallbauten und damit auch ein milchmengenbegrenzender Faktor. Muss man also ein entsprechendes Ordnungsrecht fordern, wenn denn weder Milchindustrie noch Politik sich zur Mengensteuerung durchringen können? Oder sollte man sich für die Weiterführung der Quote einsetzen, bis es eine adäquate mengensteuernde Alternative gibt, wie es die AbL-Regionalgruppe bayerisches Oberland in die Debatte einbringt? Was man zumindest nicht sollte ist klar: resignieren und gar keinen Druck machen. Noch gibt es nicht nur viel Milch, sondern auch viele Milchbauern und -bäuerinnen - und das sollte auch möglichst so bleiben.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 383 - Dezember 2014, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2015

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