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VERBAND/1453: Alles geht gut ohne Bauernverband (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Alles geht gut ohne Bauernverband

Wie regelt man was nach dem Austritt?


Rechtsberatung, Anträge zur Landwirtschaftlichen Sozialversicherung oder Buchführung - wie regelt man das außerhalb des Bauernverbands? Für viele ist dies gar keine Frage mehr, weil sie all das mittlerweile längst problemlos und unabhängig davon geregelt haben. Und auch jene, die vor dem Austritt stehen, sollten sich diesbezüglich keine Sorgen machen - auch wenn manche Bauernverbands-Vertreter immer wieder die Unerlässlichkeit ihrer Geschäftsstellen herausstellen.

Vorab: Sehr viele Geschäftsführer und Mitarbeiter der Bauernverbands-Kreisstellen leisten eine kompetente und gute Arbeit, die von vielen Bauern geschätzt wird. Deshalb tun sich auch viele schwer mit dem Austritt, obwohl sie längst erkannt haben, dass die maßgebliche Funktionärsriege nicht mehr die Zukunft der großen Mehrheit der Landwirte im Blick hat, sondern strukturell und postenmäßig eng verflochten ist mit Molkereien, Ernährungsindustrie und Agrobusiness und deren Interessen an agrarindustriellen Strukturen mit niedrigen "Rohstoff"-Kosten. Beim Milchstreik gab es deshalb ja auch oft die Überlegung, nur noch den Beitragsanteil zu zahlen, der in den Kreisstellen verbleibt.

Die Diskussion um die Austrittswelle aus dem Bauernverband und dessen angebliches Meinungs- und Vertretungs-Monopol gegenüber den Bauern geht weiter. Doch wie regelt man nach einem Austritt was auf welchem Wege?


Landwirtschaftliche Sozialversicherung (Krankenkasse, Alterskasse, Berufsgenossenschaft)

In manchen Bundesländern ist der Bauernverband durch Verträge und durch Vorab-Vergütung verpflichtet, seine Beratung auch Nichtmitgliedern zur Verfügung zustellen. In anderen Bundesländern bieten die Geschäftsstellen dies freiwillig gegen Vergütung an. Man kann sich aber auch ganz einfach an die Sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammern oder Ämter wenden oder auch direkt an die Geschäftsstellen der Landwirtschaftlichen Sozial-Versicherungen (LSV). Dort wird man kompetent und ohne Umwege beraten und beim richtigen Ausfüllen der Anträge unterstützt - auch per Telefon, so Herr Seibert von der LSV Hannover. Betriebs- und Haushaltshilfe läuft ohnehin oft über den Maschinenring.


Buchführung und Steuerberatung

Diese bietet der Bauernverband ohnehin nicht selbst, sondern über seine Tochtergesellschaften an - meist auch für Nichtmitglieder. Ohnehin findet man überall gute und kompetente landwirtschaftliche Buchstellen und natürlich auch Steuerberater.


Rechtsberatung

Bei den immer komplexeren Fachfragen ist man ohnehin gut beraten, jeweils einen Fachanwalt aufzusuchen und zuvor eine gute Rechtschutzversicherung abzuschließen. Für eine Erstberatung gibt man sonst eben einen kalkulierbaren Grundbetrag aus und entscheidet dann über die weiteren Schritte (wie nach der Beratung durch den Bauernverband). Diese juristischen Schritte muss man aber ohnehin in jedem Fall selbst verantworten. Aber da sind ja dann auch noch die über die Jahre gesparten Bauernverbandsbeiträge, zumal die meisten "Extra-Leistungen" des Bauernverbands mittlerweile ja auch Extra-Gebühren kosten... Die AbL hat übrigens für ihre Mitglieder einen Grundvertrag mit einer der besten deutschen Agrarkanzleien abgeschlossen, der eine kostenlose Erstberatung ermöglicht.


Bürokratiehilfe (Grundantrag, Cross-Compliance)

Hier kann man sich zum Beispiel auch gut durch die Beratungsringe, freie Berater, die Kammern oder die Ämter beraten lassen, und natürlich - wie überhaupt - auch durch Nachbarn und Berufskollegen.


Sonstige Angebote

Über die sonstigen "Service-Angebote" des Bauernverbands (Rabatte bei bestimmten Firmen, Versicherungsangebote) lohnen sich keine großen Ausführungen, zumal sie oft recht einseitig ausgewählt scheinen.


Fazit: Austreten und Eintreten!

Die Agrarpolitik des Bauernverbands nutzt den meisten Bauern nicht nur wenig oder gar nichts, sondern schadet ihnen eher - und dies oft auch ganz massiv und existenziell wie beim Milchpreis. Umso mehr gilt: Nicht nur austreten, sondern vor allem auch eintreten - für die eigenen Interessen, gemeinsam in BDM und AbL!

Man braucht den Bauernverband auch in allen anderen Angelegenheiten absolut nicht.

Das Austritts-Schreiben rechtzeitig abschicken, weil oft eine zweijährige Austrittsfrist die Motivation zum Austritt lähmen und die Übergangsbeiträge sichern soll. (en)


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Tipps für drei wichtige Sozialversicherungs-Anträge:

1. Wenn eine Betriebs- oder Haushaltshilfe gebraucht wird, ist bis zum ersten Tag des Einsatzes der Ersatzkraft lediglich ein telefonischer Antrag bei der LSV nötig.

2. Vor der endgültigen Antragstellung auf Altersgeld oder Rente (mit Nachweis der Flächenabgabe) sollte man einen Beratungstermin bei der LSV abmachen.

3. Bei einem Arbeitsunfall müssen Landwirte - anders als Arbeitnehmer - binnen drei Tagen eine Unfallanzeige an die LSV schicken, das geht zunächst auch telefonisch.


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Proteste gegen Hilse und Kliem

Auch oder gerade in den Heimatverbänden von Bauernverbandsgrößen "rumort es": In Werner Hilses Kreisverband Lüchow-Dannenberg sagte Bezirksvorsitzender Jens Wohler, die Bauern fühlten sich vom "überlasteten Präsidenten" in Hannover nicht gut vertreten, vor allem auch bei der Milch: "Wenn die in Hannover genug Arsch in der Hose hätten, würden sie sich in Krisenzeiten auch mal an der Basis sehen lassen..."

Bezirksvorsitzender Günter Kantelberg kritisierte Hilses zahlreiche Aktivitäten neben seinen Bauernverbandsämtern - Hilse solle sich intensiver für die Bauern einsetzen und nicht für die gewinnorientierten Interessen von Industriebetrieben, die zu Lasten der Landwirtschaft wirtschafteten. Sauer sind viele Rapsbauern auch wegen Hilses unklarer Rolle als Vorstand der Wittinger Ölmühle, über deren millionenschweren Konkurs Konkursverwalter und Staatsanwaltschaft ermitteln.

In Thüringens Bauernverband gibt es heftigste Proteste gegen den Versuch von Bauernverbandspräsident Klaus Kliem, die von ihm geleitete Groß-Agrargesellschaft ADIB durch eine "feindliche Übernahme" der benachbarten Agrar-Betriebsgesellschaft BEAG auf weit mehr als 10.000 Hektar zu vergrößern. (en)


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 318 - Januar 2009, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,00 Euro
Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2009