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VERBRAUCHERSCHUTZ/1136: Taiwan - Protest gegen belastete Fleisch-Importe aus den USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2012

Taiwan: Kein Ractopamin im Fleisch! - Verbraucher befürchten belastete US-Importe

von Dennis Engbarth

Konsumenten protestieren gegen mit Ractopamin belastetes Importfleisch - Bild: © Dennis Engbarth/IPS

>Konsumenten protestieren gegen mit
Ractopamin belastetes Importfleisch
Bild: © Dennis Engbarth/IPS
Taipeh, 20. März (IPS) - In Taiwan gehen Verbraucher und die politische Opposition auf die Straße. Sie protestieren gegen den Beschluss der Regierung der Chinesischen Nationalistischen Partei (KMT), das Importverbot für US-amerikanisches Rindfleisch zu lockern, das Rückstände von Ractopamin enthält. Wie in vielen anderen Ländern ist auch in der südostasiatischen Inselrepublik die Beimischung des Wachstumshormons zum Viehfutter ebenso verboten wie der Import von mit Ractopamin belastetem Fleisch.

Die Kritiker werfen dem im Januar wiedergewählten Präsidenten und KMT-Vorsitzenden Ma Ying-jeou vor, die Gesundheit der Bevölkerung aus politischen und wirtschaftlichen Gründen aufs Spiel zu setzen. Anfang Februar hatte Ma bei einem Besuch des Direktors des 'American Institute for Taiwan', Raymond Burghardt, angekündigt, seine Regierung könne die seit Jahren unterbrochenen Verhandlungen mit Washington über Importerleichterungen für Rindfleisch und Rindfleischprodukte wieder aufnehmen.

Die Parlamentsabgeordneten reagierten unverzüglich auf Mas Ansage. Mehrheitlich, auch mit 30 Stimmen der KMT, sprachen sie sich für eine Revision des Gesetzes zur Regulierung der Gesundheitsverträglichkeit von Nahrungsmitteln aus. Durch die Einführung eines Teststandards, der keinerlei Zusätze erlaubt, würde das Importverbot für US-Fleisch weiterhin bestehen bleiben.


Kontroverse

Lin Chia-lung, Abgeordneter der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), sagte IPS: "Washington geht es darum, mit Taiwan einen Fuß in die Tür zu anderen Märkten in der Region wie China, Japan und Südkorea zu setzen." Taiwan selbst bezieht derzeit aus den USA nur 3,7 Prozent seiner Importe von Rindfleisch und verschiedenen Nebenprodukten im Gesamtwert von jährlich 5,42 Milliarden US-Dollar.

Washington versucht seit Jahren, Taiwan zu einer völligen Freigabe des Fleischhandels zu bewegen. Vor dem Parlament in Taipeh erklärte Wirtschaftsminister Shih Yen-hsiang kürzlich, Washington wolle Taiwans Zuverlässigkeit als Handelspartner auf die Probe stellen. "Eine Blockade der Importerleichterungen für Rindfleisch könnte die laufenden bilateralen Gespräche über Handel und Investitionen ebenso stoppen wie Pläne der USA, Bürgern aus Taiwan Besuchervisa auszustellen", warnten Ökonomen.

Vorangegangen waren drei Hearings von Regierungsbeamten und Gesundheitsexperten, bei denen keine Einigung über mögliche Auswirkungen von Ractopaminzusätzen im Fleisch erzielt wurde. Nicht einmal die Welternährungsorganisation (FAO) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hätten sich auf unbedenkliche Höchstwerte von Ractopamin verständigen können, betonte Chou Chin-cheng, der Dekan der Schule für Tiermedizin an der Nationaluniversität von Taiwan.

"Es gibt bislang keine glaubhaften Studien über den direkten Einfluss von ractopaminhaltigem Rind- oder Schweinefleisch auf die menschliche Gesundheit", sagte der Wissenschaftler. Es sei möglich, dass das Wachstumshormon bestimmten Gruppen wie Kleinkindern, Diabetikern oder Menschen mit Bluthochdruck gefährlich werden könnte, betonte Chou.

Nach den unentschieden ausgegangenen Hearings kündigte die Regierung an, sie plane eine "an bestimmte Bedingungen" gebundene Handelserleichterung. Dazu gehört eine Kennzeichnungspflicht für Rindfleischprodukte aus den USA, die Ractopamin enthalten. Zudem müssten Taiwans Behörden bei den Rindfleischimporten die Höchstwerte des Wachstumshormons bestimmen. Das Importverbot für Schweinefleisch und Schweinefleischprodukte mit Rückständen von Ractopamin soll bestehen bleiben.

Trotz der amtlichen Versicherung, Ractopamin sei unschädlich, bleiben Taiwans Bürger skeptisch. Bei einer Befragung von 1.107 Erwachsenen, die das regierungsfreundliche Satellitenfernsehen TVBS von am 12. und 13. März durchführte, lehnten 59 Prozent der Interviewten die bedingten Handelserleichterungen ab. Nur 19 Prozent unterstützten die Regierungspläne.


Proteste

Nachdem die Regierung ihre Entscheidung am 8. März bekannt gegeben hatte, protestierten hunderte aufgebrachter Bürger vor dem Kabinettsgebäude. Die 'Taiwan Anti-American Beef Alliance' (TAAB), zu der sich mehr als 60 Organisationen von Verbraucher- und Umweltschützern sowie andere zivile Gruppen zusammengeschlossen haben, organisierten die Demonstration. Eine Woche später gab TAAB sich einen neuen Namen. Der 'National Alliance for Food Safety' haben sich inzwischen mehr als 100 Gruppen angeschlossen.

Ho Tsung-hsun, Chef der 'Life Conservation Association' in Taiwan, sagte IPS, diese neue Koalition werde sich für ein Totalverbot von Ractopamin einsetzen sowie für mehr Transparenz und Mitarbeit in der Lebensmittelpolitik der Regierung. Ho betonte, die von der Opposition abgelehnten Deregulierungspläne würden im Parlament scheitern, falls zusätzlich nur elf der 33 KTM-Abgeordneten bei ihrer Ablehnung blieben. (Ende/IPS/mp/2012)


Link:
http://www.codexalimentarius.net
http://www.who.int/foodsafety/chem/en/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107109

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2012