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ENTWICKLUNGSHILFE/441: "Entwicklungshilfe in Afrika" - Eine Masche des Neokolonialismus (inamo)


inamo Heft 72 - Berichte & Analysen - Winter 2012
Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten

"Entwicklungshilfe" in Afrika: Eine Masche des Neokolonialismus

von Aissa Halidou



Der Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung Afrikas liegt in den Händen der Afrikaner, schreibt Aissa Halidou, die aus Niger stammt und derzeit an der Universität Bremen promoviert. Halidou geht aber noch weiter und empfiehlt den Austritt aus den internationalen wirtschaftlichen Institutionen und Investitionen in den Handel, nicht in Entwicklungszusammenarbeit (EZ). In ihrem Artikel beschreibt sie, warum die Entwicklungshilfe mit wirklicher "Hilfe" ohnehin nicht viel gemein habe.


Die "Entwicklungshilfe" hat sich zu einem stabilen System entwickelt und ist ein integraler Bestandteil des heutigen täglichen Lebens geworden. Das hat sich zu einem wesentlichen und unvermeidbaren Gesprächsstoff in den diplomatischen Beziehungen auf beiden Seiten (Geber und Empfängerländer) entwickelt.


Zusammenhang "Entwicklungspolitik" - Neokolonialismus

Derzeit sieht es auch nicht danach aus, dass diese Politik der "Entwicklungshilfe" zu Ende geht. Ganz im Gegenteil: Betrachtet man die Debatten über die Wirksamkeit der Hilfe, neigt man zu ihrem Fortbestehen. Weder die Deklaration von Paris (2005), die von der OECD & Co zusammengestellt worden ist, noch die Accra Agenda for Action (AAA) weisen auf ein nahes Ende der Politik der "Entwicklungshilfe".

Aber wenn das so ist, widerspricht das nicht der Ideologie bzw. dem Sinn und Zweck von "Hilfe"? Denn die Ideologie der Hilfe ist dem Bedürftigen zu helfen, aus seiner Bedürftigkeit herauszukommen. In diesem Sinne: Ist es nicht höchste Zeit, dass man sich die Frage stellt, warum nach fast 50 Jahren der "Entwicklungszusammenarbeit" bzw. "Entwicklungshilfe" Afrika immer noch nicht diese "Entwicklung" erreicht bzw. erzielt hat? Dabei hat es nur zehn Jahre gedauert für den Wiederaufbau und die "Entwicklung" Europas, das nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zerstört war.

War die Umsetzung der "Entwicklungshilfe" fehlerhaft? Oder liegt es an dem Modell der Entwicklung, die wir erreichen wollen? Oder ist es einfach weil Afrikaner die Verdammten dieser Erde sind wie Franz Fanon in seinem gleichnamigen Buch das schon sagte? Und dass sie verdonnert sind, den anderen auf dem Weg der "Entwicklung" zu folgen?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, kommt man nicht am kapitalistischen Imperialismus des Westens vorbei. Denn einige der Akteure dieses kapitalistischen Imperialismus sind gleichzeitig auch Akteure in der Politik der "Entwicklungshilfe" bzw. "Entwicklungszusammenarbeit". Hier sind beispielsweise internationale Institutionen wie UNO (Vereinte Nationen), IWF (Internationaler Währungsfond), Weltbank usw. gemeint.

Nehmen wir das Beispiel IWF-Weltbank: Die Weltbank ist seit Jahren und immer noch die größte internationale "Entwicklungsinstitution". Aber sie hat zusammen mit dem IWF jahrzehntelang die "Entwicklungsländer" in eine Politik der Strukturanpassungsprogramme, deren negative Auswirkungen immer noch zu spüren sind, verwickelt. Dies war natürlich nicht im Interesse dieser Länder und hat zum großen Teil dazu beigetragen diese Länder zu "unterentwickeln".


Kernpunkte der Strukturanpassungsprogramme:

- Marktderegulierung
- Währungsabwertung
- Privatisierung von Staatsunternehmen
- Streichung von Subventionen
- Förderung der Exportproduktion
- Senkung der Rohstoffpreise usw.

All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass diese Länder sich in einer Schuldenfalle befinden, Schulgeld eingeführt wurde, Gesundheitsdienstleistungen für viele Menschen in diesen Ländern unbezahlbar geworden sind. Bezüglich der Bildung sagte Schonecke in seinem Artikel über das Schulsystem in Niger: "Der finanzielle Würgegriff des Währungsfonds und die pro-westliche Weltbankpolitik haben langfristig negative Auswirkungen auf die Bildungssysteme armer Länder. Kritische Beobachter meinen, dies sei vielleicht sogar der geheime Zweck ihrer Politik. Wenn man Afrika lediglich als Rohstoffreserve für die Industriestaaten betrachtet, ist es eigentlich logisch, dass Menschen, die denken können, wenig erwünscht sind." (Schonecke 2003).

Unter der Berücksichtigung, dass internationale Institutionen wie die Weltbank seit mehreren Jahrzehnten mit unterschiedlichsten Strategien und erheblichem finanziellen Einsatz auf die Entwicklungen in Afrika Einfluss nehmen, stellt sich zurecht die Frage, weshalb es immer noch so gravierende Unterschiede im Index der Lebensqualität, der Gesundheitsversorgung, der Mütter- und Kindersterblichkeit etc. zwischen den westlichen Ländern und Afrika gibt. Diese Frage drängt sich erst recht auf, wenn man weiß, dass die Weltbank zum Wiederaufbau und zur Entwicklung Europas nach dem 2. Weltkrieg entscheidend beigetragen hat.

Auch wenn die Situation vor 60 Jahren in dem vom Krieg zerstörten Europa in vielerlei Hinsicht sich von der heutigen Misere in vielen afrikanischen Ländern unterscheidet, wäre es den führenden Köpfen der Weltbank zuzutrauen gewesen, dass sie auch in diesem Fall Lösungen gefunden hätten.

Unter solchen Umständen kann die Frage gestellt werden, ob ein Verbleib in den internationalen Institutionen in ihren jetzigen Ausprägungen überhaupt sinnvoll ist. Was ist der Nutzen für afrikanische Länder, als Teil der internationalen Staatengemeinschaft in die Institutionen integriert zu sein, wenn im Gegenzug ineffiziente Projekte in diesen Ländern umgesetzt und Rohstoffe nach Belieben von internationalen Konzernen angebaut und exportiert werden? Welches Interesse kann darin bestehen, Mitglied von Institutionen zu sein, deren Führerschaft zwischen Europa und den USA aufgeteilt ist? Théodore Macdonald (2012) hat die Situation in folgenden Worten beschrieben: "I have come to the conclusion that the present mechanisms for the globalization of trade and finance, especially as mediated by such agencies as the IMF, World Bank, WTO, etc., greatly distort and undermine the economics of the third world, while further advantaging bankers and corporations in the first."

Außerdem ist bekannt, dass die Länder Europas oder Nordamerikas sich nicht unter den gleichen institutionellen Bedingungen entwickelt haben, wie sie heute für die so genannten "Entwicklungsländer" gelten. Gleichwohl stellen sie ihre eigene Entwicklung als Musterbeispiele dar, wenn sie mit ihnen im Rahmen der "Entwicklungshilfe " oder "Entwicklungszusammenarbeit" mit internationalen Organisationen wie der Weltbank zusammenarbeiten.

Diese Situation hat Ha-Joon Chang (2003) unter historischen, ökonomischen und politischen Aspekten in seinem Buch "Kicking away the Ladder" sehr gut beschrieben und verdeutlicht. Darin vertritt er die Meinung, dass die "entwickelten" Länder nicht durch die Institutionen und eine solche Politik, die sie heute den "Entwicklungsländern" auferlegten, dorthin gelangten, wo sie heute seien. Das erklärt er weiter mit folgenden Worten: "It is a very common clever devise that when anyone has attained the summit of greatness, he kicks away the ladder by which he has climbed up, in order to deprive others of the means of climbing up after him. In this lies the secret of the cosmopolitical doctrine of Adam Smith, and of the cosmopolitical tendencies of this great contemporary William Pitt, and of all his successors in the British Government administrations." Die internationalen Institutionen IWF (Internationaler Währungsfond) und Weltbank oder sogenannte Bretton-Woods-Institutionen sind institutionelle Instrumente zur strategischen Umsetzung von wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Zielen. Aber es müssen beider Betrachtung dieser Institutionen auch deren Strukturen betrachtet werden. Wer ist für die Finanzierung zuständig und wie sieht die Kompetenzverteilung in diesen Institutionen aus? Dabei ist festzustellen, dass bei der Gründung dieser Institutionen die beiden Staaten USA und Großbritannien fast 50 Prozent der Stimmrechte erhielten. Weiterhin wurde fest vereinbart, dass die Führung der Bretton-Woods-Institutionen zwischen den USA und Europa aufgeteilt werden sollte. Ein Vertreter der USA sollte immer die Weltbank leiten und ein Vertreter Europas sollte immer für den Internationalen Währungsfond verantwortlich sein. Daher stellt sich immer wieder die Frage: Wo agiert die Weltbank als neutrale Finanzinstitution und wo wird sie selbst zu einem politischen Akteur? Allgemein formuliert sagt dazu Ziegler (2008) "In ihrer täglichen Praxis arbeitet die Weltbank nach strengen Bankkriterien. Ihre Statuten schließen ausdrücklich alle politischen oder sonstigen Vorbedingungen aus. Gleichwohl bestimmt ihre Praxis ein Gesamtkonzept, das nicht banktechnischen, sondern ideologischen Ursprungs ist: der Konsens von Washington."

Mit Strategien wie Strukturanpassungsprogrammen und der sogenannten "Schuldenfalle" steht die Weltbank der Nachhaltigkeit im Wirtschafts- und Entwicklungsprozess der "Entwicklungsländer" im Wege. Jere-Malanda (2007) hat die Situation in ihrem Artikel "Profiting from poverty" mit folgenden Worten beschrieben: "The agonising reality of what the IMF, World Bank and WTO have done to Africa through their adverse economic and trade policies is, sadly, battered news. What is not is the story of how these institutions have given their blessing to multinational corporations to roam Africa willynilly, and trump African governments and populations, all for the sake of corporate profits. Some of these corporations are not only gaining increasing influence on African governments, but enjoy larger annual incomes than the countries they exploit."


Der Weg zu einer nachhaltigen "Entwicklung" in Afrika
Der Weg zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas setzt zunächst eine geistige Arbeit der Afrikaner an sich selbst voraus. Denn oft befinden sich die Afrikaner in einer geistigen Gefangenschaft, sodass ihre Visionen von Lösungsansätzen begrenzt bleiben. Dies macht sie zu naiven, gutgläubigen und "fanatischen Anhängern" dieser klassischen "Entwicklungspolitik", was in Wirklichkeit viel mehr dem Westen nutzt als den Bedürftigen in Afrika oder, besser gesagt, den Afrikanern mehr schadet als es ihnen nutzt. Erst danach könnten die Afrikaner ihre eigene Politik bestimmen bzw. beeinflussen, damit sie weitere erforderliche Schritte der nachhaltigen "Entwicklung" einleiten können, die dann wiederum Reformen auf jeweils verschiedenen Ebenen erfordern. Diese wurden in selbst durchgeführten anonymisierten Interviews mit Akteuren der afrikanischen zivilen Gesellschaft vorgeschlagen. Denn oft besteht eine Kluft zwischen der Vision bzw. dem, was die afrikanischen politischen Führer und ihre westlichen Herrscher machen und dem, was die afrikanische Gesellschaft will:


Einheit und Reform der Bildung- und Wirtschaftspolitik

Die Einheit der Länder Afrikas und Reformen in der Bildung und Wirtschaftspolitik sind von großer Bedeutung, um Schritte in die Richtung der nachhaltigen Verbesserung des Elends Afrikas und der Afrikaner zu gehen. Dies erfordert ein individuelles Engagement jedes einzelnen Afrikaners ebenso wie das Engagement der jeweiligen politischen Eliten innerhalb der Parteien. "...(E)s gibt den individuellen Kampf, den jeder von uns führen kann und dann gibt es noch den Kampf auf organisatorischer Ebene, sprich in den politischen Parteien, den Vereinigungen die wir hier haben und dann auch noch auf staatlicher Ebene, wenn wir an der Macht sind oder para-staatlich wenn wir in der Opposition sind. Und dann auch noch auf der Ebene von internationalen Organisationen und im Parlament.

Wir müssen im Parlament die Aufmerksamkeit der Exekutive darauf lenken, im Sinne einer stärkeren afrikanischen Souveränität, einer stärkeren Kontrolle der afrikanischen Reichtümer und im Sinne einer stärkeren regionalen und kontinentalen Integration der afrikanischen Länder zuarbeiten, einer stärkeren Harmonisierung der afrikanischen Politik. Afrikaner müssen, wenn es ihnen nicht gleich gelingt die Integration in der föderalen Form der Gründung eines großen Staatenbundes Afrika zu gestalten, dass sie die regionale Integration vorantreiben indem sie regionale Föderationen gründen. Wir haben in Afrika 5 geografische Regionen, diese Regionen können in Föderationen umgewandelt werden und anschließend könnten diese Föderationen eine Konföderation bilden. Bis das geschieht müssen unsere Länder lernen, ihre Politik aufeinander abzustimmen, man muss die Politik der Institutionen, der Wirtschaft die Sozial- und Bildungspolitik harmonisieren. Gestern habe ich im Radio von der Festlegung des Datums für den Schulanfang am 15. September gehört und dieses steht im Kontext einer einheitlichen Politik im Rahmen der UEMOA (Union Économique Monétaire Ouest Africaine, Wirtschaftliche Union für Westafrikanische Währung)..., das ist ein großer Schritt. Wenn das Datum des Schulanfangs harmonisiert ist, dann können wir auch das Schulprogramm, das Datum der Examen und der Diplomprüfungen harmonisieren, das heißt es werden gemeinsame westafrikanische Diplome vergeben oder ein westafrikanisches Abitur. Auf diese Art hätten dann die Leute praktisch dasselbe Niveau, es gäbe keine Schwierigkeiten bei der Durchführung von Studien in einem anderen Land und es gäbe auch kein Problem in der Anerkennung der Diplome für die Arbeit, wenn sie mit diesen Diplomen dann in ihr Heimatland zurückkommen. Und das muss nicht nur im Bildungsbereich stattfinden, sondern überall; und ohne diese regionale Integration werden wir immer nur basteln. Aber das ist noch besser als nichts. Aber das Beste wäre, wenn wir schließlich uns nicht damit begnügen, in den Ländern zu leben, in denen wir derzeit sind, sondern sie zu integrieren; Niger, schön, das ist unser Land, aber es wäre noch besser, wenn dieses Land in einer großen Gemeinschaft beispielsweise Westafrika wäre und warum kann sich die UEMOA nicht mit der CEDEAO (Communaute Economique des Etats de l'Afrique de l'Ouest) zusammenschließen. Zu diesem Zeitpunkt würde es uns allen besser gehen und dann könnten wir noch besser darüber nachdenken, wie wir unsere Probleme gemeinsam lösen". (Anonymes Interview in Halidou, 2012).


Förderung eines fairen Handels statt "Entwicklungshilfe"

Ein anderer Faktor zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklung in Afrika ist die Förderung eines fairen Handels, der der Wirtschaft einen bleibenden Aufschwung geben könnte. Dies wurde von mehreren Gesprächspartnern angesprochen. Hierzu ein Ausschnitt aus einem weiteren Interview. Hierbei vertritt der Interviewte die Ansicht, dass dies zur Besserung der Lebensqualität führen würde: "Die beste Hilfe würde darin bestehen, gute Bedingungen für den Verkauf ihrer Baumwolle zu vernünftigen Preisen zu ermöglichen. Das ist die beste Hilfe. Wie die Engländer sagen "trade not aid", Handel aber keine Hilfe. Es ist besser, gute Bedingungen für einen gerechten Warenhandel zu schaffen an statt Menschen auszubeuten durch den Aufkauf unserer Rohstoffe und später so zu machen, als wolle man ihnen helfen. Das denke ich über die Hilfe. Auf alle Fälle ist es bekannt, dass man lieber Geschäfte machen sollte, als sich auf Hilfe zu verlassen. Es lohnt sich mehr, die besten Bedingungen für Entwicklungsländer zu schaffen, damit sie besser produzieren und ihren Lebensstandard verbessern können und ihre Produkte für einen gerechten Preis, höher als Produktionskosten, verkaufen zu können. Das ist wirkliche Hilfe, sie besteht darin, von unseren Produzenten ihre Produkte für einen Preis abzukaufen, den sie verdienen, anstatt dass sie produzieren und dann mit Verlust wieder verkaufen. Also, wir können sagen, dass Hilfe absolut negativ ist, anstatt den Menschen zu helfen, werden sie ausgenutzt. So muss man das sehen, in dieser Logik. Sie sehen zurzeit auch, was sich bei der WTO ab spielt, die Entwicklungsländer sind dabei, in wirkliche Probleme aufgrund des Verfalls der Wechselkurse zu geraten. Es gelingt ihnen nicht, ihre Produkte gut anzubieten, weil die Europäer, selbst auf der Ebene der Agrarproduktion, ihnen Konkurrenz machen - indem sie ihre industrialisierte Produktion auf den Markt werfen und da mit afrikanischen Produkten keine Chance lassen. Sie sehen, es sind bizarre Probleme, vor denen die Welt heutzutage steht, der Markt der Baumwolle und der Banane. Es gab während fast 20 Jahren einen Bananenkrieg zwischen den AKP-Staaten, also den afrikanischen Staaten und den lateinamerikanischen Staaten. All diese Bananen, die auf den europäischen und nordamerikanischen Märkten gelandet sind, wurden nicht zu ihrem normalen Preis gekauft. Der Import wird durch extrem hohe Einfuhrzölle gehindert. All das wurde gemacht, um die Produktion der afrikanischen Bananen einzuschränken. Und es gibt auch die Baumwolle, die in einer Vielzahl von afrikanischen Ländern wie beispielsweise Tschad, Burkina Faso, Côte d'Ivoire, Senegal, Sudan produziert wird. All diesen Ländern gelingt es heute nicht, sich von ihrer Baumwoll-Produktion zu ernähren.

Was können die afrikanischen Führer im Rahmen dieser Denkrichtung sagen? Vor allem weil man ihnen die Bedingungen und Auflagen für die Hilfszahlungen aufzwingt und damit für ihr Überleben an der Macht. Deshalb gibt es nicht viele Gedanken, die gemacht werden, alles was man von ihnen fordert, ist dass sie ihr Land führen, Finanzierungsanfragen formulieren und dann nach Geld suchen, mit dem die Schulden beglichen werden können, die ihnen zur Finanzierung ihrer Investitionen gemacht wurden, das ist alles. Man kommt praktisch in einen Teufelskreis, und in eine Staatsfalle, die fast noch schwerer ist als zu Beginn der kolonialen Epoche, da es zu diesem Zeitpunkt zumindest immer eine Alternative gab. Einige konnten sich als Sozialisten positionieren, andere als Liberale. Heu te sind alle Führer in der gleichen Soße. So ist die Situation und wenn sie dann in die internationalen Organisationen gehen, dann gehen die afrikanischen Staaten nicht als eine Gruppe, sie organisieren sich nicht, bevor sie dorthin gehen. Sie gehen mit unterschiedlichen Interessen, individuell. Dort werden ihnen dann verschiedene Probleme aufgezeigt, wobei die Lösungen ignoriert werden. Sie steigen nicht in die Debatten ein, sondern bleiben Beobachter. Am Ende sind es eigentlich keine richtigen Akteure, sie sind keine wirklichen Teilnehmer in den Diskussionen, sie sind Beobachter. Und das ist wirklich schade für Afrika; ich komme noch mal auf die WTO zurück, vor kurzem, vom 21. bis 29. Juli gab es in Genf eine Versammlung zu der nur um die vierzig Handelsminister von der Generaldirektion der WTO eingeladen wurden um noch mal einen Versuch zu starten, die Verhandlungen von Doha aus dem Jahr 2001 wieder fortzuführen. Stellen sie sich mal vor, von den 153 Mitgliedsländern auf der Erde wurden 40 eingeladen und hier gab es nicht viele afrikanische Staaten, es waren die Schwellenländer, die für den internationalen Handel von Bedeutung waren. Die Afrikaner, die dort gewesen sind, waren die Produzenten von Bananen und von Baumwolle. Es waren 4 oder 5, die sich dann in Genf getroffen haben. Das bedeutet, dass die kleinen Länder, die im internationalen Handel unbedeutend sind, ignoriert werden und ihre Stimme ist für die Verhandlungen nicht wichtig. Es ist diese Situation, die wir immer wieder erleben. Solange sich kein Land aufzwingt, so wie Indien, China, Brasilien, solange kann sie auf internationaler Ebene auch nicht die Stimme erheben. Die afrikanischen Staaten haben das Unglück, dass sie sich nicht gruppieren um gemeinsam bei internationalen Konferenzen aufzutreten und daher haben sie auch nicht viel Erfolg bei solchen Verhandlungen" (Anonymes Interview in Halidou 2012).


Bekämpfung von Korruption

Die Bekämpfung der Korruption spielte in vielen Gesprächen eine wichtige Rolle für eine nachhaltige Entwicklung in Afrika, wie es der folgende Ausschnitt aus einem Interview zeigt:

"You know, we need to reduce corruption, so that leaders focus on dealing with the problems of the poor rather than taking more and more resources from the poor and putting it in Swiss banks and that sort of thing".

Die Korruption also, auf eine gewisse Art, kann auch die Entwicklung bremsen. Das führt dazu, dass ein Teil der Staatsressourcen, die eigentlich im Interesse des Landes investiert werden sollten, nicht dazu genutzt werden können, weil sie von Einzelpersonen im Rahmen der Korruption unterschlagen wurden, was dann zur Verschlimmerung der "Unterentwicklung" beiträgt. Dennoch ist es wichtig hier zu erwähnen, dass die Korruption zwar ein hemmender Faktor der nachhaltigen "Entwicklung" in Afrika ist, aber keineswegs der Hauptgrund des Nichtfunktionierens der Entwicklungspolitik, wie das oft vom Westen dargestellt wird, wenn die Akteure der "Entwicklungspolitik" ihr Scheitern begründen sollen. So bleibt der Schlüssel der nachhaltigen "Entwicklung" in Afrika in den Händen der Afrikaner selbst und nicht in den Händen irgendwelcher internationalen Institutionen oder NGOs, denn die bessere "Entwicklung" ist diejenige, die man selbst geschaffen hat!


Aissa Halidou, Studium: Gesundheitswissenschaft, Promotion: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Aktiv in verschiedenen panafrikanischen Bewegungen.


Weiterführende Literatur:

Amin, Samir (1992). "Das Reich des Chaos". VSA-Verlag-Hamburg.

Chang, Ha-Joon (2003). "Kicking away the ladder: Development Strategy in Historical Perspective" Antem Press. London.

Halidou, Aissa (2012). "Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit der Weltbankprojekte im Gesundheitswesen der Entwicklungsländer am Beispiel der Republik Niger". Uni Bremen.

Jere-Malanda, Regina (2007) "Profiting from poverty: How western companies and consultants exploit Africa" In [New African, November 2007, No 467].

MacDonald, Théodore H. in:
http://www.londonmet.ac.uk/research-units/hrsj/staff-and-associates/$theodore-macdonald.cfm (angesehen am 11.01.2012).

Moyo, Dambisa (2010). "Dead Aid: Why Aid is not Working and How there is Another Way for Africa". Penguin books - London & New York.

Rodney, Walter (1982). "How Europe Underdeveloped Africa". Howard University Press - Washington D.C.

Schonecke, Wolfgang (2003). "Denkende Menschen nicht erwünscht" In Tagespost, in:
http://www.netzwerkafrika.de/dcms/sites/nad/laender/niger/ereignisse/nige_bildung.html (angesehen am 04.01.2009).

Ziegler, Jean (2008). "Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher". München C. Bertelsmann Verlag.

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Inhaltsverzeichnis - inamo Nr. 72, Winter 2012

Gastkommentar:
- Von der Pan-Sahel-Initiative zum neuen Grenzregime in der Sahara. Von Helmut Dietrich

Neokolonialismus:
- Europäische Nachbarschaftspolitik: Imperialer Neoliberalismus an der südlichen Peripherie. Von Jürgen Wagner
- Über "Boats4People" zu "Watch the Med": Euro-afrikanische Initiativen contra EU-Grenzregime. Von Helmut Dietrich
- Re-Kolonisierung und Neo-Imperialismus in der Sahara - Der Kampf um Ressourcen und Macht. Von Ines Kohl
- Die letzte Kolonie Afrikas. Über die marokkanische Besetzung der Westsahara. Von Malainin Lakhal
- Die französische Armee in Afrika. Von Bernhard Schmid
- Frankreich in Afrika: Sonderfall Äquatorialguinea. Von Joaquín Mbomio Bacheng
- Afrika wird ausgequetscht: Hinter jedem Landraub steckt ein Wasserraub. Von GRAIN
- "Entwicklungshilfe" in Afrika - eine Masche des Neokolonialismus. Von Aissa Halidou
- Auf der Jagd nach Herzen (und Konys Kopf) - AFRICOM: Armut- und Aufstandsbekämpfung. Von Jan Bachmann
- Sicherheit und Entwicklungsarchitektur in Afghanistan. Von Thomas Zitelmann
- Zur Aktualität Frantz Fanons. Von Jörg Tiedjen

Iran:
- Eine handvoll Exiliraner und über 120 Privatsender. Von Kaveh Parand

Israel/Palästina:
- Besuch im Gazastreifen: Demütigen und Erniedrigen. Von Noam Chomsky

Libanon:
- Der Sondergerichtshof für den Libanon und internationales Recht. Von Anna Oehmichen

Saudi-Arabien:
- Die Macht des Wortes und der Kampf der Saud-Familie um Legitimität. Von Christine Straßmaier

Syrien:
- Versuchsweiser Jihad: Syriens fundamentalistische Opposition. Von International Crisis Group
- Recht und Rechtswirklichkeit in Syrien zwischen Funktionsfähigkeit und Reformbedürftigkeit. Von Naseef Naeem

Türkei:
- Kritische Intellektuelle hinter Gittern. Von Büsra Ersanli

Sudan:
- Die Botschaft hinter dem Botschaftssturm. Von Roman Deckert / Tobias Simon

Wirtschaftskommentar:
- Lang lebe der Tyrann! Die Mär von den gutartigen Sanktionen. Von Ali Fathollah-Nejad

Zeitensprung:
- Denkmal für einen Schlächter. Von Dagmar Schatz

Nachruf:
- Friedemann Büttner. Von Eberhard Kienle / Peter von Sivers

Kritik & Meinung:
- Matin Baraki zu Thomas Ruttig

Ex mediis:
- M. Machover: Israelis & Palestinians / S. Wippel: Wirtschaft, Politik & Raum / S. Fayazmanesh: The United States & Iran. Von Alexander Flores; Heiko Schuß; Mirijam Koch

Nachrichten//Ticker

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Quelle:
INAMO Nr. 72, Jahrgang 18, Winter 2012, Seite 30 - 33
Berichte & Analysen zu Politik und Gesellschaft des Nahen und
Mittleren Ostens
Herausgeber: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.
Redaktion: INAMO, Postfach 310727, 10637 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2013