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MELDUNG/050: Universität Konstanz - Frühwarnsystem für Syrien (idw)


Universität Konstanz - 28.03.2013

Frühwarnsystem für Syrien

Ein Team von Konfliktforschern mit Konstanzer Beteiligung legt ein neues statistisches Instrument zur Prognostizierbarkeit zukünftiger Gewalt in bewaffneten Konflikten vor



Politikwissenschaftler der Universität Konstanz, der Universität Mannheim und der University of Colorado in Boulder, USA, haben aufgrund der Opferzahlen im syrischen Bürgerkrieg bis Ende Februar 2013 untersucht, wie groß die Gefahr einer weiteren Eskalation ist. In ihrer Analyse beziffern der Konstanzer Politikwissenschaftler Prof. Dr. Gerald Schneider, die Konstanzer Master-Studierende Anna Nöh und der Mannheimer Promovend Adam Scharpf sowie der Informatiker Prof. Aaron Clauset, PhD, (University of Colorado) das Risiko eines Massakers mit mindestens 250 oder mehr zivilen Todesopfern zwischen März und Mai 2013 auf bis zu 48 Prozent. Die Studie wird voraussichtlich im Mai 2013 in der Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung erscheinen.

Unter http://www.polver.uni-konstanz.de/gschneider/home/ ist sie zusammen mit den Replikationsdaten und weiteren Informationen bereits jetzt nachzulesen.

Aufgrund der intensivierten Kämpfe zwischen Rebellen und den Regierungstruppen von Präsident Assad ist der Bürgerkrieg in Syrien aktuell wieder vermehrt in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt. Verschiedene Beobachter fürchten, dass sich das blutige Ringen weiter intensivieren könnte. Erstmals in der Geschichte der Konfliktforschung wurden in der Studie besondere statistische Verteilungen wie die Potenzgesetze genutzt, um die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Gewalteskalation innerhalb eines andauernden Bürgerkrieges zu prognostizieren. Die gewählten Verteilungen passen aufgrund der bisherigen Konfliktintensität laut Schneider besser zum Kriegsverlauf in Syrien als etwa die Normalverteilung. Mit den Potenzgesetzen und ihnen ähnlichen Verteilungen können die Konfliktforscher demnach besonders der Gefahr begegnen, dass die Wahrscheinlichkeit extremer Ereignisse wie beispielsweise des Massakers in Homs mit mehr als 360 Toten unterschätzt wird.

Präzise Prognosen stellen nach ihm und seinen Mitverfassern ein Frühwarnsystem dar. Bleibt die Anzahl der Gewalttaten in Syrien wie in den letzten Wochen relativ stabil, so liegt die Gefahr, mindestens an einem Tag in einer der syrischen Provinzen Konflikte mit 250 oder mehr getöteten Zivilisten zu erleben, bis Ende Mai zwischen 20 Prozent und 28 Prozent. Nur wenn sich die Anzahl der Gewalttaten im Vergleich zu den Vormonaten deutlich reduziert, sinkt das Risiko von extremen Gewalttagen auf unter 15 Prozent. Bei einer Verdoppelung der Konfliktintensität steigt die Gefahr eines oder mehrerer besonders blutiger Konflikttage auf fast 50 Prozent. Schneider und seine Koautoren diskutieren in ihrer Studie die Gefahr, dass Konfliktforscher das Eskalationsrisiko aufgrund von verzerrten Opferstatistiken über- oder unterschätzen. Ihrer Ansicht nach sind die Bedingungen für eine Konfliktprognose im Bürgerkrieg in Syrien aufgrund der täglichen Berichterstattung sehr günstig. Damit ist die Voraussetzung für friedensfördernde Interventionen in hohem Maß gegeben.

Originalveröffentlichung:
Adam Scharpf, Gerald Schneider, Anna Nöh, Aaron Clauset, Die Blutspur des Vetos: Eine Prognose zur Gefahr von extremen Massakern in Syrien. Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung (im Erscheinen).

http://www.uni-konstanz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1282

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 28.03.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2013