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MENSCHENRECHTE/233: UNO muß auf Menschenrechtsverletzungen in Klimakompensationsprogrammen reagieren (FUE)


Forum Umwelt & Entwicklung - Pressemitteilung vom 18. April 2011

Die Vereinten Nationen müssen auf Menschenrechtsverletzungen in Klimakompensationsprogrammen reagieren


Brüssel, 18. April 2011. Das Leitungsgremium des Mechanismus' für Umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) der Vereinten Nationen hat bisher nicht auf Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit einem Klimakompensationsprojekt in Honduras reagiert, dessen Registrierung derzeit bevorsteht. Umwelt- und Menschenrechtsgruppen fordern, dass eine Finanzierung des Projekts im Rahmen des Klimakompensationsmechanismus abgelehnt werden soll. Sie fordern ebenfalls eine Überarbeitung des Mechanismus, damit Projekte, in denen Menschenrechte verletzt werden, von der Liste der registrierten Projekte gestrichen werden können.

Hintergrund: Das betreffende Projekt hat um Finanzierung im Rahmen des Mechanismus für Umweltverträgliche Entwicklung (CDM) ersucht, ein Klimakompensationsprogramms das durch das Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen eingerichtet wurde. Das Projekt liegt in der Region Bajo Aguan in Honduras. Es bezweckt Emissionsreduktionen herbeizuführen, indem Biogas aus Methanemissionen gewonnen wird und fossile Brennstoffe ersetzt werden, die bisher zur Wärmegewinnung in einer Palmöl-Fabrikationsanlage der Exportadora del Atlantico, einer Tochter der Dinant-Gruppe, verwendet wurden. Im Rahmen des CDM handelt es sich um ein relativ kleines Projekt, mit dem eine Reduktion um etwa 23.000 Tonnen CO2 jährlich erreicht werden soll, wodurch über einen Zeitraum von Februar 2010 bis Januar 2017 Einnahmen in Höhe von 2,8 Millionen US$ erzielt werden könnten.


CDM-Projektentwickler wegen Menschenrechtsverletzungen angeprangert

Letzte Woche erklärte die staatliche deutsche Entwicklungsbank DEG (Deutsche Entwicklungsgesellschaft) dass sie der Dinant-Gruppe keinen Kredit mehr gewähren wolle. Die Höhe des Kredits wurde Berichten zufolge vom Dinant-Eigentümer Miguel Facussé mit 20 Millionen US-Dollar angegeben. Auch EDF Trading, eine Tochter von Electricité de France SA und gleichzeitig einer der größten CDM-Investoren, folgte diesem Beispiel und zog sich aus einem Vertrag, der den Ankauf von Emissionsgutschriften aus dem Projekt vorsah, zurück. Diese Entscheidungen wurden auf der Basis eines Berichtes einer Erkundungsmission mehrerer internationaler Menschenrechtsgruppen unter Führung von FIAN getroffen. Der Bericht der internationalen Menschenrechtsmission wurde dem Berichterstatter für Honduras der Interamerikanischen Menschenrechtskommission am 25. März 2011 vorgelegt. Darin wird bestätigt, dass im Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2011 in Bajo Aguan in Honduras 23 Bauern getötet wurden. Nach Aussagen von Staatsanwälten richten sich die Untersuchungen zu mindestens fünf der Todesfälle ausschließlich auf private Sicherheitskräfte, die bei einer Firma im Besitz von Facussé angestellt sind.


Die britische Regierung zieht Teilnahme nicht zurück

In einem Bewilligungsschreiben vom Juni 2009 bestätigte die britische CDM-Behörde für EDF Trading ihre freiwillige Beteiligung an dem Projekt in Aguan. Dieser Schritt ist erforderlich, damit das CDM-Projekt seine registrierten Zertifikate verkaufen kann. Im März 2011 sandten 76 Organisationen einen Offenen Brief an die britische Regierung und forderte sie auf, ihre Beteiligung an dem Projekt zurückzuziehen. In dem am 14. April 2011 erhaltenen Antwortschreiben hielt Chris Huhne, der britische Minister für Energie und Klimawandel, aufgrund der verfügbaren Information an der Beteiligung fest und bestätigte dass er die Hondurianische Regierung sowie EDF Trading um mehr Information gebeten habe sowie den CDM Exekutivrat dazu aufgefordert habe, das Projekt auf die Anschuldigungen hin zu untersuchen. "Auf der Grundlage der vorliegenden Fakten betrachten wir es als inakzeptabel, wenn die britische Regierung ihre Zustimmung zu dem Projekt aufrechterhält", kommentierte Martin Wolpold-Bosien, FIAN Koordinator für Mittelamerika. "Chris Huhnes Antwortschreiben legt nahe, dass er sich durch die Ansichten der Regierung von Honduras leiten lässt. Dabei handelt es sich jedoch um eine Regierung, die weithin als unrechtmäßig betrachtet wird und letztendlich dafür verantwortlich ist, dass Verbrechen wie sie bei den Konflikten um Land in Bajo Aguan begangen werden, ungestraft bleiben. "

Es wird erwartet, dass der CDM Exekutivrat das Projekt in den kommenden Wochen untersuchen wird und eine Entscheidung voraussichtlich bei seinem nächsten Treffen am 3. Juni 2011 fällt.


Kriterien für nachhaltige Entwicklung

Laut dem CDM Exekutivrat, das CDM-Leitungsgremium das über die einzelnen CDM-Projekte entscheidet, gibt es kein Mandat Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Sämtliche Fragen im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung des Projekts - eine der beiden zentralen Anforderungen des CDM - werden durch die Regierung des Projektlandes, in diesem Fall die de-fakto Regierung von Honduras, entschieden.

"Durch dieses Verfahren wird einer Regierung, die ein klares Interesse daran hat, dass das Projekt vorankommt, eine essentielle Entscheidung überlassen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bisher niemals ein Projekt abgelehnt worden ist, weil es mit den Kriterien für eine nachhaltige Entwicklung nicht vereinbar war." sagte Eva Filzmoser, Programm-Direktorin von CDM Watch. Sie lobte daher den Schritt von EDF Trading als "eine sehr ermutigende Entscheidung, durch die dem Schutz der Menschenrechte Vorrang vor den eigenen wirtschaftlichen Profiten eingeräumt wird." Dies wurde auch von der Carbon Markets & Investors Association betont, die in einer Presseerklärung am 13. April 2011 forderte, dass bei nachgewiesenen Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit CDM-Projekten "diese aus dem UN-Bewilligungsprozesse ausgeschlossen werden sollten" und dass "alle Käufer, Prüfer und andere Anbieter von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem CDM-Prozess aufgefordert sind, ihre Geschäftsbeziehungen unverzüglich zu beenden."


Eine Überarbeitung des Klimakompensationsprogramms ist erforderlich

"Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit CDM-Projekten wurden bis jetzt von internationalen Gremien nicht ausreichend ernst genommen", sagte Eva Filzmoser. "Das CDM-Leitungsgremium muss diese Probleme aufgreifen. Wenn es keine Vorschriften gibt, die es ermöglichen, Projekte aufgrund von Menschenrechtsverletzungen abzulehnen, ist es nun an der Zeit, dies zu ändern." Umwelt- und Menschenrechtsgruppen fordern nun das CDM-Leitungsgremium auf, sein Mandat zu überprüfen und Wege zu finden die verhindern, dass Projekte die mit einer Verletzung internationaler Gesetze in Verbindung gebracht werden, im Rahmen des CDM nicht mehr unterstützt werden können. Eine Möglichkeit wäre, eine zwingende Verpflichtung einzuführen, dass CDM-Prüfer bei der Beurteilung von Projekten auch die Vereinbarkeit mit der internationalen Menschenrechtsgesetzgebung überprüfen müssen. Außerdem sollte bei Entdeckung von Fehlverhalten im Laufe des Monitoring-Zeitraums, beispielsweise bei Vorfällen, die auf Menschenrechtsverletzungen hindeuten, eine Aussetzung der Genehmigung erfolgen, und das Projekt sollte seine CDM-Qualifikation verlieren.

"Wenn man davon ausgeht, dass verantwortungsvolle Investoren nicht daran interessiert sein sollten, Emissionszertifikate aus Projekten zu kaufen, die nicht mit internationalen Standards, UN-Konventionen inbegriffen, vereinbar sind, wäre es nur ein logischer Schritt, Klimakompensationsprojekte mit denen Menschenrechtsverletzungen unterstützt werden, aus dem CDM auszuschließen." fügte Filzmoser hinzu.


Über den CDM

Der Mechanismus für Umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) ist ein projektbezogener, flexibler Kompensationsmechanismus gemäß Kyoto-Protokoll, der die Zertifizierung von Emissionsreduktionen aus Treibhausgas-Reduktionsprojekten in Entwicklungsländern ermöglicht. Der CDM verfolgt zwei Zwecke: Er soll Entwicklungsländer dabei unterstützen, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und Industrieländern helfen, die Kosten der Treibhausgasreduktion zu verringern. Länder, die sich auf das Kyoto-Protokoll verpflichtet haben, können Emissionszertifikate (CERs) nutzen, um einen Teil ihrer Verpflichtungen aus dem Protokoll zu erfüllen. Derzeit gibt es mehr als 2.500 registrierte CDM-Projekte in 58 Ländern, und etwa 2.500 Projekte in der Genehmigungs-/Registrierungs-Pipeline. Auf der Basis von Schätzungen anhand eingereichter Projektbeschreibungsdokumente könnte der CDM bis zum Ende des ersten Verpflichtungszeitraums des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 mehr als 2,9 Milliarden zertifizierte Emissionsreduktionen erwirtschaften, was jeweils einer Tonne Kohlendioxid entspricht.


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Quelle:
Pressemitteilung, 18.04.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2011