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MENSCHENRECHTE/252: Organisation Amerikanischer Staaten - Reformprozess noch nicht beendet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2013

Menschenrechte: Umstrittener OAS-Reformprozess auch nach wichtigem Votum noch nicht beendet

von Carey L. Biron



Washington, 25. März (IPS) - Einstimmig haben die 35 Mitglieder der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) eine Reihe von Reformen für das regionale System des Menschenrechtsschutzes angenommen. Gravierende Einschnitte in seine Befugnisse sind jedoch vorerst ausgeblieben.

Die am 22. März verabschiedete Resolution verpflichtet die OAS dazu, den Dialog über die wichtigsten Aspekte zur Stärkung des interamerikanischen Menschenrechtssystems aus Interamerikanischer Menschenrechtskommission und Interamerikanischem Menschenrechtsgerichtshof fortzusetzen.

"Indem die Staaten dieses Dokument angenommen haben, unterstützen sie wesentliche Elemente eines robusten Systems, das in der Zukunft weiterhin relevant sein wird", sagte Lisa Reinsberg, Exekutivdirektorin des unabhängigen 'International Justice Ressource Center'. "Wir hatten aber gehofft, dass die Sitzung die Debatte über den Reformprozess definitiv beenden würde. Stattdessen wird die Kommission nun mehr Zeit und Ressourcen aufwenden müssen, um auf Vorschläge zu reagieren. Damit wird die Aufmerksamkeit von wichtigen Menschenrechtsfragen abgelenkt."

Der umstrittene, vor zwei Jahren begonnene Reformprozess gilt als potenziell zerstörerisch für ein System, das von Menschenrechtsaktivisten geschätzt wird, bei Regierungen in der Region jedoch zunehmend auf Kritik stößt. Seit ihrer Gründung 1959 hat sich die Menschenrechtskommission als einer der effizientesten Teile der ansonsten größtenteils moribunden OAS erwiesen. Seit 1978 wacht sie über die Einhaltung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention, auch bekannt unter dem Namen 'Pakt von San José'.


Kritik von mehreren Ländern

Von offizieller Seite wird der Reformschub als Prozess der Stärkung dargestellt. Die wichtigsten beteiligten Länder - Ecuador, Venezuela, Bolivien und Nicaragua - haben sich über das bestehende System bereits unzufrieden geäußert. "Die Kommission hat die Befugnis, ihre Regeln und Praktiken zu ändern. Daher versteht es sich, dass die Kommission von den politischen Organen der OAS unabhängig sein muss", meinte Reinsberg. Insgesamt bewertet sie die Veränderungen als positiv und meint, dass sie die Transparenz fördern würden.

Lang bekannte Probleme wie die chronische Unterfinanzierung kamen jedoch nach Ansicht von Beobachtern zu kurz. So findet Tirza Flores, eine honduranische Richterin, dass der Prozess keine echte Stärkung der interamerikanischen Systems oder eine Aufstockung der Mittel erreicht habe. "Wir fordern die Staaten auf, ihren Verpflichtungen zur Finanzierung der Kommission nachzukommen, statt sie dadurch zu ersticken, dass ihre externe Finanzierung an Bedingungen geknüpft wird."

In ihrer Resolution forderten die Staaten die Fortsetzung der Diskussion über Fragen wir unverzügliche Maßnahmen zum Schutz von Gruppen und Einzelpersonen und den Jahresbericht der Kommission über die Menschenrechtslage in den einzelnen Ländern. Zudem wird seit Langem kritisiert, dass die USA und andere "externe" Staaten das interamerikanische Menschenrechtssystem zu stark kontrollierten.

Diese Meinungsverschiedenheiten haben bei mehreren Delegationen Befürchtungen genährt, das Votum vom 22. März könnte den Staatenbund weiter an den Rand des Zerfalls führen. Ecuador und Bolivien hätten sich um ein Haar der Stimmabgabe enthalten. Venezuela und Trinidad und Tobago haben bereits angekündigt, sich aus dem System zurückzuziehen. Ähnliche Warnungen kamen von Ecuador und Bolivien.

Unzufriedenheit herrschte vor der Abstimmung unter anderem darüber, dass einerseits die USA mit einem Anteil von 1,3 Millionen US-Dollar an dem Jahresbudget von zehn Millionen Dollar der größte einzelne Geber der Menschenrechtskommission sind. Andererseits weigern sich die USA und Kanada seit Jahrzehnten, die Amerikanische Menschenrechtskonvention zu unterzeichnen.

Auch die schlechte Zahlungsmoral einzelner Mitgliedstaaten war Thema der Gespräche. Ecuador soll in den vergangenen drei Jahren nur 1.500 Dollar an Beiträgen gezahlt haben, während von Bolivien, Venezuela und Nicaragua zwischen 2010 und 2012 gar nichts kam.


EU finanziert etwa ein Drittel des Budgets

Erschwerend kommt hinzu, dass etwa ein Drittel des Budgets des interamerikanischen Menschenrechtsschutzsystems von der Europäischen Union getragen wird, die ansonsten nichts mit dem System zu tun hat. "Die Kontrolle und die Definition des Systems liegen nicht in unseren Händen", sagte der ecuadorianische Außenminister Ricardo Patino. Die Situation sei "lächerlich und inakzeptabel".

Der Minister kritisierte zudem, dass im Rahmen des interamerikanischen Menschenrechtssystems der Sonderberichterstatter über Meinungsfreiheit - ein Gebiet, das den USA und der EU besonders wichtig zu sein scheine - weit mehr Geld erhalte als die Berichterstatter über Frauen, Kinder und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Patino schlug vor, auch ein neues Ressort für Folter und extralegale Hinrichtungen einzurichten. Mit den außergerichtlichen Hinrichtungen bezog er sich auf das Programm der USA für den Einsatz bewaffneter Drohnen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.oas.org/consejo/GENERAL%20ASSEMBLY/44SGA.asp
http://www.ipsnews.net/2013/03/controversial-inter-american-reforms-process-to-continue/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2013