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MENSCHENRECHTE/257: Südkoreanischer Menschenrechtspreis für argentinische Organisation HIJOS (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Mai 2013

Menschenrechte: Südkoreanischer Preis für argentinische Organisation HIJOS

von Supalak Ganjanakhundee



Gwangju, Südkorea, 23. Mai (IPS) - Als die Nachricht vom Tod des ehemaligen argentinischen Diktators Jorge Rafael Videla um die Welt ging, erklärte Julia Parodi in Südkorea, Videla sei am rechten Ort gestorben: nämlich im Gefängnis.

Parodi hatte in Südkorea den mit 50.000 US-Dollar dotierten Gwangju-Menschenrechtspreis stellvertretend für die argentinische Organisation 'HIJOS' entgegengenommen. Die Abkürzung steht für 'Söhne und Töchter für Identität und Gerechtigkeit gegen das Vergessen und Schweigen'. Die Gruppe wurde 1995 gegründet, als sich Kinder von Verschwundenen der Militärdiktatur (1976-1983) organisierten, um die Täter vor Gericht zu bringen. Schätzungsweise 30.000 Menschen wurden während der Diktatur verschleppt und umgebracht.

Auch nach dem Tod Videlas am 17. Mai sei Argentinien immer noch damit beschäftigt, die Verfehlungen seiner siebenjährigen Herrschaft im Anschluss an den Putsch gegen die demokratische Regierung von Präsidentin Isabel Perón zu korrigieren, betonte Parodi. Die 25-Jährige war mit ihrem Kollegen Marcos Kary nach Gwangju gereist, um die Gwangju-Auszeichnung entgegenzunehmen und Erfahrungen mit südkoreanischen Kollegen auszutauschen.

Der Gwangju-Preis wird von der 'May 18 Memorial Foundation' in Südkorea vergeben, die ebenfalls von Angehörigen von Diktaturopfern gegründet worden ist. Bei Protesten gegen den südkoreanischen Militärmachthaber Chun Doo-hwan (1979-1988) im Mai 1980 gingen die Sicherheitskräfte in der im Südwesten gelegenen Stadt Gwangju mit brutaler Gewalt gegen die Demonstranten vor und verursachten auf diese Weise den Tod von 2.000 Menschen.


Befreiungskämpfer in Osttimor ausgezeichnet

Die Revolte markierte einen Wendepunkt im Kampf der Südkoreaner für Demokratie. Sechs Jahre nach Gründung der Gedächtnisstiftung wurde im Jahr 2000 der Preis ausgesetzt. Zunächst erhielt ihn Xanana Gusmão, der nach dem Befreiungskrieg in Osttimor 2002 der erste Präsident des neuen Staates wurde.

Seither ging die Auszeichnung an weitere politische Führer in Südasien, 2004 beispielsweise an die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi in Myanmar und drei Jahre später an Irom Sharmila, die gegen Militärexzesse im Nordosten Indiens zu Felde zog. 2011 ging der Preis an ihren Landsmann Binayak Sen, der sich für die Gleichstellung der indigenen Gemeinschaften einsetzte.

Mit HIJOS wurde in diesem Jahr erstmals eine Vereinigung ausgezeichnet, die Beweise gegen Menschenrechtsverbrecher zusammengetragen hat und den Opfern dabei hilft, ihren Fall vor Gericht zu bringen. Videlas Verurteilung war ein Ergebnis dieses Engagements.

Der Ex-Diktator, der wegen Menschenrechtsverletzungen zunächst eine lebenslange Haftstrafe erhalten hatte, wurde aber bereits nach wenigen Jahren im Rahmen einer Amnestie durch Präsident Carlos Menem wieder freigelassen.

Nachhaltige Bemühungen von Organisationen wie HIJOS führten jedoch dazu, dass Videla nicht auf Dauer ohne Strafe blieb. Mitte der 2000er Jahre hob der Oberste Gerichtshof Argentiniens die Begnadigung früherer Junta-Mitglieder durch den Präsidenten sowie die beiden Ende der achtziger Jahre erlassenen Amnestiegesetze auf.


Menschenrechtsverbrecher auf Flugblättern geoutet

"In der Zeit, in der keine Gerichtsverfahren stattfanden, haben wir durch soziale Aktionen versucht, die Verbrecher der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wir verteilten Flugblätter an die Nachbarn, in denen wir darauf aufmerksam machten, dass die Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld für die brutalen Übergriffe in den siebziger und achtziger Jahren verantwortlich waren."

Die Menschenrechtsverfahren wurden kurz nach der Aufhebung der Amnestien eröffnet. In der zentralargentinischen Stadt Cordoba, wo Parodi und Kary arbeiten, wurden bereits vier Prozesse gegen 43 Angeklagte geführt, bei denen es um 400 Opfer ging. Nach Angaben der beiden Aktivisten, die selbst keine Kinder von Diktaturopfern sind, begann ein fünftes Verfahren im vergangenen Dezember und wird voraussichtlich noch zwei Jahre dauern.

Für die Menschenrechte in Argentinien gebe es weiterhin viel zu tun, meinte Kary. "Das Militär herrscht zwar nicht mehr, dafür kommt es zu Übergriffen durch die Polizei. Ihre Einstellungen haben sich nie wirklich geändert. Und in den Gefängnissen wird weiter gefoltert." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.hijos-capital.org.ar/
http://eng.518.org/index.es?sid=a5
http://www.ipsnews.net/2013/05/seeking-justice-for-dictatorship-victims-two-continents-apart/

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IPS-Tagesdienst vom 23. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2013